Nach einer zweitägigen Klausurtagung Ende Januar in Potsdam sehen die Vorsitzenden der Bundesstaatskommission aus Bund und Ländern, Franz Müntefering (SPD) und Edmund Stoiber (CSU), noch in diesem Jahr Chancen für eine Neuordnung der föderalistischen Ordnung. Die nächste, dann wieder öffentliche Sitzung findet am 11. März in Berlin statt. Es ist eine Anhörung von Sachverständigen vor allem zu den Themen Steuern und Mischfinanzierung.
Der SPD-Fraktionschef und der bayerische Ministerpräsident berichteten von hitzigen Diskussionen, die aber durchaus eine Annäherung in zahlreichen umstrittenen Fragen gebracht hätten. "Niemand hat sich so festgelegt, dass sich weitere Diskussionen erübrigen." Das Motto, auf das sich hinter verschlossenen Türen alle verständigen konnten, heißt laut Franz Müntefering: "So viel Föderalismus wie möglich, so viel Zentralismus wie nötig." Es gehe darum, das Verfahren der Gesetzgebung so zu vereinfachen, dass nicht mehr so viele Gesetze wie bisher den Bundesrat passieren müssten. Die Neuordnung des Föderalismus sei "schwierig, aber möglich". Es gebe Vorschläge, ganze Gebiete wie Jugend, Bildung und Familie allein den Ländern zu überlassen.
Edmund Stoiber hält eine "Staatsreform" für unabdingbar, um Deutschland an die Erfordernisse der Gegenwart anzupassen. Er geht davon aus, dass Bundestag und Bundesrat bis Ende des Jahres "wesentliche Entscheidungen getroffen haben". Sollten diese Entscheidungen wider Erwarten ausbleiben, "dann schaffen wir es nicht", warnte der CSU-Politiker. Das Ziel müsse sein, weniger Mitwirkungsföderalismus, mehr Gestaltungsföderalismus. Die Bundesländer und ihre Parlamente müssten also wieder mehr Rechte bekommen: im Gegenzug müssten die Länder auf Teile ihrer Mitwirkungsrechte in der Länderkammer verzichten.
In der Diskussion ist, die Zustimmungspflicht des Bundesrats häufig erfordernde Rahmengesetzgebung des Bundes ganz wegfallen zu lassen: Als großes Gebiet käme da das Hochschulrahmenrecht in Frage, vor allem der Hochschulbau; der Bund übernähme dafür lieber die Verantwortung für die Spitzenforschung an ausgewählten Universitäten. Die Länder möchten vor allem im Beamtenrecht eigene Akzente setzen können.
Am meisten umstritten sind die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und die Interessenvertretung von Bund und Ländern in Europa. Hier zeichnen sich bisher keine Fortschritte ab, geht es doch bei den Reformern der Steuergesetzgebung und der Steuerverwaltung ebenso wie bei Änderungen der Mischfinanzierung um viel Geld. Die Länderneugliederung steht gar nicht auf der Tagesordnung der Bundesstaatskommission.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte mit seinem Vorstoß der Tagung ein besonderes Thema verpasst. In einem Brief an die Kommission hatte er eine Hauptstadtklausel im Grundgesetz gefordert; in Artikel 22 Grundgesetz solle sich der Bund künftig zur finanziellen Unterstützung der Hauptstadt Berlin verpflichten und damit die Kosten für "hauptstadtbedingte Sonderbelastungen" übernehmen, darunter die staatliche Repräsentanz wie auch das kulturelle Angebot für Touristen. Ein so armes Bundesland wie Berlin sei da überfordert.
Klaus Wowereit fand Verständnis bei allen parteipolitischen Richtungen, so bei Edmund Stoiber und bei Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Der Berliner Regierungschef zeigte sich nach der Sitzung zuversichtlich, dass Bund und Länder eine einvernehmliche Lösung für die Hauptstadt finden werden. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte dazu in Potsdam: "Ich erkenne das Problem an." Doch trotz der Sonderverpflichtungen als Hauptstadt müsse Berlin seine weiterhin zu hohen Ausgaben vermindern. "Es muss verhindert werden, dass daraus eine Dauersubvention wird." Koch warnte, die Bundesrepublik Deutschland zu einem Zentralstaat zu machen. Für Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) gehört eine Hauptstadtklausel nicht ins Grundgesetz. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) stellt sich ebenfalls gegen eine Hauptstadtklausel im Grundgesetz. Eine Verfassung habe Grundzüge zu regeln und keine Finanzbeziehungen.
Bundestag und Bundesrat haben Mitte Oktober in gleichlautenden Beschlüssen die Bundesstaatskommission eingesetzt, die Mitte November ihre Arbeit aufnahm. Ihr gehören 32 Vertreter an, je 16 aus dem Bundestag und 16 aus den Ländern. Vertreter der Bundesregierung, der Länderparlamente und der kommunalen Spitzenverbände gehören als beratende Mitglieder der Kommission für die Neuordnung des Föderalismus an.