Notwendig seien vor allem mehr Investitionen in die Förderung der Humanressourcen insbesondere bei Bildung und Ausbildung, forderte die Luxemburgerin Viviane Reding als für diesen Bereich zuständige EU-Kommissarin.
In der von den drei größten Fraktionen gemeinsam eingebrachten Entschließung fordern Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale die EU-Staaten auf, in ihrer mittelfristigen Finanzpolitik eine umfassende Strategie für verstärkte Investitionen in den Bereichen Humanressourcen, Innovationen, Forschung und Entwicklung zu entwickeln und schnell umzusetzen. Ein besonderer Schwerpunkt soll auf Bildung, lebenslanges Lernen und den Erwerb von praktischen Fertigkeiten gelegt werden.
Die Mitgliedstaaten und der Privatsektor werden zu mehr Zukunftsinvestitionen aufgefordert, damit die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 drei Prozent des Bruttosozialprodukts wie bei den unmittelbaren Wettbewerbern USA und Japan erreichen. Bisher investiert Europa dafür nur 1,9 Prozent. Viviane Reding verwies darauf, dass ein Fünftel der jungen Menschen die Schule oder ihre Ausbildung ohne Qualifikation abbrechen.
Trotz aller berechtigter Kritik wegen der zu geringen Fortschritte hob EU-Kommissar Pedro Solbes aber auch hervor, dass in der EU trotz schwachen Wachstums sechs Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen worden seien. Der begonnene Reformprozess habe immerhin zu einem halben Prozentpunkt an zusätzlichem Wachstum geführt. Hemmend hätten sich aber der immer noch zu sehr zersplitterte Binnenmarkt erwiesen, als auch die zu zögerliche Umsetzung der Richtlinien. Solbes setzte sich zusätzlich für eine Stärkung und Liberalisierung des Dienstleistungssektors ein. Konkret müssten in den kommenden Monaten die Gesetzgebungsprojekte Gemeinschaftspatent und beruflicher Befähigungsnachweis verabschiedet werden. Bereits vor einem Jahr hatte sich der EU-Ministerrat grundsätzlich auf ein europäischen Gemeinschaftspatent verständigt, wonach für den europäischen Raum in Zukunft eine einzige Anmeldung ausreichend sein soll. Damit würde die aufwendige Anmeldung in jedem einzelnen Land entfallen. Der endgültige Beschluss scheiterte jedoch bisher an der Sprachenfrage beziehungsweise den Übersetzungskosten.
Der irische Europastaatssekretär Dick Roche wies als amtierender EU-Ratspräsident darauf hin, die Lissaboner Zielsetzungen sähen unter anderem bis 2010 auch eine Beschäftigungsquote für Frauen von mindestens 60 Prozent vor. Dieses Ziel könne durchaus noch erreicht werden, da der Anteil zur Zeit bei 55,6 Prozent liege. Schlechter sei die Aussicht, das Ziel einer Beschäftigungsrate von 50 Prozent bei den 55- bis 64-Jährigen zu erreichen. Hier lag die Quote 2001 bei 40,1 Prozent. Sieben Millionen neue Arbeitsplätze seien nötig, um dieses Herausforderung zu bewältigen.
Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Parlaments, Christa Randzio-Plath (SPE/Deutschland), erklärte, die Lissabon-Strategie dürfe nicht weiter ins Stocken geraten. Sie bedauerte den Vorwand der EU-Mitgliedstaaten, die angestrebten Fortschritte seien nicht zu finanzieren. Durch eine stärkere Koordinierung der Mitgliedstaaten, beispielsweise bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, ließen sich mehr Einnahmen erzielen. Notwendig seien aber auch mehr Investitionen in soziale Dienstleistungen. Der Frühjahrsgipfel müsse Vertrauen schaffen und verdeutlichen, dass ein Mehrwert entstehe, wenn alle an einem Strang ziehen. Europa müsse sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen und dürfe nicht immer auf die USA blicken.
An Stelle des angestrebten jährlichen Wirtschaftswachstums von drei Prozent sei die Wirtschaftskraft der EU rückläufig, wobei sich Deutschland, Italien und die Niederlande in einer technischen Rezession befänden und Frankreich zurzeit einen kräftigen Abschwung hinnehmen müsse. Dadurch habe sich auch die Arbeitslosenquote auf 8,9 Prozent in der Eurozone und 8,1 Prozent in der gesamten Union erhöht und liege trotz Anpassungen in den Arbeitsmarktstatistiken um 0,5 Prozent höher als 2002. Der Anteil der von Armut betroffenen Menschen habe 15 Prozent an der Gesamtbevölkerung erreicht.
Obwohl sich das allgemeine Haushaltsdefizit im Jahr 2003 in der Eurozone auf 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU ausgeweitet und mit Ausnahme von Belgien, Spanien, Österreich und Portugal in allen Ländern zu einer Verschlechterung der Haushaltssituation geführt habe, erklärte Randzio-Plath, seien die öffentlichen wie die privaten Investitionen von 3,8 Prozent des BIP in den 70er-Jahren auf nur 2,4 Prozent im Jahr 2002 gesunken. In den USA betrage der Vergleichswert 3,5 Prozent.
Allein 2002 sei das Gesamtvolumen der in Europa getätigten Investitionen um 2,9 Prozent gesunken, ein Trend, der sich auch 2003 fortsetzte. Damit würden die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit Europas in Frage gestellt. Besonders dramatisch sei der Einbruch bei den Risikokapital-Investitionen. Ihr Anteil sei um 0,7 Punkte auf nur noch 0,029 Prozent am BIP geschrumpft.
Als wesentliche Voraussetzung für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der EU bezeichnet das Parlament einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Stabilitätspakt. In diesem Zusammenhang war vom Wirtschaftsausschuss in einem gesonderten Bericht auch die Klage der Kommission gegen den Beschluss des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister vom 25. November 2003 vor dem EuGH begrüßt worden. Diese Passage wurde jedoch auf Antrag der Fraktion der UEN (Euroskeptiker) ebenso gestrichen wie die Aufforderung an Frankreich und Deutschland, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu respektieren und ihre öffentlichen Finanzen zu sanieren. Statt dessen wurde auf Antrag der SPE-Fraktion die Wachstumsinitiative der EU begrüßt. Die Kommission wurde aufgefordert, eine intelligentere Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vorzuschlagen.