In einem Kraftakt versucht Ministerpräsident Edmund Stoiber, seinen bisher einzigartigen Sparkurs gegen alle Widerstände durchzusetzen. Die angestrebte Reduzierung der Ausgaben um rund 2,5 Milliarden Euro im inzwischen vom Kabinett verabschiedeten Nachtragshaushalt für 2004 war Hauptthema bei der traditionellen Winterklausur der Landtags-CSU in Wildbad Kreuth, doch beherschte er auch die Tagungen von SPD- und Grünen-Fraktion in Kloster Irsee beziehungsweise Bayreuth.
Den CSU-Abgeordneten gelang es, in einer siebenstündigen Diskussion, den Stoiber-Plänen die allerärgsten Giftzähne zu ziehen und das Sparvolumen auf 2,44 Milliarden Euro etwas abzuschmelzen. In Wildbad Kreuth stimmte die CSU-Fraktion außerdem dafür, bereits im kommenden Schuljahr das Gymnasium von neun auf acht Jahre zu verkürzen. Auch dagegen for-mierte sich der Widerstand der Opposition und der be-troffenen Verbände, wobei sich die Kritik hauptsäch-lich gegen die Eile der noch wenig vorbereiteten Re-form richtet.
Auf der Zufahrt zu ihrer romantischen Tagungsstätte im Hochtal hinter dem Tegernsee waren die CSU-Landtagsabgeordneten im strömenden Dauerregen von einer Menschenkette mit gellenden Pfeifkonzerten empfangen worden. Neben Bauern und Naturschützern protestierten Beamte, vor allem Polizisten und Lehrer, gegen die drohenden Kürzungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Beihilfeleistungen und gegen die geplante Ausweitung der Arbeitszeit auf 42 Wochenstunden.
Auch vielen der Abgeordneten gingen die hauptsächlich in der Staatskanzlei ausgedachten Einschnitte zu weit. Als sie sich nach hartem Ringen in etlichen Punkten durchgesetzt hatten, wurde dies als riesiger, gemeinschaftlicher Erfolg gefeiert. Für den neuen Fraktionschef Joachim Herrmann war es die erste Bewährungsprobe, der Staatsregierung auch einmal Widerstand zu zeigen.
Stoiber rühmte hinterher den Schulterschluss von Regierung und Fraktion und bekräftigte das Ziel eines Haushalts ohne Neuverschuldung ab 2006. Die Neuverschuldung für 2004 gab er mit 350 Millionen Euro an und betonte, Ziel der Anstrengungen sei nicht das Sparen als Selbstzweck, vielmehr sei es das strategische Ziel, Bayern als Land mit den höchsten Investitionen in die Zukunftsfelder Bildung, Forschung und Entwicklung zu positionieren. Dies gelinge aber nur auf der Basis solider und geordneter Staatsfinanzen.
Stoiber zufolge entfallen von der gesamten Konsolidierungssumme von 2,5 Milliarden rund 2,1 Milliarden Euro auf Einsparungen. Die Ressorts müssen ihre Ausgaben von ursprünglich vorgesehenen 1,8 Milliarden nur noch um 1,66 Milliarden Euro zurückschrauben. Bayerns Beamten sollent 300 Millionen beitragen. Weitere 370 Millionen Steuermehreinnahmen werden aus dem jüngst beschlossenen Steueramnestiegesetz erwartet. Und Finanzminister Kurt Faltlhauser muss 120 Millionen mehr Schulden aufnehmen als zunächst geplant.
Eingespart werden unter anderem 434 Millionen Euro beim kommunalen Finanzausgleich, was etwa 8,4 Prozent entspricht und nicht zuletzt die Förderung der Abwasserentsorgung betrifft. Gestrichen wird beim Staatsstraßenbau (172,7 Millionen oder 15 Prozent), bei den Hochschulen (171,7 Millionen oder 5,1 Prozent, vor allem im Baubereich, außerdem 200 Stellen weniger), beim Sozialetat (161 Millionen oder 9,9 Prozent für Asylbewerberbetreuung, Blindengeld und Beratungsprogramme), bei der allgemeinen Finanzverwaltung (129,5 Millionen, 14,1 Prozent), im Kultusbereich (125,7 Millionen, 1,7 Prozent), im Umwelthaushalt (114,4 Millionen, 14,1 Prozent) und bei der Landwirtschaft (98 Millionen, 12,9 Prozent).
Mit 17,6 Prozent (80,5 Millionen) wird das Wirtschaftsressort prozentual am höchsten belastet, was sich vor allem beim Mittelstandskreditprogramm und der Regionalförderung auswirken wird. Die übrigen Etats müssen Beträge zwischen 70 und 37 Millionen erbringen.
SPD-Fraktionschef Franz Maget sprach von "unsinnigen Sparorgien", die ökonomisch verfehlt sowie kontraproduktiv für Konjunktur, Wachstum und Beschäftigung seien. Die SPD, so Maget, wolle einen "schlanken, aber keinen kranken Staat". Als Sparmöglichkeiten nannte er die Abschaffung von überflüssigen Ebenen zum Beispiel in der Schul- und Hochschulverwaltung, bei der Zuschussvergabe und im Prüfungswesen.
Außerdem müssten bürokratische Wasserköpfe abgebaut werden. Gleichzeitig forderte Maget eine Milliarde mehr neuer Schulden, um die Investitionen im Staatshaushalt auf derzeitigem Niveau halten zu können. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bis 2006 müsse um einige Jahre verschoben werden.
Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause kritisierte die Sparpolitik als "völlig kopflos, überhastet und über-stürzt". Jahrzehntelange Fehlentwicklungen könnten nicht über Nacht und über einen Nachtragshaushalt korrigiert werden. Vor allem wandten sich die Grünen gegen die Kürzungen im Wissenschaftsetat. Ihre hochschulpolitische Sprecherin Ulrike Gote meinte, es kön-ne nicht Aufgabe der Hochschulpolitik sein, den Staatshaushalt zu sanieren. Es müsse im Gegenteil wieder mehr in die Hochschulen und Fachhochschulen investiert werden.
Nach der Verabschiedung des Nachtragshaushalts im Kabinett unterstrich Stoiber die wirtschafts- und finanzpolitische Spitzenstellung Bayerns im bundesweiten Vergleich. Die Zinsabgabenquote im Freistaat liege bei 3,1 Prozent, im Durchschnitt der westlichen Flächenländer erreiche sie 8,4 Prozent, im Bund sogar 14,6 Prozent. Die bayerische Investitionsquote betrage 12,1 Prozent und liege damit deutlich über dem Durchschnitt von 10,7 Prozent und der Quote des Bundes von 9,6 Prozent.