Reform des Insolvenzrechts umstritten
Berlin: (hib/KOS) Auf deutliche Kritik von Sachverständigen aus dem Kreis von Richtern und Anwälten wie bei der Wirtschaft stößt die von der Bundesregierung geplante Änderung des Insolvenzrechts. Bei den Sozialversicherungsträgern dagegen findet der Gesetzentwurf zur Reform der Insolvenzanfechtung ( 16/886) Zustimmung. Bei einer Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochnachmittag bemängelten Gero Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof (BGH), und der Hamburger Insolvenzrichter Frank Frind, dass im Falle einer Unternehmensinsolvenz die Renten- und Krankenversicherungen sowie Finanzämter bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber privaten Gläubigern künftig bevorzugt würden. Professor Hans Haarmeyer (Remagen) sprach von einem "Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz". Die Justiziarin der AOK Bayern, Heidi Schmidt, betonte hingegen, die Vorlage der Regierung habe einen "maßvollen Ausgleich" der einzelnen Gläubigeransprüche zum Ziel. Nach dem Gesetzentwurf soll die Möglichkeit eingeschränkt werden, bereits erfolgte Zahlungen an Gläubiger anzufechten und so im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wieder in Frage zu stellen. Dies würde die Position von Sozialversicherungen und Fiskus stärken.
Fischer hingegen erklärte, die geplante Gesetzesnovelle werde die positiven Wirkungen der Insolvenzrechtsreform von 1999 massiv beeinträchtigen. Die seinerzeitige Regelung habe dazu geführt, dass es bei zahlungsunfähigen Kapitalgesellschaften in über 60 Prozent der Fälle zur Eröffnung von Insolvenzverfahren gekommen sei, wodurch sich die Chancen auf eine Unternehmenssanierung und auf den damit verbundenen Erhalt von Arbeitsplätzen verbessert hätten. Die nach dem Gesetzentwurf den Sozialkassen und dem Fiskus eröffnete Möglichkeit, sich aus dem verbliebenen Vermögen zahlungsschwacher Firmen zu bedienen, werde jedoch in vielen Fällen bei den betroffenen Betrieben mangels finanzieller Masse eine Insolvenzeröffnung verhindern oder allenfalls noch eine Liquidation auf niedrigstem Niveau erlauben. Die Vorlage der Regierung sei zudem mittelstandsfeindlich, kritisierte der BGH-Richter. Während Sozialversicherungen und Finanzämter ihre Ansprüche gegenüber Schuldnern mit Hilfe vollstreckbarer Rechtstitel zügig durchsetzen könnten, würden mittelständische Geschäftspartner und Privatpersonen mangels eigener Rechtsabteilungen in aller Regel das Nachsehen haben.
Haarmeyer meinte, für die Besserstellung von Fiskus und Sozialkassen gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Künftig werde der Lieferant eines insolventen Unternehmens vielleicht leer ausgehen, während das Finanzamt die ausstehende Umsatzsteuer in vollem Umfang erhalte. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks sieht in dem Gesetzentwurf eine Begünstigung von Fiskus und Sozialversicherungen zum Nachteil anderer Insolvenzgläubiger. Ihr Sprecher Heiko Christian Taubert sagte, gerade diese personalintensive Branche werde durch Forderungsausfälle schwer getroffen. Fielen bei kleinen Handwerksbetrieben nur ein oder zwei Schuldner aus, könne dies schon das Ende der Firmen bedeuten. Deshalb müssten bei einer Insolvenz möglichst viele liquide Mittel zur Verteilung verbleiben, um die Insolvenzforderungen aller Gläubiger in hohem Maße erfüllen zu können.
Für die AOK betonte indes Heidi Schmidt, im Falle von Unternehmensinsolvenzen befänden sich die Sozialversicherungen als "Zwangsgläubiger" gegenüber den Geschäftspartnern zahlungsunfähiger Unternehmen in einer ungünstigen Lage. Banken würden sich bei einer Kreditgewährung Sicherungen geben lassen, Lieferanten könnten in die Verträge einen Eigentumsvorbehalt einbauen, das Telefon werde bei der Nichtbezahlung der Rechnung abgestellt. Solche Möglichkeiten, unterstrich Schmidt, hätten die Sozialkassen nicht. Müssten sie als Folge von Anfechtungsklagen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Beitragsgelder zurückzahlen, würde dies zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen. Ihre Leistungen könnten die Sozialkassen im Gegenzug ja nicht einschränken. Insofern müsse das Insolvenzrecht, so die Forderung der AOK-Vertreterin, der besonderen Situation der Sozialversicherungen Rechnung tragen.
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