Wer der Wahrheit auf den Grund gehen möchte, kann es mit abgewandelten Werbesprüchen versuchen. So wird aus einem inzwischen reichlich verwelkten Slogan die in der westlichen Welt schon länger verbreitete Einsicht: "Geld ist geil." Man muss nicht Millionär oder Bundesbankdirektor sein, um dies zu wissen; es reichen die Erfahrungen mit diabolisch grinsenden Familienvätern, die am Wohnzimmertisch ihren Kindern das Geld aus der Tasche ziehen - beim "Monopoly"-Spieleabend. Über die Art und Weise, wie man im wirklichen Leben schnell betucht wird, lernt man dabei zwar wenig. Umso größer sind die psychologischen Erkenntnisse über die "Mitspieler" und was Geld mit dem Charakter so alles anfängt.
Diese Erkenntnisse mindern ein wenig das Erstaunen über eine Erfindung aus dem Land der Hohepriester des Kapitalismus: Eine Amerikanerin hat das berühmte Abkassierer-Spiel in eine Kirchenvariante umgemodelt. Die Spielsteine sind keine Zylinder oder Rennautos, sondern Taufbecken oder Lämmer; die Ereigniskarten, die unter dem Signum "Zeit und Talente" firmieren, verkünden Unheil wie ein klingelndes Handy während des Gottesdienstes. Ziel des munteren Tischspiels, das auf den Namen "Episcopopoly" getauft wurde, ist es, eine Kirche zu bauen und zu lernen, wie sie geleitet wird. Zielgruppe sind vor allem junge Christen ab sechs Jahren. Die erste Auflage von 3.500 Stück soll bereits vergriffen sein.
Da stellt sich die Frage, ob nicht auch andere Bereiche des Alltags auf diese Weise jungen Bälgern nahegebracht werden könnten. Als Vorbereitung für die Schule böte sich "Pisapoly" an, bei dem rundenweise per Untersuchung überprüft würde, ob die Wissensfortschritte mit denen in anderen Ländern mithalten. Ziel: das Leiten einer Elite-Erziehungsanstalt in sozialdemokratischem Geiste. Um den Umgang mit neuen Medien zu schulen, böte sich "Telepoly" an, bei dem die Spielfiguren aus kleinen Mobiltelefonen bestünden. Ziel hier: Das erfolgreiche Platzieren einer Volksaktie an der Börse. Auf dass der Sommer ewig bliebe.
Das Auskommen mit Fremden könnten junge Menschen beim "Ghettopoly" testen. Der friedliche Umgang würde ausgewürfelt; klappt es nicht, geht's direkt ins Gefängnis und nicht über Los. Ereigniskarten böten böse Überraschungen für ausländische Spielfiguren, die man nur durch die Gestaltung eines Einwanderungsgesetzes abbügeln könnte. Dies wäre gleichzeitig das Spielziel. Nach dem Untergang des Sozialismus würde sich auf diese Weise der Geist von dessen historischen Gegenpart durchsetzen und alle Probleme lösen. So spielerisch geht das. Bert Schulz