Im Februar beging Iran den 25. Jahrestag der Islamischen Revolution. Dennoch wird das Regime aller Wahrscheinlichkeit nach auch künftig von nahezu den gleichen innen- und außenpolitischen Problemen verfolgt sein wie beim Ausbruch der Revolution im Jahr 1979. Von großer innenpolitischer Bedeutung sind die Fragen der politischen und wirtschaftlichen Liberalisierung. Um die politische Liberalisierung mit Leben zu füllen, müsste das Prinzip der Volkssouveränität akzeptiert werden. Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini lehnte bei der neuen Namensgebung für Iran nach der Revolution strikt die Forderungen von nationalistischen und islamischen Modernisten ab, der Formulierung Islamische Republik das modifizierende "demokratisch" hinzuzufügen. Dabei ist die prodemokratische Bewegung Irans ein Jahrhundert alt und heute stärker als je zuvor. Ebenso lehnten im Jahr 1979 viele Menschen den Verfassungsentwurf ab. Er enthielt die widersprüchlichen Prinzipien der Volkssouveränität und der gottgegebenen Souveränität eines befähigten Klerikers. Die Doktrin der "Vizeregentschaft der Jurisprudenz" (velayat-e faqih) diente Khomeinis vorrangigem Ziel der Schaffung eines "Gottesstaats" in Iran.Übersetzung aus dem Englischen: Dagmar Schittly, Berlin.
Bis heute stimmten diese widersprüchlichen Prinzipien die gesamten politischen Strukturen und Prozesse in Iran. Einige konservative Hardliner akzeptieren die "absolute" (mutlaq) Herrschaft des Höchsten Oberhaupts, Ayatollah Sayyed Ali Khamenei. Doch manche gemäßigte Konservative legen die verfassungsmäßigen Befugnisse begrenzter aus. Dennoch bleibt das Höchste Oberhaupt dem Volk keine direkte Rechenschaft schuldig. Es wird von einer gewählten Expertenversammmlung ausgewählt, welche die Macht hat, es wieder zu entbinden, falls es bei seinen Aufgaben und Pflichten versagt. Die Kandidaten der Versammlung werden aber von einem mächtigen Wächterrat überprüft, dessen Mitglieder zur Hälfte vom Höchsten Oberhaupt selbst bestimmt werden. Viele Reformer charakterisieren dieses System als "religiösen Absolutismus". Säkulare Nationalisten und sogar einige aufgeklärte Kleriker setzen das Höchste Oberhaupt mit früheren Monarchen gleich, die sowohl weltliche als auch geistliche Autorität in ihrer Person vereinten. Mit anderen Worten: Sie sehen das heutige Höchste Oberhaupt als "den faqih der faqihs" (faqih al-fuqaha) an, so wie ein einstiger altertümlicher Monarch als "König der Könige" gesehen wurde.
Außer bei regionalen Wahlen hat der Wächterrat die Macht, Kandidaten für die Parlaments- und Präsidentenwahlen auszuschließen. In erster Linie konzentriert sich die Debatte über die Befugnisse des Rates auf seine Rolle bei den Wahlen. Sollte seine Funktion im Wahlgesetz als rein "überwachend" (esteshabi) oder als "billigend" (estesvabi) gedeutet werden?
Der konservativ-reformistische Streit über die Rolle des Rates hat sich im Verlauf der äußerst heiklen Parlamentswahlen im Februar dieses Jahres verschärft. Seit den Wahlen zum Ersten Parlament (Majlis) im Jahr 1980 wurde dessen Zusammensetzung wechselnd von den Blöcken der Islamischen Rechten und der Islamischen Linken dominiert. Doch bei den Wahlen zur Sechsten Majlis im Februar 2000 errang zum ersten Mal das Reformlager einen Erdrutschsieg.
Angesichts der zunehmenden Frustration vieler Reformer über das Schneckentempo der sozialen und politischen Reformen unterscheiden sich die Vorstellungen über den Grad der Beteiligung der Bevölkerung an der Wahl weitgehend. Einige Reformer befürchten eine geringe Wahlbeteiligung, während andere eine Beteiligung von 55 Prozent oder mehr voraussagen. Einige Reformer glauben, dass, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich nicht an der Wahl beteiligt, dies zu einer Delegitimierung des konservativ dominierten Hardliner-Systems führen könnte. Selbst wenn der Rat von massiven Ausschlüssen von Kandidaten absehen sollte, hat er immer noch das Recht, das Ergebnis der Wahlen aufzuheben. Ebenso hat er die Macht, parlamentarische Bestimmungen außer Kraft zu setzen, die er für einen Verstoß gegen das "Islamische Gesetz" (shari'a) oder die Verfassung hält.
Das entscheidende innenpolitische Thema, mit dem das Regime im Jahr 2004 wie schon seit der Revolution konfrontiert sein wird, ist die schlechte Wirtschaftslage. Iran ist ein Staat, dessen Einkünfte aus Devisengeschäften zu 80 Prozent aus den Öleinnahmen stammen. Deshalb ist es eine Geisel der Ölpreise des Weltmarkts. Iran strebte eine weniger ölabhängige Wirtschaft an - erstmalig verfochten vom früheren Premierminister Mohammed Musaddiq. Das Chaos der Revolution und der Drang zur Verstaatlichung von Banken und Industrien in den frühen achtziger Jahren legten die wenigen Überreste des privaten Sektors endgültig lahm. Zudem verursachten die acht Jahre des Krieges mit dem Irak ungeheure infrastrukturelle Probleme, zusätzlich zu den großen menschlichen Verlusten.
Darüber hinaus werden aller Wahrscheinlichkeit nach andere sozioökonomische Schwierigkeiten im Jahr 2004 anhalten. Das Staatsmonopol in der Wirtschaft, zum Teil durch ungeregelte "Stiftungen" (bonyad-ha) und zunehmende Korruption sowie inkompetentes wirtschaftliches Management verursacht, trägt nicht unerheblich zur hohen Inflationsrate (offiziell auf 11,4 Prozent geschätzt) und zur Arbeitslosenrate von 13,8 Prozent bei. Arbeitslosigkeit ist das weitaus größere der beiden Probleme. Angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der iranischen Bevölkerung unter 30 Jahre alt ist, trifft die Arbeitslosigkeit die Jugend am härtesten. Schätzungsweise 220 000 junge Akademiker sind ohne Arbeit, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass selbst die Schaffung von rund 800000 Arbeitsplätzen pro Jahr die steigende Arbeitslosigkeit senken würde, was ohnehin über die Fähigkeit und Belastbarkeit der derzeitigen Wirtschaft hinausgeht. Der absoluten Notwendigkeit einer Zuführung von inländischem, aber vor allem ausländischem Kapital wird nicht nachgekommen. Fremdenfeindliche Einstellungen, der bürokratische Amtsschimmel und überholte, widersprüchliche Gesetze und Bestimmungen vertreiben Kapital und Brainpower aus dem Land. Iran strebt die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) an, doch erfüllt das Land derzeit nicht die Bedingungen für eine Aufnahme, weil es keine freie Marktwirtschaft gibt.
Die Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung Irans in die Weltwirtschaft sind verbunden mit gravierenden außenpolitischen Fragen. Im Moment scheint kein anderes Thema von so entscheidender Bedeutung zu sein wie die Gestalt der künftigen Beziehungen Irans zu den Vereinigten Staaten. Der Hauptgrund liegt im dramatischen Wandel der regionalen Umgebung Irans seit den tragischen Terrorangriffen auf New York und Washington am 11. September 2001. Der amerikanische Einmarsch in Afghanistan und Irak, der beispiellose Anstieg der militärischen Präsenz der USA in diesen Ländern wie in der Region am Persischen Golf und Zentralasien sowie die Einbeziehung Irans - zusammen mit dem Irak und Nordkorea - in die "Achse des Bösen" durch den amerikanischen Präsidenten George W. Bush haben der nationalen Sicherheit die höchste Priorität verliehen. Kurz bevor diese folgenschweren Ereignisse das iranische Umfeld so dramatisch veränderten, hatte die ehemalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright treffend festgestellt, dass Iran in "einer gefährlichen Nachbarschaft" lebe.
Äußerst wichtig sind amerikanische Zusicherungen und entschiedenes Handeln, um das Bedrohungsgefühl in Iran auszuräumen. Auf Fragen von Reportern aus Anlass des verheerenden Erdbebens in der antiken Stadt Bam bezweifelte Präsident Khatami am 30. Dezember 2003, dass eine humanitäre Unterstützung durch die Amerikaner, wofür Iran dankbar sei, iranische Ängste verringern oder die Beziehungen zu Amerika voranbringen könnte. Er sagte: "Sie (die USA) sagen weiterhin, dass sie die Islamische Republik stürzen wollen. Wir haben keine guten Absichten gesehen. Wir hoffen, dass die Vereinigten Staaten ihr Verhalten ändern werden, so dass diese Mauer des Misstrauens fallen wird." Am ersten Tag des Jahres 2004 erklärte Bush, dass "wir großes Mitgefühl angesichts des menschlichen Leids haben", doch schon im gleichen Atemzug wiederholte er überflüssigerweise die Forderungen der USA, dass "die iranische Regierung auf diejenigen hören müsse, die nach Freiheit rufen, die in ihrer Obhut befindlichen El-Kaida-Mitglieder ausliefern und ihr Atomwaffenprogramm aufgeben müsse". Am gleichen Tag wiederholte Außenminister Colin L. Powell ebenfalls das Mantra, dass "wir an der Seite des iranischen Volkes und anderen unter repressiven Regimes lebenden Völkern stehen, wenn sie nach Freiheit streben" und erklärte, dass "das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der weltweiten Freiheit sein wird". Diese Äußerungen scheinen den iranischen Verdacht hinsichtlich der amerikanischen Motive zu bestätigen.
Viele Konservative und sogar einige Reformer deuteten diese Erklärungen als die Fortsetzung der Bemühungen der Bush-Administration, sich in iranische Angelegenheiten einzumischen, indem sie das iranische Volk gegen seine Regierung ausspielen. Viele Iraner sahen in diesen Aussagen zudem einen Widerspruch zur früheren Rhetorik der amerikanischen Regierung. US-Vertreter hatten gesagt, dass die Regierung keinen "Regimewechsel" in Iran anstrebe; Iran wurde gelobt für seine Unterstützung in Afghanistan und in Irak, und die iranische Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag (NPT), welches auf intensive Inspektionen heimlicher Bemühungen des Irans zur Entwicklung von Atomwaffen abzielte, wurde begrüßt.
Trotz der Bemerkungen Bushs ist die iranische Regierung grundsätzlich bereit, die Gespräche mit Vertretern der USA zu Irak und anderen Fragen fortzusetzen. Diese Gespräche wurden im Mai 2003 von Washington abgebrochen. Diese Bereitschaft ist nicht neu. Es ist eine historische Tatsache, dass der revolutionäre Iran nie die Tür für eine Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu den USA geschlossen hat. Ayatollah Khomeini selbst hatte erklärt, dass Iran bereit dazu wäre, "wenn Amerika sich benimmt" (agar adam beshavad). Und das iranische Interesse an einem Dialog mit den Vereinigten Staaten hat sich seit der Machtübernahme des reformistischen Präsidenten Khatami noch verstärkt. Er schlug den Austausch von Professoren, Sportlern und anderen Persönlichkeiten zwischen Iran und den USA vor. Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, die ablehnende iranische Haltung zum Angebot der Amerikaner, eine hochrangige humanitäre Mission unter Vorsitz von Senatorin Elisabeth Dole in den Iran zu entsenden, eher als terminliche Verschiebung denn als eine Zurückweisung des Besuchs zu betrachten. Berichten zufolge hatten iranische Offizielle die enormen Schwierigkeiten der Räumungskräfte in der vom Erdbeben zerstörten Stadt Bam als Grund dafür angeführt, dass Iran das amerikanische Angebot zu diesem Zeitpunkt nicht annehmen konnte.
Die Litanei der wechselseitigen Beschwerden und die Meinungsverschiedenheiten zwischen Iran und den USA im Verlauf des vergangenen Vierteljahrhunderts ist allgemein bekannt. Hingegen wird weniger zur Kenntnis genommen, dass beide Seiten ein Interesse an Fortschritten hin zu einem nachhaltigen Dialog und dem Abbau von Spannungen haben, letztlich mit dem Ziel einer Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Mehrheit der Bevölkerung Irans ist für die Demokratie und will Beziehungen zu Amerika. Doch Iran muss die Aufhebung der amerikanischen Sanktionen im Blick haben, ein Schritt, der helfen könnte, das für die wirtschaftliche Entwicklung und Privatisierung dringend gebrauchte Kapital und die Technologie aus anderen Industrieländern, aber auch aus den Vereinigten Staaten anzuziehen. Dies würde zumindest teilweise die Beseitigung vieler finanzieller, gesetzlicher und bürokratischer Engpässe erfordern.
Ich hoffe, dass Iran bei der Entwicklung seiner Atomreaktoren an seinen Verpflichtungen im Rahmen des NPT und des Zusatzprotokolls ohne Einschränkung festhalten wird. Atomare Ambitionen würden die Wirtschaft Irans in großem Maße belasten und die Staaten der Region animieren, seinem Beispiel nachzueifern - entgegen dem erklärten Ziel einer Entnuklearisierung des Nahen Ostens. Israel muss auf die Androhung militärischer Handlungen verzichten, und die Vereinigten Staaten sollten Iran in seinem legitimen Recht unterstützen, im Rahmen des NPT seine atomaren Fähigkeiten zu friedlichen Zwecken zu entwickeln.
Auf der anderen Seite haben die USA ein Interesse an der anhaltenden Kooperation mit Iran beim Prozess der Stabilisierung Iraks. Iran hat den von Amerika ernannten Regierenden Rat anerkannt. Es hat sich weder direkt noch über die in Iran ausgebildete irakische Badr-Brigade eingemischt. Washington hat auch ein ernsthaftes Interesse an iranischer Unterstützung beim Wiederaufbau und bei der politischen Stabilisierung Afghanistans sowie an Irans Kooperation bei der Bewältigung des steigenden Drogenhandels über seine langen und durchlässigen Grenzen zu Afghanistan.
Die Sicherung von Öllieferungen vom Persischen Golf auf den Weltmarkt ist sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für Iran von vitalem Interesse. In der Folge des Golfkrieges im Jahr 1991 erklärte der damalige Präsident Bush sen., dass "unsere vitalen nationalen Interessen" von einer sicheren und stabilen Golfregion abhängen. Weder die vor 1991 vorherrschende amerikanische Vorstellung von einer militärischen Macht "über den Horizont" sorgte für diese Sicherheit und Stabilität, noch tut dies das derzeitige amerikanische Imperium in der Region. Bereits 1982 empfahl ich als wissenschaftlicher Berater des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, dass diese eine entscheidende Rolle bei der Sicherheit in der Region spielen sollten. Und im Sog des Golfkrieges im Jahr 1991 schlug ich in meinem Buch Zukünftige Sicherheit am Persischen Golf: Die Rolle Amerikas vor, dass die USA die regionale Sicherheit durch die Staaten der Region fördern sollten - aber gleichzeitig diese regionalen Gruppen durch den Artikel 53 der UN-Charta an den Sicherheitsrat zu binden, der die Zustimmung des Sicherheitsrats erfordert, bevor regionale Gruppierungen militärische Macht einsetzen dürfen. Ist es nach zwei Kriegen nicht an der Zeit für die Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit den acht regionalen Staaten am Persischen Golf, und könnte eine solche Strategie nicht die humanitären und materiellen Kosten verringern, welche die "Pax Americana" verursacht?Abschluss des Manuskripts: 9.Januar 2004.