Wortlaut der Reden
Karsten D. Voigt (Frankfurt), SPD | Joachim Graf von Schönburg-Glauchau, CDU/CSU >> |
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! West-Berlin hat sich in den vergangenen 40 Jahren als Hort der Freiheit, der europäischen Gesinnung und auch des Föderalismus bewährt. Ich bin Frankfurter Abgeordneter. In Frankfurt steht die Paulskirche. Frankfurt war länger Hauptstadt als Berlin und Bonn zusammengenommen. Ich trete heute gerne meine Rechte als Frankfurter an die Hauptstadt Berlin ab. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE) Ich wünsche, daß der Reichstag mit seiner gesamten komplizierten Geschichte -- er ist Ausdruck dieser deutschen Geschichte --, mit seinen negativen Seiten und seinen positiven Seiten künftig ein Symbol der deutschen Freiheit, der Freiheit in Deutschland wird, wie es die Paulskirche bereits heute ist. Bei allem Respekt vor dem Bundespräsidenten und vor dem Bundesrat sage ich: Eine Hauptstadt, in der der Bundespräsident residiert, in der der Bundesrat residiert, kann nicht und sollte nicht das Symbol einer parlamentarischen Demokratie sein. Ich möchte, daß Deutschland in Zukunft durch eine Hauptstadt repräsentiert wird, in der vor allen Dingen das Parlament ist. Wenn dann der Bundesratspräsident ebenfalls da ist und wenn auch der Bundespräsident da ist, habe ich nichts dagegen. Aber ich habe sehr wohl etwas dagegen, wenn das Parlament nicht in Berlin ist, gerade weil man sagt, die Hauptstadt Deutschlands muß Symbol der Freiheit sein. Dann kann man nicht in die Hauptstadt nur Bürokratie als Ausgleich hineinverlagern wollen. Dann kann man Bürokratie anderswohin verlagern; aber das Parlament muß in Berlin sitzen, tagen und entscheiden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Wir debattieren heute nur deshalb, weil während der Verhandlungen des Einigungsvertrages von westdeutschen Ländern auf die DDR Druck ausgeübt wurde. Das Ergebnis des Einigungsvertrages ist nicht Ergebnis des Wunsches der damaligen DDR-Regierung und der DDR-Bevölkerung in diesem Punkt gewesen und auch nicht das Ergebnis der Stärke des westdeutschen Bundestages, sondern Ausdruck der Stärke westdeutscher Bundesländer. Ich war im Ausschuß Deutsche Einheit und weiß, wie diese Passagen in den Einigungsvertrag gekommen sind. Sie sind durch den Druck westdeutscher Bundesländer, unter anderem des Bundeslandes, in dem die Stadt Bonn als jetziger Parlamentssitz liegt, hineingekommen. Das ist die Realität. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP -- Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Ganz schön viel Druck ausgeübt!) Nebenbei gesagt: Bei allem Respekt vor meinem Parteifreund Clement empfinde ich es als Problem, wenn ein Landesminister darüber Vorschläge macht, wo der Sitz des Parlaments des Bundes zu sein hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP -- Zurufe von der SPD und der CDU/CSU: Hört! Hört!) -- Ich sage, ich empfinde es als persönliches Problem. Nachdem ich die Schwäche der DDR-Seite gesehen habe, möchte ich nicht, daß jetzt die Mehrheit der bundesdeutschen Abgeordneten aus den westlichen Ländern eine Mehrheit der Abgeordneten aus den östlichen Ländern in dieser Frage überstimmt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Es gibt viele Punkte, bei denen die Westdeutschen etwas besser wissen; es gibt viele Punkte, bei denen sie etwas besser wissen können. Manchmal behaupten sie auch nur, etwas besser zu wissen, obwohl sie es nicht besser wissen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber wenn in der Hauptstadtfrage Leute, die in der Umgebung von Bonn beheimatet sind, ostdeutschen Abgeordneten sagen, daß es in ihrem objektiven Interesse sei, Ingrid Matthäus-Maier, (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Es ist aber so!) daß sie für Bonn stimmen, dann sage ich: In einer solchen Frage müssen die Betroffenen entscheiden und nicht irgendwelche Stellvertreter stellvertretend für sie. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP -- Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Auch wir sind betroffen!) -- Reg dich nicht auf. Damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Ich stimme für Berlin. Aber ich kündige an: Wenn die Entscheidung heute für Bonn fällt, werde ich keine Ruhe geben, bevor diese Entscheidung nicht revidiert wird. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP -- Widerspruch bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP -- Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Das sind die Superdemokraten, mein Lieber!) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort hat der Abgeordnete Graf Schönburg-Glauchau. |