Experten: Föderalismusreform schwächt deutsche EU-Verhandlungsposition
Berlin: (hib/MPI) Auf ein vorwiegend kritisches Echo stoßen die europapolitischen Pläne von Union und SPD im Rahmen der Föderalismusreform. Bei der Anhörung von Bundestag und Bundesrat zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ( 16/813) bemängelten die geladenen Sachverständigen am Dienstag vor allem die vorgesehene Änderung bei den Beteiligungsrechten der Länder in Artikel 23 des Grundgesetzes. Danach verliert die Bundesregierung in den Bereichen schulische Bildung, Kultur und Rundfunk ihre Verhandlungsführerschaft in Brüssel an einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder. Der Berliner Rechtsprofessor Hans Meyer sagte, die Änderung werde die Europatauglichkeit des Grundgesetzes nicht wie erwünscht erhöhen, sondern verschlechtern. "Deutschland ist schlecht aufgestellt in Europa", betonte Meyer und fügte hinzu: "Was fehlt, ist eine einheitliche Vertretung in Brüssel." Die geplante Neuregelung verschärfe das Problem. Es sei "widersinnig", dass die Ländervertreter Bundesinteressen vertreten sollen. Zudem wäre es aus seiner Sicht "ein Wunderfall", wenn alle 16 Länder eine einheitliche europapolitische Positionierung hinbekämen.
Der Professor für öffentliches Recht in Göttingen, Christoph Möllers, unterstrich, es könne nicht sein, dass die Außenvertretung Deutschlands "gespalten" sei. Sein Oldenburger Kollege Götz Frank wies darauf hin, dass die Landtage zudem schwer kontrollieren könnten, was der Ländervertreter in Brüssel verhandelt. Ähnlich argumentierte der Münchner Staatsphilosoph Peter M. Huber. Es sei völlig unklar, wie beispielsweise der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern reagieren solle, wenn er mit dem Ländervertreter beispielsweise aus Bayern nicht zufrieden sei. Huber regte an, dass die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder auf europapolitische Entscheidungen der Bundesregierung besser innerstaatlich gestärkt werden sollten. Trotz aller Kritik sei jedoch die geplante Neufassung insofern eine Verbesserung, als es die Außenvertretungsrechte der Länder auf drei Bereiche begrenze. Die jetzige Regelung sei da unklarer.
Der Heidelberger Europarechtsexperte Peter-Christian Müller-Graff wies die Kritik an der Änderung zurück. Er sehe den Vorschlag "entspannter", so Müller-Graff. Weiter sagte er: "Wir wagen ein Experiment, wenn es nicht klappen könnte, hat man belastbare Erfahrungen." Der Präsident des bayerischen Landtages, Alois Glück, nannte die Kritik der Rechtsexperten "ein bisschen unverhältnismäßig". Die Mängel in der Organisationsstruktur der Bundesregierung in Sachen Europa seien "sehr viel gravierender".
Der Gesetzentwurf sieht für die Europakammer des Bundesrates auch die Möglichkeit schriftlicher Abstimmungen vor (Änderung von Grundgesetzartikel 52). Damit soll erreicht werden, den Zeitaufwand für die Formulierung von Stellungnahmen zu verringern und die Koordination zu erleichtern. Zudem müssten die Länder, wenn sie gegen Europarecht verstoßen, künftig mithaften (Änderung von Grundgesetzartikel 104a).
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