Beck: Parallelgesellschaftliche Strukturen nicht mit Muslimen gleichsetzen
Berlin: (hib/BOB) Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) hat darauf hingewiesen, dass besonders oft parallelgesellschaftliche Strukturen mit muslimischen Gruppen gleichgesetzt werden. Auch werde kritisiert, dass diese kaum oder nur begrenzten Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern in der deutschen Politik und zu gesellschaftlichen Organisationen in Deutschland hätten. Beck hält in einem Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland zwischen September 2002 und Ende 2004, der dem Parlament als Unterrichtung ( 15/5826) vorgelegt wurde, die Verwendung des Begriffs "Parallelgesellschaft" in diesem Kontext für problematisch. Tatsächlich hätten religiöse Gemeinden in besonderem Maße ihre ethischen Wertevorstellungen betont, ohne dass deswegen parallele Strukturen bestehen würden. Die Ausländerbeauftragte teilt im Übrigen die Einschätzung des Sachverständigenrats für Zuwanderung und Integration, der in fremdenfeindlichen, antisemitischen und rechtsextremistischen Einstellungen und darauf beruhenden Handlungen gegenüber Zugewanderten und anderen Minderheiten eine Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der kulturellen Toleranz und des sozialen Friedens und damit einen direkten Angriff auf den Wertekanon des Grundgesetzes sieht.
Die soziale Lage von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland, so heißt in dem Bericht weiter, ist, gemessen an der Einkommenssituation deutlich schlechter als die der deutschen Bevölkerung. Niedrigere Erwerbseinkommen und die höhere Arbeitslosigkeit führten dazu, dass diese häufiger auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sind. Die Wohnsituation von Zugewanderten unterscheide sich von der Wohnsituation der deutschen Bevölkerung nach wie vor durch die höhere Belegungsdichte in Zuwanderungshaushalten und höhere Mieten, die von Zuwandererhaushalten gezahlt werden müssten. Eine Verbesserung der Wohnsituation kann nach Ansicht Becks durch die Bekämpfung von Armut und den Abbau von Diskriminierung auf den Wohnungsmarkt erreicht werden. Aus ihrer Sicht sollten weniger die Konzentration von Zugewanderten als vielmehr die Folgen der Konzentration von Armut und sozialer Benachteiligung in den Stadtteilen aktiv bekämpft werden. Sie weist ferner darauf hin, dass im Berichtszeitraum weiterhin jeder fünfte ausländische Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlässt - bei Deutschen sei es nur jeder Zwölfte. Dies ist nach Ansicht Becks ein Hinweis darauf, dass für einen großen Teil dieser Jugendlichen entscheidende Zukunftschancen immer noch fehlen.
Ferner führt der Bericht aus, dass seit 1993 der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen an allen Tatverdächtigen "stetig und deutlich" zurückgegangen ist. Dies gelte sowohl für ausländische Kinder und Jugendlichen als auch für Erwachsene. Der Rückgang übertreffe bei weitem die Abnahme bei der Bevölkerung mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Anteile der ausländischen Tatverdächtigen hätten aber auch im Jahr 2003 noch beträchtlich über ihren Anteilen an der Gesamtbevölkerung gelegen. Dabei seien nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der Aufenthaltstatus und sozialstrukturelle Merkmale entscheidend für die Kriminalitätsbelastung. Aus der Sicht der Ausländerbeauftragten stellte Kriminalität bei (deutschen wie nichtdeutschen) Jugendlichen vor allem die Folge misslungener Integration in die Gesellschaft dar. Die weiterhin hohe Kriminalitätsbelastung ausländischer Jugendlicher zeige, dass zusätzliche Integrationsbemühungen dringend erforderlich sind. Kriminalprävention müsse daher an den Lebensumständen und dem sozialen Umfeld der Jugendlichen ansetzen. Die Ausländerbeauftragte hatte sich in der Vergangenheit mehrfach dafür eingesetzt, dass in Deutschland aufgewachsene ausländische Jugendliche im Fall von Straffälligkeit nicht ausgewiesen werden. Unter integrationspolitischen Gesichtspunkten sei eine Resozialisierung nur in der Gesellschaft sinnvoll und möglich, in der Jugendliche aufgewachsen sind, betont Beck.
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