Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (Anhörung)/
Berlin: (hib/BES) Die Internationale Gebergemeinschaft muss
dringend mehr Geld für den Schutz der Tropenwälder
aufbringen und die bürokratischen Hürden bei der
Mittelvergabe für Projekte abbauen. Dies haben
Waldschutzexperten in einer Anhörung im Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwochmittag
gefordert. In Vorbereitung auf den G8-Gipfel in Heiligendamm, bei
dem der Klimaschutz einer der Schwerpunkte sein soll, wollten sich
die Entwicklungspolitiker über neue Finanzierungsinstrumente
auf diesem Gebiet und bisherige Erfahrungen mit Tropenwaldfonds,
dem "Clean Development Mechanism" (CDM) und der "Globalen
Umweltfazilität" (GEF) informieren. "Wir müssen schnell
handeln und dürfen nicht bis 2012 warten", sagte Tasso Rezende
de Azevedo, Generaldirektor des Forstdienstes im brasilianischen
Umweltministerium, im Hinblick auf die vereinbarten Kioto-Ziele zur
Reduzierung der Treibhausgase. Im brasilianischen Parlament gebe es
eine "ganz wichtige" Debatte zum Klimaschutz im Zusammenhang mit
der Abholzung der Wälder, die 75 Prozent der
Treibhausgasemissionen in Brasilien verursachten. Azevedo
unterstrich dabei, dass man die Abholzung nicht "als unsinnige
Aktivitäten" abtun dürfe. Dies sei ein
Entwicklungsmodell, das es auch in den Industrieländern
gegeben habe. "Um diesen Trend abzukehren, brauchen wir sehr viel
Energie", so Azevedo. Dafür müssten sich die
Verbrauchermuster ändern. Brasilien habe inzwischen einen
Multisektorplan erarbeitet, an dem 14 Ministerien beteiligt seien.
Als konkrete Ergebnisse führte der Umweltpolitiker an, dass
eine Million Kubikmeter Holz aus illegaler Abholzung beschlagnahmt
und 66.000 Landtiteldokumente entzogen worden seien. In den
vergangenen zwei Jahren sei die Abholzung um 50 Prozent
zurückgegangen. Es habe sich dabei herausgestellt, dass die
Bekämpfung der Abholzung sehr teuer sei. Etwa eine Milliarde
US-Dollar koste dies pro Jahr; "mehr als wir erwartet haben".
Azevedo beklagte in diesem Zusammenhang, dass die internationale
Gebergemeinschaft ihre Versprechungen aus Rio (1992) nur zu 25
Prozent erfüllt habe. Das seien "viel weniger Mittel als
notwendig". Alle Finanzierungsinstrumente seien "sehr
bürokratisch und langsam". Die Genehmigung dauere bis zu drei
Jahren. Notwendig seien nun finanzielle Anreize für den Schutz
der Wälder, deren Wert viel deutlicher herausgestellt werden
müsste. In die Projekte sollte auch der Privatsektor
einbezogen werden; die betroffenen Entwicklungs- und
Schwellenländer brauchten außerdem mehr Transfer von
moderner Technologie aus den Industrieländern, so die
Vorschläge Brasiliens. Aus Sicht von Martin Kaiser (Greenpeace
Deutschland) sollten mehr unbürokratische Kleinprojekte
gefördert werden. Zur Finanzierung des Tropenwaldschutzes
sollte eine Kombination aus öffentlichen Fonds und
Marktmechanismen "ausprobiert" werden. Als weitere
Finanzierungsinstrumente nannte Kaiser Abgaben auf
Devisengeschäfte, Transport und Verkehr, darunter auf
Flugtickets, die in Frankreich bereits 200 Millionen Euro im Jahr
einbringen. Geschützt werden sollten - so Kaiser - nicht nur
die Tropenwälder, sondern auch die Urwälder von Kanada,
Skandinavien und Russland, die eine wichtige Funktion als Senken im
Klimaschutz erfüllten. Als ein wichtiges Schutzinstrument
bezeichnete Kaiser internationale Moratorien. Konkret forderte er
ein sofortiges Moratorium auf neue Abholzung für den Sojaanbau
in Amazonien und ein weiteres auf Vergabe von neuen
Forstkonzessionen in der Demokratischen Republik Kongo. Neue
Finanzierungsinstrumente forderte Gerhard Dieterle von der
Weltbank. Sie sollten die Standardansätze im Rahmen von
Partnerschaften ergänzen. Die Weltbank beschäftige sich
intensiv mit der Finanzierung im Waldsektor. Für Aufforstung
würden 300 bis 500 Millionen US-Dollar jährlich
ausgegeben. Das sei "beachtlich, aber nicht genug", so Dieterle,
der auf einen Vorschlag der Weltbank für ein Pilotprogramm
"Forest Carbon Partnership Facility" hinwies. Auch nach Meinung von
Jon Hutton, Direktor UNEP-World Conservation Monitoring Centre, sei
für die Millenniumsentwicklungsziele beim Klimaschutz "bei
weitem nicht genug" getan worden. Der Kampf gegen die Abholzung zur
Reduzierung der Treibhausgasemissionen sei sehr wichtig. Man
müsse aber über die Mechanismen diskutieren und sich auch
Gedanken über Risiken machen. So könne der Druck auf
andere Länder und Ökosysteme verlagert werden.
Möglich sei, dass "perverse" Anreize geschaffen werden - etwa
bis 2012 "noch mit aller Macht" abzuholzen. Was den Emissionshandel
in der EU angeht, forderte Hutton eine Änderung. Er solle um
einen Optionsmechanismus ergänzt werden.
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