Im Vorfeld der Entscheidung, ob Bonn Bundeshauptstadt bleiben oder Berlin es werden soll, wurde immer wieder behauptet, mit Berlin werde Deutschland eine andere Republik. Heute, fast fünf Jahre nach dem Umzug, kann man die Frage in Verbindung mit der berühmten K-Frage eindeutig beantworten. Nein, nicht durch Untersuchung der Problematik Merkel/Stoiber/Koch oder Schröder/Münte, sondern anhand des Phänomens Karneval.
Da sind damals ein paar Tausend eingefleischte Rheinländer zähneknirschend vom Rhein an die Spree gezogen, im Gepäck ihr Brauchtum. Man gründete die rheinische Republik rund um die StäV nördlich des Bahnhofs Friedrichstraße. Dann mühte man sich um einen Karnevalszug, der stets gleich endet: Ebensoviele Narren schunkeln auf den Wagen wie unten verständnislose Berliner auf die Pappnasen hoch schauen. In den Gesichtern die Frage: Wie kann man sich selbst so zum Narren machen?
Auch Weiberfastnacht ist in Berlin kein närrischer Termin wie anderen Ortes. ddp-Korrespondent Ralf Beunik stellte an diesem Tage lapidar fest: Der Karneval führt in Berlin ein Schattendasein, zumal die jecken Politiker lieber in ihren Heimatgemeinden als in Berlin feiern. Im Jakob-Kaiser-Haus versuchten ein paar Unentwegte, ihr Wieverfastlovend zu inszenieren - einige Majestäten machten ihre Aufwartung, insgesamt blieb die Fete eher verhalten. Der Hauskanal des Bundestages übertrug ein Programm der Wasserwerker, jenes jetzt aufgelösten Bundestagskabaretts. Da kam dann doch gelegentlich Nostalgie auf - etwa bei dem Programmpunkt, bei dem über die nächtlichen Sitzungen im alten Wasserwerk memoriert wurde. Wenn gerade noch die Geschäftsführer zur Geisterstunde unter sich waren und jeder zu seinem eigenen Redebeitrag Einzelbeifall spenden konnte oder das Manuskript zu Protokoll geben durfte, damit es nicht bis zum Morgengrauen ging. Eine rheinische Parlamentsreform hat es nicht gegeben, denn das Präsidium wurde mitnichten von einem Elferrat abgelöst. Der amtierende Präsident stellt auch nicht den nächsten Redner mit der bekannten Floskel "wollen mer 'n reinlosse?" dem Plenum zur Abstimmung. Auch ist weder Klatschmarsch oder noch Rakete angesagt.
Womit die K-Frage beantwortet ist: Berlin ist nicht Bonn und wird es auch nie werden. So können die Rheinländer, wie schon früher die Hugenotten, zwar ihr Brauchtum mitbringen; Berliner sind dafür nicht zu begeistern. Tolerant, aber ohne Spaß an der Freud. Berlin liegt eben 600 Kilometer näher an Königsberg. Und von dort kommt die Theorie der reinen Vernunft - wir sind schließlich im Kant-Jahr!