Wie trügerisch die Hoffnung ist, dass das heutige Währungsgefüge langfristig stabil sein könnte, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Rund 650 Milliarden Dollar, mehr als die Niederlande pro Jahr erwirtschaften, müssen die USA 2005 an ausländischem Kapital ins Land locken, damit der Dollar nicht fällt. Bislang ist das vor allem deshalb gelungen, weil die Zentralbanken Asiens enorme Dollar-Reserven aufgekauft haben, um die Kurse ihrer Währungen künstlich niedrig zu halten. Leidtragender ist der Euro, der als einziger unter den großen Devisen wie Dollar, Renminbi und Yen bislang die Hauptanpassungslast tragen muss, sobald der Dollar fällt. Die negativen Folgen einer solchen einseitigen Euro-Aufwertung auf das Wachstum bekommen exportabhängige Volkswirtschaften wie Deutschland besonders stark zu spüren. Sollte der Appetit auf den Greenback (US-Dollar) nachlassen, etwa weil Investoren Zweifel an der Kreditwürdigkeit des weltgrößten Schuldners Amerika kommen, droht ein Kursrutsch des Dollar, der im schlimmsten Fall das globale Finanzsystem und damit die Weltwirtschaft in die Krise stürzen könnte.
Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die Diskussion über eine neue Weltwährungsordnung wieder auf die Tagesordnung kommt. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie viel Flexibilität die Weltwirtschaft tatsächlich braucht - und ob festgeschriebene Wechselkurse nicht die bessere Alternative wären. Die Vorteile liegen auf der Hand. Würden sich die G8-Staaten offiziell darauf einigen, feste Wechselkurse einzuführen, gäbe es zwischen ihnen keine Kursunsicherheiten mehr. Der Welthandel würde profitieren, denn Exporteure müssten sich nicht mehr teuer gegen das Risiko von Kursschwankungen absichern oder Absatzeinbußen hinnehmen. Starke Kursauschläge, wie sie häufig durch das Herdenverhalten von Devisenspekulanten ausgelöst oder verstärkt werden, wären im Idealfall Geschichte.
Doch die schön geordnete Währungswelt, von der Anhänger fester Wechselkurse träumen, hat große Nachteile. Das hat das gescheiterte Festkurssystem von Bretton Woods gezeigt. Dieses zerbrach 1971 letztlich daran, dass sich die USA mit dem Dollar als Ankerwährung nicht an die Absprachen hielten und die Welt mit billigem Geld überschwemmten. Den übrigen Ländern blieb nichts anderes übrig, als die US-Schuldenpolitik zu finanzieren, indem sie Dollar aufkauften und sich dadurch die Inflation ins Land holten. Der Traum von geordneten Wechselkursverhältnissen wurde zum Alptraum.
Auch ein Kompromiss aus festen und flexiblen Wechselkursen - ein System fester Bandbreiten, in denen die Währungen frei schwanken können - bietet auf Dauer keine stabile Lösung. Vielmehr scheint dies Spekulanten geradezu einzuladen, gegen einzelne Devisen zu wetten, wie das Beispiel des Europäischen Währungssystems (EWS) 1993 gezeigt hat. Damals gelang es nicht, das britische Pfund gegen die Attacken von Spekulanten zu stabilisieren. Großbritannien musste daraufhin das EWS verlassen. Dieses Problem lässt sich nur vermeiden, wenn man konsequent einen Schritt weitergeht und nach dem Vorbild des Euro einen gemeinsamen Währungsraum schafft. Dieser hat den Staaten der Euro-Zone unterm Strich deutlich mehr Vor- als Nachteile gebracht. Ehemalige Weichwährungsländer profitieren von den niedrigen Zinsen, Wechselkursturbulenzen innerhalb des Euro-Raums sind Vergangenheit, und der Handel unter den Ländern ist kräftig gestiegen. Davon konnte vor allem Deutschland profitieren. Die Bundesrepublik ist heute Exportweltmeister - keine Lira-Abwertung oder D-Mark-Aufwertung kann der deutschen Wirtschaft die mühsam erkämpften Wettbewerbsvorteile wieder nehmen.
Warum also nicht auch weltweit auf eine gemeinsame Währung zurückgreifen, wie es der US-Nobelpreisträger Robert Mundell vorschlägt? Eine Antwort darauf liefert ebenfalls der Euro-Raum. Vor Einführung des Euro wurden Unterschiede bei Wachstum und Inflation über den Wechselkurs geregelt. Heute sind die Mitglieder darauf angewiesen, ihre Wettbewerbsfähigkeit über Löhne, Staatsfinanzen und die Struktur der Wirtschaft zu steuern. Funktionieren kann das auf Dauer nur, wenn alle Beteiligten eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben. Zudem müssen Länder möglichst ähnliche Wirtschaftsstrukturen besitzen oder den fehlenden Wechselkurs durch andere Anpassungsmechanismen wie den freien Verkehr von Waren, Arbeitskräften und Kapital ausgleichen. Auf die globale Wirtschaft bezogen bedeutet das, dass die Politiker entweder Transfermilliarden um den Globus schicken oder eine Art Turbo-Globalisierung aus frei über Grenzen und Sprachbarrieren hinweg strömenden Arbeitskräften und Produktionsmitteln entstehen müsste, um in einer Welt mit nur einer Währung die Unterschiede zwischen Staaten einzuebnen.
Doch gerade das Beispiel der Euro-Zone zeigt auch, wie weit ein Zusammenschluss verschiedener Staaten mit unterschiedlichen Sprachen noch von diesem Ideal einer Währungszone entfernt ist. Ein weltweiter Verbund, der die rund 180 Währungen unter dem Dach einer Weltwährung bündelte, wäre angesichts der globalen Divergenzen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Solange es die wichtigsten Industriestaaten noch nicht einmal schaffen, gemeinsame Maßnahmen umzusetzen, um die globale Schieflage auszugleichen, bleiben flexible Wechselkurse zwischen den großen Währungsräumen die bessere Alternative.
Das schließt nicht aus, dass es auf regionaler Ebene nicht auch zu Währungsverbünden nach dem Vorbild des Euro kommen kann. Doch selbst in diesem Fall würden die wichtigsten Währungsmächte nicht darum herum kommen, die weltweiten Ungleichgewichte abzubauen und zwischen Amerika, Asien und Europa eine Wechselkursfreiheit zu schaffen, die diesen Namen tatsächlich verdient. Geschieht das nicht, weil die notwendigen Anpassungen - Amerika muss mehr sparen, Europa stärker wachsen und Asien eine Aufwertung der eigenen Währungen zulassen - weiter verschleppt werden, könnte die Welt schon bald schmerzhaft zu spüren bekommen, wie endlich das vermeintliche Perpetuum mobile in der Weltwirtschaft tatsächlich ist.
Anja Struve ist Korrespondentin der "Welt" in Frankfurt/Main.