Wortlaut der Reden
Dr. Angela Merkel, CDU/CSU | Dr. Hermann Scheer, SPD >> |
---|---|
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir entscheiden heute über Parlaments- und Regierungssitz, nicht mehr und nicht weniger. Das ist heute oft gesagt worden. Das sagen viele, die 40 Jahre in einer Demokratie gelebt haben. Ich habe 35 Jahre in einer Diktatur gelebt. Für mich ist diese Entscheidung deshalb vielleicht eine andere; und sie hat sehr wohl etwas mit der inneren Einheit Deutschlands zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Ich habe im vergangenen Jahr Bonn schätzengelernt, insbesondere auch als Arbeitsort, und ich weiß als ehemalige DDR-Bürgerin sehr wohl, daß es viele Gründe gegen Berlin gibt, gerade gegen Ost-Berlin. Am Anfang habe ich deshalb auch versucht, in der Debatte die Sachargumente zu verstehen. Aber mit fortschreitender Zeit ist mir immer klarer geworden: Neben den Sachargumenten geht es auch darum: Wer in der Bundesrepublik ist an welcher Stelle zu wieviel Änderung bereit? Wer will also wieviel Änderung ertragen? Meine Damen und Herren, in den neuen Bundesländern hat sich für die Menschen vieles geändert. Diese Menschen haben alle die deutsche Einheit gewollt. Wir müssen auch sagen, es sind Menschen, die mehr Pech im Leben hatten. Ich glaube, niemand kann deshalb die Ängste der Menschen in der Region hier in Bonn besser verstehen als wir in den neuen Bundesländern. Trotzdem fällt es mir schwer, eines zu begreifen: Es wurde heute davon gesprochen, daß Bonn in den letzten 40 Jahren ein selbstbewußtes Bonn geworden ist. Ich glaube, Bonn hat allen Grund dazu, selbstbewußt zu sein. Aber dann frage ich mich: Wenn Sie in dieser Stadt, eingebettet in eine gute Infrastruktur, für uns in den neuen Bundesländern nicht die Zuversicht ausstrahlen können, daß Sie auch diese Änderung ertragen werden, woher sollen wir dann den Mut in den neuen Bundesländern nehmen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Meine Damen und Herren, Teilung kann nur durch Teilen überwunden werden; wir haben das oft gehört. Teilen kann, wie ich glaube, auch schmerzhaft sein. Helfen Sie uns mit, daß durch Ihr Teilen das geeinte Deutschland ein neues Gesicht erhält. Ich weiß, wir brauchen dazu alle Zuversicht, aber ich glaube, ohne diese Zuversicht wären wir auf dem Weg zum geeinten Deutschland bis hierher nicht gegangen. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Damen und Herren, ich möchte Sie jetzt über die Geschäftslage informieren. Ich habe jetzt auf Grund der Meldungen der Geschäftsführer noch folgende Wortmeldungen vorliegen: Abgeordnete Scheer, Oostergetelo, Möller, Frau Schulte und Wallow. Wer darüber hinaus unbedingt noch reden will, möge sich beim Präsidium melden. Zwischenzeitlich erteile ich dem Abgeordneten Scheer das Wort. |