Wortlaut der Reden
Kersten Wetzel, CDU/CSU | Burkhard Zurheide, FDP >> |
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit einem etwas unguten Gefühl stehe ich heute hier vor Ihnen, nicht nur weil es meine erste Rede von dieser Stelle ist, sondern weil ich nun schon seit Wochen ein schlechtes Gewissen mit mir herumtrage. Nun gehöre ich als junger Abgeordneter nicht zu den Politikern, die in den ersten Reihen dieses Parlaments sitzen und die großen, oft auch wichtigen Reden halten. Dennoch fühle ich mich dem Wohl des gesamten deutschen Volkes mit verpflichtet. (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Bravo!) Als Thüringer trete ich natürlich vor allem für die Belange der Bürger in den neuen Bundesländern ein. (Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Sehr gut!) Das ist zur Zeit wahrlich nicht ganz einfach. Vollbeladen mit ungelösten Problemen und mit Hilferufen der Bürger und Kommunen treffe ich allwöchentlich hier in Bonn ein. Nun stehe ich auch noch vor der Frage: Bonn oder Berlin? Deshalb bin ich sehr froh, daß wir heute endlich und hoffentlich endgültig über den Parlaments- und den Regierungssitz abstimmen können. Es ist keine Lösung, sondern nur der Weg des geringsten Widerstands, wenn wir die endgültige Entscheidung noch länger vor uns herschieben. (Beifall des Abg. Dr. Franz Möller [CDU/CSU] und des Abg. Otto Schily [SPD]) Heute abend muß deshalb ein ganz klares Zeichen gesetzt werden, wo das Parlament und mit ihm die Regierung künftig den Sitz haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das sind wir unseren Bürgern, gerade denen in den neuen Bundesländern, ganz einfach schuldig. Unsere Menschen haben andere, schwerere Sorgen. Wir müssen uns diesen Sorgen zuwenden. (Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) Das schafft Einheit im Sozialen wie im Menschlichen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich denke z. B. an einen aus meinem Heimatdorf, der vor eineinhalb Jahren, von Stasi und SED konkret bedroht, mutig »Wir sind ein Volk!« gerufen hat und heute arbeitslos ist. Zu Hause hat er eine kranke Frau und eine arbeitslose Tochter. Da denke ich z. B. auch an die nächsten Tage bis zum heißen Sommer, die mir allein in meinem Wahlkreis etwa 40 bis 50 % Arbeitslosigkeit bescheren. Da müssen wir künftig stärker unsere zu lösenden Probleme (Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) hier in diesem gesamtdeutschen Parlament suchen, auf das wir uns so sehr gefreut und das wir uns so schwer erkämpft haben. Aber auch diejenigen Ministerien und Behörden frage ich kritisch, in denen das Geld für den Aufschwung Ost noch liegt und in denen sich gleichzeitig Anträge auf Fördermittel stapeln. Dies zu ändern, schaffen wir nicht durch zusätzliche Unruhe, sondern nur durch gemeinsame Kraftanstrengung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das heißt, auch hier muß sich noch einiges ändern. Aber das, meine Damen und Herren, schaffen wir doch ganz bestimmt nicht, wenn wir Regierung und Parlament einfach verpflanzen und künstlich auseinanderreißen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das bindet unsere Kraft bei der Bürokratie, aber wir brauchen doch all unsere Kraft für unsere Menschen. Auch wenn ich als junger Abgeordneter noch keinerlei parlamentarische Routine besitze, so habe ich doch eines hier in Bonn schnell gelernt: Wenn man wirklich für die Menschen in seinem Wahlkreis etwas tun will, dann kann man dies nicht nur im Parlament und im Ausschuß tun, sondern da muß man auch permanent bei den zuständigen Ministerien auf der Matte stehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) So, meine Damen und Herren, ist die Wirklichkeit und nicht anders. Wenn menschlich durchaus verständliche Umzugssorgen die Arbeitsweisen in vielen Büros bestimmen, dann sehe ich uns wirklich machtlos den Problemen in den neuen Bundesländern ausgeliefert. Von den großen Kosten, die uns ein Wechsel von Regierungs- und Parlamentssitz beschert, hat uns der Finanzminister viel besser, als ich das jemals kann, heute schon berichtet. Aber ich spüre zu Hause in Thüringen täglich, wo wir diese Mittel ganz dringend brauchen: für die Bewältigung der großen Probleme der Menschen in den neuen Bundesländern und auch in Berlin. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Gestatten Sie mir bitte noch ein Wort zu den alten SED-Seilschaften, damit diese nicht glauben, wir hätten sie schon ganz vergessen; denn darauf warten sie ja nur. Wir brauchen eine demokratische und verläßliche Verwaltung, und zwar jetzt in diesen schweren Zeiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]) Wir dürfen das Versprechen, gegen die alten Seilschaften und für die Menschen zu arbeiten, nicht brechen. Ich persönlich fühlte mich dann im Ergebnis der Revolution betrogen, wenn dies nicht so wäre. Ich sage das als ein junger Christ, der wie viele seinesgleichen unter der SED-Diktatur gelitten und deshalb von Anfang an die Friedensgebete und Demonstrationen im Osten mitgetragen hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben noch Gewaltiges zu leisten. Die Schwierigkeiten sind groß genug. Die vor uns liegenden Aufgaben -- und das auch im Hinblick auf Osteuropa -- sind doch so gewaltig, daß wir tunlichst darauf verzichten sollten, uns noch neue Probleme zu schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP) Lassen Sie deshalb Parlament und Regierung in Bonn! Konzentrieren wir unsere Kräfte auf den Aufschwung in den neuen Bundesländern und auf ein Aufblühen unserer gesamtdeutschen Hauptstadt, auf Berlin! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das Beste für die Menschen in den neuen Ländern und auch das Beste für unser Deutschland. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Burkhard Zurheide. |