Das hat es lange nicht gegeben - der "Schuh des Manitu" konnte 2002 zwar ein noch höheres Einspielergebnis verbuchen, blieb aber verständlicherweise ohne jedes internationale Echo. Sönke Wortmanns "Wunder von Bern" dagegen bekam den Publikumspreis im schweizerischen Locarno zuerkannt und ist mit 3,5 Millionen Zuschauern bereits der zweite deutsche Kassen-Hit 2003. Dazu noch findet sich ein deutscher Kurzfilm unter den Oscar-Nominierungen.
Das sind Meldungen, wie sie die Staatsministerin für Kultur, Christina Weiss (parteilos), ihrer Ende vergangenen Jahres verabschiedeten Novelle zur Filmförderung gerne voranstellt. Seit dem 1. Januar 2004 in Kraft, sollen die darin getroffenen Neuregelungen die Erfolgsspur des deutschen Films im In- und Ausland weiter ausbauen. Erreichen will man dies unter anderem durch eine Erhöhung der Fördergelder. Da das Filmfördergesetz ein "Gesetz zur Selbsthilfe" ist, werden diese Beträge im Wesentlichen nicht aus dem allgemeinen Steuertopf genommen, sondern durch eine "Filmabgabe" gewonnen, die Kinobetreiber, Videoverleiher und Fernsehsender zu leisten haben.
Die Abgaben für die zuerst Genannten sind im Gesetz vertraglich festgeschrieben. Von den Fernsehsendern wird erwartet, dass sie einen entsprechenden Betrag auf freiwilliger Basis einzahlen. Die in der Novelle vorgesehene Erhöhung der Filmabgabe scheint auf den ersten Blick vergleichsweise gering - im Durchschnitt drei Cent pro Kinokarte. Für die Kinobetreiber ist trotzdem ein Maß überschritten; der Hauptverband deutscher Filmtheater (HDF) hat gegen das Gesetz Verfassungsklage eingereicht.
Dieser Schritt rief in den vergangenen Wochen sehr viel Unverständnis und Kopfschütteln hervor - von Seiten der anderen Filmwirtschafts-Verbände und der Ministerin selbst. Man wirft den Kinobetreibern vor, durch ihre Klage mehr Schaden anzurichten, als selbst durch einen Erfolg für ihre Seite in Karlsruhe wieder gut zu machen wäre. Wertvolle Zeit, die die deutsche Filmproduktion gerade in dieser Situation nutzen müsste, würde nun durch Hinauszögerung von Zahlungen verschwendet. Manche sehen bereits das gesamte Gebäude der Filmförderung in Deutschland in Gefahr.
Seit über 40 Jahren gibt es in Deutschland keine eigene, selbstständige Filmindustrie mehr. Mit Hilfe des Filmförderungsgesetzes wird fast ebenso lange versucht, die verschiedenen Interessengruppen der Filmwirtschaft an einen Tisch zu bringen, um den deutschen Film trotz alledem am Leben zu erhalten. Nicht nur, weil man ihn als wertvolles nationales Kulturgut ansieht, sondern auch, weil er ein Wirtschaftsgut ist, das Arbeitsplätze bringt. Von erfolgreichen deutschen Filmen können alle profitieren: sowohl die unmittelbar an der Produktion Beteiligten als auch die "Verwerter", also die Kinobesitzer und Fernsehanstalten, denn attraktive heimische Produkte beleben das Interesse am Film im allgemeinen. Oder anders ausgedrückt: Dank deutscher Kassenschlager finden noch mehr Menschen den Weg ins Kino und schalten später den Fernseher ein.
Das galt zumindest bisher. Nun aber hat sich 2003 ein Trend verstärkt, der sich bereits im Jahr zuvor ankündigte: Erstmals seit dem kontinuierlichen Anstieg in den 90er-Jahren gehen die absoluten Zahlen der Kino-besucher wieder zurück, und das trotz der eingangs erwähnten deutschen Erfolgsfilme. Zwar macht man hauptsächlich den Ausnahme-Sommer und die mangelnde Qualität der amerikanischen Blockbuster dafür verantwortlich. Aber es zeichnet sich auch der Einfluss von Faktoren ab, die sich weniger schnell wieder ändern können und den Kinobetreibern deshalb nachhaltig Kopfschmerzen bereiten: Die explosive Ausweitung des DVD-Marktes und die Zunahme der Raubkopierer.
Die Klage des HDF - im übrigen auch im eigenen Verband nicht unumstritten - ist also auch vor dem Hintergrund der angespannten Lage der Kinotheater zu sehen. Der Ausbau der Multiplexe hat zwar zur Steigerung der Besucherzahlen in den 90er-Jahren wesentlich beigetragen, zugleich allerdings einen hohen Innovations- und Investitionsdruck ausgelöst, der viele alteingesessene Kinos die Existenz kostete und einen harten Preiskampf nach sich zieht, in dem sich die Multiplexe nun gegenseitig zu unterbieten versuchen. Die drei Cent pro Kinokarte, die als Abgabe jetzt mehr geleistet werden sollen, addieren sich bei den größeren Betreibern zu einer mehrstelligen Summe, die in diesen Zeiten empfindlich zu Buche schlagen kann.
Trotzdem richtet sich die Klage nicht gegen die Höhe der Abgabe - die im übrigen im Vergleich mit Frankreich, dessen Filmförderung aufgrund von Menge und Qualität der Produktion als leuchtendes Beispiel in Europa gilt, bei durchschnittlich 2,5 gegenüber dortigen 11 Prozent vergleichbar gering ausfällt. Nein, die Kinobetreiber fühlen sich gegenüber den Fernsehsendern ungerecht behandelt. Zum einen, weil letztere ihren Anteil, wie gesagt, auf freiwilliger Basis aushandeln. Zum anderen, weil sie seit Jahren insgesamt weniger einzahlen als die Kinobetreiber. Und zum dritten, weil sie über mehr Möglichkeiten verfügen, Teile der Abgaben in Sachleistungen wie Werbezeit und Ähnlichem abzugelten.
Doch auch die Fernsehsender sind, wie man weiß, in der Krise. Was sich schon längst auch ganz unmittelbar auf die Filmwirtschaft niederschlägt; die Produktionsfirmen klagen allerorts über Auftragsflaute. Ein Blick ins TV-Programm scheint überdies anzukündigen, dass das Interesse der Sender an Kinofilmen nachgelassen hat; anders als noch vor ein paar Jahren sind zur Primetime heute vor allem Showformate programmiert; die sind nicht nur billiger, sondern vor allem flexibler in der Produktion, lassen sie sich doch bei Erfolg genauso schnell verlängern oder vervielfältigen wie bei eventuellem Misserfolg absetzen. Im ganzen ergibt sich also ein vertrautes Bild: die krisengeschüttelten Branchen wollen jeweils haben, dass der andere mehr bezahlt.
Der Streit um die Filmabgabe hat eine andere Diskussion ganz in den Hintergrund treten lassen: Wie ist das neue Filmförderungsgesetz zu bewerten im Hinblick auf seine eigentliche Aufgabe, den Ausgleich zwischen Kunst und Kommerz, zwischen Kulturförderung und Wirtschaftssubvention? Noch in den 70er-Jahren war es der HDF, der das Filmförderungsgesetz dafür kritisierte, in der Mehrheit Produkte zu fördern, die die Zuschauer regelrecht zur Flucht aus dem Kino verleiteten. Tatsächlich scheint sich der Gesetzgeber 20 Jahre später diese Kritik wirklich zu Herzen genommen zu haben. Unübersehbar ist die Tendenz in der Novelle des FFG, fürderhin die Erfolgreichen fördern zu wollen - und weniger die Experimentierfreudigen oder Eigensinnigen. Schlöndorffs Oscar war damals ein krönender Triumph für den deutschen Autorenfilm; unter den heutigen Förderbedingungen wäre der nicht mehr lebensfähig. Ob sich die "deutsche Komödie" mit "Good bye Lenin" wirklich ein vergleichbares internationales Renommee erwerben kann?