Wortlaut der Reden
Dr. Rupert Scholz, CDU/CSU | Gudrun Weyel, SPD >> |
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die meisten Argumente sind ausgetauscht. Gestatten Sie mir einige ergänzende Bemerkungen zu einigen Argumenten. Wir sind uns einig darüber, daß dieses eine großartige Debatte gewesen ist, eine Sternstunde des Parlaments. (Zuruf von der SPD: Sie läuft noch!) -- Verzeihung, sie läuft noch, das ist richtig; ich berichtige mich. Daß ich für Berlin spreche, das weiß jeder. Ich möchte keinen Hehl daraus machen, daß mich etwas erschüttert hat, wie man mit dem Wort Glaubwürdigkeit umgeht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Herr Glotz, Ihr Wort von der Moralisierung und Legendenbildung fand ich, offen gestanden, furchtbar, um nicht zu sagen: zynisch. Glaubwürdigkeit ist nicht rückwärts gewendet, sondern vorwärts gewendet. Das ist die Frage der Zukunft. Ich glaube, dies muß man einlösen. Ich habe darüber hinaus den Eindruck gewonnen, daß viele sich nicht ganz im klaren sind, was Hauptstadt bedeutet. Die Entscheidung des Einigungsvertrages ist eindeutig. Ich nehme einmal den Antrag der Bonn-Befürworter. Wenn Bundestag und Bundesregierung in Bonn bleiben, dann wird auch der Bundesrat in Bonn bleiben. Der Bundesrat entscheidet ohnehin selbst, und man wird es ihm nicht verdenken können, wenn er sagt: Ich bleibe im Zentrum der Politik. Der Bundespräsident hat -- auch das ist zu respektieren -- ebenfalls bereits deutlich gemacht, daß er nicht aus dem Politikzentrum dieses Landes herausgeht, ungeachtet seiner Präferenz für Berlin. Das heißt, wenn es so kommt, dann haben wir eine Entscheidung im Einigungsvertrag für die Hauptstadt Berlin, und diese Hauptstadt Berlin wird keine politischen Funktionen haben. Deshalb sind wir der Auffassung, daß das Parlament als das Herzstück einer Demokratie nach Berlin muß. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Wir sind für das Teilen; wir sind wirklich für das Teilen. Deswegen sind wir auch Heiner Geißler dankbar für seinen Kompromißantrag, den ich als Berlin-Befürworter gerne mit unterschrieben habe, um deutlich zu machen: Wir sind auch mit dieser Entscheidung und mit dieser Möglichkeit gerne einverstanden. Meine Damen und Herren, ein Zweites, was ich ansprechen möchte, ist die Frage des Föderalismus. Ich finde es erstaunlich, daß vor allem vom Land Nordrhein-Westfalen, das genauso groß ist wie die neuen Bundesländer zusammen, hier davon gesprochen wird, daß eine Entscheidung zugunsten Bonns bzw., um Herrn Rau zu zitieren, zugunsten der Rheinschiene eine Entscheidung zugunsten des Föderalismus sein soll. Von über 170 Bundeseinrichtungen sind über 70 in Nordrhein-Westfalen. (Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Wir haben in bezug auf den Föderalismus bereits Sünden begangen. Ich erinnere an die Änderung des Art. 51 Abs. 2 des Grundgesetzes im Einigungsvertrag. Wer hat diese denn gefordert? Kurz vor Toresschluß in der alten Bundesrepublik wurden die Stimmenverhältnisse im Bundesrat geändert. Wer war denn das? Es waren die Großen; es war Nordrhein-Westfalen. Auch das bitte ich, wenn man von Föderalismus spricht, ernst zu nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Meine Damen und Herren, Föderalismus heißt teilen und Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Ich habe Verständnis für das, was hier von den Vertretern der neuen Länder gesagt worden ist, und kann es aus meiner Sicht nur mit Nachdruck unterstreichen. Aber, meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal die Realität an! Wer ist eigentlich bereit, in die neuen Länder hinüberzugehen? Wer ist bereit, in der Industrie, bei Messen und politischen Einrichtungen in die neuen Länder zu wechseln und dort mitzuarbeiten? Wir beschließen im Rechtsausschuß einstimmig: Das Bundesverfassungsgericht soll nach Weimar gehen. Was tun sie? Sie denken überhaupt nicht daran. Der Bundesgerichtshof könnte nach Leipzig gehen, wo das Gebäude des Reichsgerichts steht. Er denkt überhaupt nicht daran. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, wenn man Glaubwürdigkeit auch im Sinne des Nach-vorne-Blickens und der Zukunftsgestaltung versteht, dann muß dieser Bundestag das Vorbild sein und die Vorbildentscheidung für dieses Land treffen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Keiner wird sich in diesem Land mehr dem Ruf, zu gehen und zu teilen, verschließen können, wenn der Deutsche Bundestag nach Berlin geht. Denn auch Berlin ist ein neues Bundesland. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt die Abgeordnete Gudrun Weyel. |