Auch für freie Berufe soll der Europäische Binnenmarkt bald mehr Wettbewerb bringen und noch bestehende Schutzwälle abbauen. In erster Lesung hat das Europäische Parlament einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Anerkennung von Berufsqualifikationen gebilligt, mit dem die grenzüberschreitende Berufsausübung für alle freien Berufe neu geregelt werden soll. In zum Teil sehr knappen Abstimmungen verwarf die Mehrheit der Abgeordneten die sehr einschränkenden Empfehlungen des italienischen Berichterstatters Stefano Zappala, der selbst für eine vorübergehende Ausübung eines freien Berufes in einem anderen Mitgliedsland hohe bürokratische Hürden wie die Pflichtanmeldung zur Sozialversicherung und zu berufsständischen Organisationen sowie eine Haftpflichtversicherung in dem Staat der Berufsausübung verlangen wollte. Statt dessen schloss sich das Parlament weitgehend dem liberaleren Modell der EU-Kommission an. Sofern auch der EU-Ministerrat als Mitgesetzgeber dieses Modell übernimmt, müssen sich die Angehörigen der meisten freien Berufe auf einen deutlich schärferen Wettbewerb einstellen.
Die von der Regelung betroffenen Berufe decken ein weites Spektrum - vom Steuerberater über den Bergführer, den Tierarzt, den Psychiater bis zum Apotheker - ab. Deutlich verworfen wurde die Forderung nach einem Nachweis von Diplomen und möglichen Einschränkungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit aus so fadenscheinigen Gründen wie der öffentlichen Ordnung.
Bei der Definition der Abgrenzung der vorübergehenden Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit von einer dauerhaften Niederlassung veränderte das Parlament den Ansatz der Brüsseler Kommission. Der ursprüngliche Vorschlag sah eine zeitliche Begrenzung vor, nach der eine Tätigkeit nur dann als vorübergehend eingestuft werden und der Dienstleistungsfreiheit unterliegen sollte, wenn sie nicht länger als vier Monate dauert. Sie wurde vom Parlament ersatzlos gestrichen, da sie völlig willkürlich sei. In weiteren Änderungsanträgen zum Nachweis der Berufsqualifikation sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, dass die Qualifikation auch durch den Nachweis einer Teilzeitausbildung von entsprechender Dauer erfolgen könne. Diese müsse nicht zwangsläufig an Universitäten oder Hochschulen erworben werden, sondern könne auch durch andere Ausbildungseinrichtungen mit gleichwertigem Niveau, aber auch durch entsprechende zusätzliche Berufserfahrung nachgewiesen werden. Da Freizügigkeit und geringere Kontrollen zum Missbrauch socher Freiheiten verführen könnten, regen die Europaabgeordneten an, dass die EU-Kommission die Möglichkeit der Einrichtung einer Datenbank prüfen sollte, in der beispielsweise Informationen über alle diejenigen medizinischen Fachkräfte enthalten sein sollten, über die ein Berufsverbot oder eine berufsbeschränkende Maßnahme in einem Mitgliedstaat verhängt worden sind.