Nennen wir sie passend zum Wortspiel "Die Gierlanten". Gierlanten sind dem Buch zufolge bekannte Personen in bekannten Organisationen. Sie sitzen dort in Chefetagen und tagen auf Kosten anderer. Sie kommen mittlerweile überall vor: Das Buch benennt Wirtschaftsbosse, Politiker, Vertreter von Krankenkassen und Gewerkschaften.
Huth und Engelke portraitieren die Gierlanten als Selbstbediener, beschreiben sie als Ingredienzien eines Systems der "Abzockerei", dessen Möglichkeiten sie kreativ und deshalb legal nutzen: Als Wirtschaftschefs erhöhen sie sich selbst die Bezüge, kassieren als Abgeordnete satte Spesen plus Einkommen aus Nebenjobs. Andere, wie etwa die zitierten Krankenkassenchefs, weigerten sich, Gehälter offen zu legen, was nahe legt, was in Gierlanden nahe scheint.
Nahe gehen uns auch die Geschichten, wenn von den bekannten Gesichtern bekannt wird, was nicht bekannt sein soll: Millionenabfindungen für besiegte Topmanager bei Firmenübernahmen, Verfünffachung von Vorstandsbezügen, Extras wie großzügige Aktienoptionsprogramme, Erhöhung der Spesen um bis zu 76 Prozent, Luxusreisen, Bonusmeilen, Partys und vieles mehr. Huth und Engelke taktieren publizistisch mit den großen Skandalen, um eine effektreiche Skizze von Gierlanden abzustecken, innerhalb derer sie die jeweiligen Regionen festmachen.
Im ersten Kapitel widmen sie sich den Perspektiven einer Politikerkarriere; das zweite leuchtet hierzu die begleitenden Vorzüge und Annehmlichkeiten aus; im dritten geht es um die Bezüge von Nebentätigkeiten; das vierte erzählt von Extraflügen und Bonusmeilen. Sie nutzen das fünfte Kapitel für eine Exkursion zu den finanziellen Optionen für EU-Parlamentarier, beschreiben im sechsten Kapitel Beispiele für die Beziehung von Politik und Beratern, kommen im siebten Abschnitt zu den vermeintlich nimmersatten Topmanagern der Wirtschaft, wechseln im achten Kapitel zum monetären Wohlbefinden der Krankenkassen und erläutern im neunten unter anderem, weshalb Gewerkschaften "als Arbeitgeber härter als hart" sind.
Am Ende erinnern die Autoren an die spektakulären Rücktritte der Skandal-Ikonen und suchen abschließend den internationalen Vergleich in punkto Transparenz und Besserung. Immer wieder streuen sie Interviews zur Beweisführung ein, ziehen an anderer Stelle sanft die literarische Notbremse, denn pauschal und ungerecht wollen sie doch nicht erscheinen.
Dennoch bleibt das Profil scharf. Der durchweg freche Ton ist offensichtlich am vermeintlichen Tenor der Beschriebenen orientiert: Denn, so die Autoren, Gierlanten fühlen sich bei alledem im Recht, reagieren gar beleidigt bei jeder Aufdeckung. Huth und Engelke wollen uns damit sagen: Sie halten sich selbst für etwas ganz anderes, was ähnlich klingt - nämlich für Giganten. Gigantisch ist vor allem, was zum Schluss bleibt und jeden Selbstbediener ereilt und auch den Autoren ein doch versöhnliches Buchende entlockt: Das schlechte Gewissen.
In Gierlanden tut Geld, was es meistens tut: Es wechselt den Besitzer. Allerdings anders, als das der allgemeinen Vorstellung entspricht. Mit eben dieser Art und Weise beschäftigt sich Jürgen Deeg in seinem Buch, das sich mit der Vernichtung von Anlegergeldern beschäftigt. Deeg war Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzpräsidiums und beteiligte sich als Anleger an der Hanseatischen AG und der EURO-Kapital-AG. Als dortiger Investor erlebte er bei deren Konkurs eine Expedition in die Rechtspraxis der Verfahren, an deren Ende oft der Totalverlust von Anlegergeldern steht.
Deegs Erlebnisse sind persönlich, daher ist sein Zeugnis ebenso authentisch wie individuell. Gleichzeitig verbreitert er sein Engagement, vertritt er doch als Gründer eines Vereins privater Kapitalanleger im Osten Deutschlands die Interessen von Investoren aus der Schweiz, die ein ähnliches Schicksal teilen: Durch die Verfügung der Liquidation der Ost Com Holding AG durch die Schweizer Bankaufsichtsbehörde wegen rechtlicher Bedenken gegen das Einwerben von Anlegergeldern begann 1999 das Konkursverfahren.
Die Crux dabei: "Die Anleger konnten nicht einsehen, dass die guten Gewinne der ,Töchter' der Ost Com Holding AG, unter anderem werthaltige polnische Werke, ausschließlich in die Hände der Konkursverwalterin fallen sollten." Jürgen Deeg schildert die Entwicklungen des Konkursverfahrens der Ost Com Holding AG, deren 100-prozentige Tochter, eine Immobilien- und Verwaltungs AG in Leipzig, ebenfalls in einem Insolvenzverfahren steht und in die Betrachtung einbezogen wird.
Die Verfahren beider Unternehmen und die von Deeg dabei ermittelten Ungereimtheiten sind zentraler Inhalt des Buches, der dem finalen Begriff des "legalen Betrugs" mit akribischem Detailnachweis entgegen strebt. Dabei richtet sich der Verdacht des Autors maßgeblich gegen die Konkurs- und Insolvenzverwaltung. Das Buch konstatiert: "Auch sind getarnte Kosten, die manchmal als Schmiergelder umgesetzt werden, nicht im Sinne der Gläubiger zu sehen. Verfahrensabläufe, die legal sind, werden mit Umständen verknüpft, die ungesetzlich sind."
Letztlich gehen die Anleger leer aus. Es fehle, so beklagt der Autor, die notwendige Unterstützung von Behörden und Gerichten. Komplexe Verfahren wie Konkurse und Insolvenzen bergen Unsicherheiten und damit auch Optionen für eventuell fragwürdiges Handeln involvierter Akteure. Diese Erfahrung macht das Buch sehr deutlich.
Deegs Werk ist eine persönliche Chronik über den Vertrauensverlust in Institutionen und Rechtspraxis, sie ist vor allem eine Analyse ihrer Schwachstellen. Darauf will es aufmerksam machen.
Peter Huth, Jan Engelke
Die Selbstbediener.
Wer sich unser Geld einsteckt
Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 2005; 270 S., 14,50 Euro
Jürgen Deeg
Der legale Betrug. Wie Anlegergelder systematisch vernichtet werden.
Mitteldeutscher Verlag, Halle/Saale 2005; 288 S., 22,- Euro