Wortlaut der Reden
Dr. Paul Laufs, CDU/CSU | Hans Martin Bury, SPD >> |
---|---|
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gefühle, die einen Schwaben wie mich, der in großer Entfernung von Bonn und Berlin zu Hause ist, in dieser Stunde bewegen, sind zunächst mit seiner Leidenschaft für Effizienz und Sparsamkeit eng verbunden, auch mit seiner Neigung zu einer bescheidenen Lebensführung. Mich bedrückt der Gedanke an alle unsere ungeheuren Aufgaben im Osten, im zusammenwachsenden Europa, in der Weltwirtschaft und nicht zuletzt in der Dritten Welt. Sind wir noch in der Lage, zusätzliche immense Lasten zu schultern, wie sie mit einem beispiellosen Umzug verbunden wären? (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie Zustimmung des Abg. Dr. Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE]) Ich sehe natürlich auch, daß dies nicht der erste und nicht der einzige Aspekt ist. Berlin ist die deutsche Hauptstadt und hat als Stadt der deutschen Einheit Anspruch auf die Anwesenheit höchster Verfassungsorgane, in denen sich die Bundesrepublik Deutschland repräsentiert. Bonn hat den Anspruch darauf, in der Kontinuität der jüngsten, höchst erfolgreichen und glücklichen Geschichte der Deutschen zu bleiben. Es geht also um eine Lösung, die beiden bedeutenden Städten deutscher Geschichte gerecht wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit einer Alles-oder-nichts-Entscheidung werden wir eine Befriedung und einen gemeinsamen Weg in die Zukunft nur schwer erreichen. Meine Damen und Herren, die Staatsgewalt sollte nicht nur funktional geteilt sein, damit sie zur gegenseitigen Kontrolle in der Lage ist, sie sollte auch regional, landesweit verteilt sein. Der Gedanke der funktionalen und der regionalen Gewaltenteilung hat die Verfassungsväter und -mütter und die Politiker der ersten Stunde zutiefst beeinflußt. Wir sind sehr gut damit gefahren, z. B. mit dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, mit der Bundesbank in Frankfurt, dem Verfassungsschutzamt in Köln usw., mit den Bundesländern als eigenständigen Zentren politischer Macht. Der Gedanke der funktionalen und regionalen Gewaltenteilung ist grundlegend für die Bundesrepublik Deutschland und sollte auch in der Hauptstadtdebatte bewußt sein. Unser Staat ist nicht zentralistisch angelegt, und dies hat sich bewährt. Die Frage der Praktikabilität hat dabei nie im Vordergrund gestanden. Ich möchte eine weitere Überlegung hinzufügen. Die wirtschaftliche Stärke unseres Landes ist nicht zuletzt darin begründet, daß es in ihm eine Vielzahl regionaler Ballungs- und Wachstumszentren gibt. Es zeichnet sich bereits ab, daß diese Ballungsräume wegen ihrer zunehmenden Probleme des Verkehrs, des Wohnungsmarktes, der Umwelt und der Lebenshaltungskosten unattraktiv werden. Die Wachstumsträger der Zukunft werden mittelgroße Städte sein, die unbelastete Spielräume anbieten können. Und eine ausgebaute Infrastruktur bis hin zur Universität besitzen. Es wäre deshalb verkehrt, die wichtigsten Funktionen gebündelt in einen riesigen Verdichtungsraum zu verlagern, mit all seinen vielfältigen Erstickungssymptomen. Ich bin deshalb der Auffassung, daß wir einen Umzug der Regierung, einschließlich der Ministerien, von Bonn nach Berlin nicht verantworten können. Muß dies auch für den Deutschen Bundestag gelten? Gefühlsmäßig wird jeder sagen: Das gilt auch für den Deutschen Bundestag. So sind wir es gewohnt, und so haben wir gute Erfahrungen gemacht. Können wir aber weiter so Berlin gerecht werden? Berlin ist Hauptstadt und muß im vereinten Deutschland einen wirklich herausgehobenen Platz erhalten. Die Teilung überwinden durch Teilung von Parlaments- und Regierungssitz, ist dies praktikabel? Die räumliche Trennung von Regierung und Parlament würde die Effizienz ihrer Zusammenarbeit schwächen; das ist nicht zu bestreiten. Die Bundesregierung wäre stärker davon betroffen als der Deutsche Bundestag. Ich bin aber davon überzeugt, daß die Nachteile der unterschiedlichen Standorte durch die Mittel der Kommunikations- und Verkehrstechnik auf ein geringes Maß eingeschränkt und insgesamt erträglich gestaltet werden könnten. Die räumliche Distanz des Bundestages von der Regierung müßte dem deutschen Parlamentarismus nicht abträglich sein. Die gewohnte, überaus enge Verzahnung zwischen Regierungs- und Parlamentstätigkeit legt ja mitunter die Frage nahe, wer eigentlich wen kontrolliert und an der Hand führt. Montesquieu hätte gewiß wenig Freude mit uns. Die Exekutive ist in Wahrheit übermächtig geworden. Mehr bewußte Eigenständigkeit würde dem Parlament guttun. Und das Bild von den zwei Fußballmannschaften ist gänzlich falsch: Keine Parlamentsmehrheit stürmt gegen das eigene, d. h. das Regierungstor. Eigentore kommen zwar bisweilen vor, sind aber meistens nicht beabsichtigt. Meine Damen und Herren, ein Umzug des Bundestages könnte vollständig erst in einigen Jahren geschehen. Bis dahin wünsche ich mir viele Sitzungen des Deutschen Bundestages im Berliner Reichstag, nicht nur zu feierlichen Anlässen, auch für große Debatten und wichtige Entscheidungen. Ich bitte Sie um Zustimmung zum »Konsensantrag«. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind jetzt an dem Punkt, an dem die beiden ersten Runden, die vereinbart waren, zu Ende gegangen sind. Wir haben heute morgen beschlossen, daß wir dann nach den Regeln der Aktuellen Stunde vorgehen wollen. In diesen Regeln steht -- ich darf Sie bitte alle daran erinnern --: Kein Beitrag darf länger als fünf Minuten dauern. Als nächster Redner hat nun unser Kollege Hans Bury das Wort. |