Zwar hat das Europäische Parlament mit seiner positiven Stellungnahme dem Abschluss des Abkommens zwischen der EU und der Schweiz zur Besteuerung von Zinserträgen kein Hindernis in den Weg gelegt. Doch ob der Vertrag wie vorgesehen ab 1. Januar 2005 in Kraft treten kann, ist fraglich. Um eine Kapitalflucht aus der EU zu vermeiden, wurde das Inkrafttreten der Richtlinie davon abhängig gemacht, ob eine Reihe von Ländern wie die USA, die Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Andorra, San Marino, aber auch Guernsey und Jersey sowie die britischen und die niederländischen Territorien in Übersee, die Cayman-Islands, Montserrat und die Virgin Islands gleichwertige Maßnahmen einführen. Die Zinsertragsrichtlinie führt ab 2005 ein System des automatischen Informationsaustauschs zwischen den Steuerbehörden ein. Als Ausnahmeregelung können Luxemburg, Österreich und Belgien eine Quellensteuer auf Kapitaleinkünfte von Gebietsausländern einführen.
Auf der Grundlage dieser von den EU-Staats- und Regierungschefs 2000 beschlossenen Regelung verpflichteten sich Österreich, Luxemburg und Belgien zwar dazu, ab 2005 eine Quellensteuer von zunächst 15 Prozent auf Zinseinkünfte von Gebietsausländern zu erheben. Nach drei Jahren wird diese auf 20 Prozent erhöht und ab 2010 sogar auf 35 Prozent. Als Voraussetzung dazu wurde aber die Zustimmung der Schweiz verlangt, die gleichen Steuersätze anzuwenden, wie die drei EU-Länder. Von den Einnahmen aus der Quellensteuer sollen drei Viertel in die Wohnsitzländer der Anleger erstattet werden.
In seiner Stellungnahme spricht sich das Parlament dafür aus, dass das Abkommen mit der Schweiz hinsichtlich des Inkrafttretens von den Verhandlungen mit anderen Ländern abgekoppelt werden sollte. Während die Regierung in Bern bereit ist, fast alle Punkte der EU-Richtlinie zu übernehmen, besteht sie hartnäckig auf der Verbundlösung. Vorbehalte hat sie aber noch gegen die Vorschrift, Steuerhinterziehungen, die nach Schweizer Recht Ordnungswidrigkeiten sind, künftig nach EU-Vorbild als Straftatbestand zu verfolgen. Zwar versucht Kommissar Frits Bolkestein die Schweiz von ihrem Junktim abzubringen, aber selbst wenn dies gelänge, wären die Probleme damit keinesfalls gelöst. Denn spätestens Ende Juni müssten nach dem Zeitplan die EU-Finanzminister einstimmig feststellen, dass alle Steueroasen gemäße Regelungen getroffen haben. Andernfalls wollen Österreich und Luxemburg nicht zustimmen. H. H.