Ein bloßes Weitermachen wie bisher ist nach meiner Überzeugung nicht mehr zu verantworten", schrieb Professor Reinhard Rürup verbittert auf ein Blatt Papier und trat als Wissenschaftlicher Direktor der "Stiftung Topographie des Terrors" zurück. Der Rücktritt sollte "nicht zuletzt auch ein Ausdruck der Enttäuschung über die in den letzten Jahren bestenfalls lauwarme, selten aber wirklich engagierte Unterstützung der Stiftung durch die Politik" sein. Und das "Aktive Museum" unterstützte den Protest vom 7. auf den 8. Mai mit einer Mahnwache, während der die fotografische Dauerausstellung auf dem Gelände des einstigen Terrors 24 Stunden ununterbrochen geöffnet blieb.
Nun scheint neue Bewegung in die endlose Geschichte der "Topographie des Terrors" zu kommen: Sowohl Christina Weiß, die Kulturstaatsministerin des Bundes, als auch Ingeborg Junge-Reyer, die neue Senatorin für die Berliner Stadtentwicklung, wollen einen "Runden Tisch" einberufen. An diesem soll geklärt werden, wie es weiter gehen soll mit dem Projekt, das eine wichtige Ergänzung zur Holocaust-Denkstätte und zum Jüdischen Museum darstellt. Und wieder einmal geht es um das liebe Geld. Soll heißen, ob man mit den ursprünglich veranschlagten 38,8 Millionen Euro auskommt oder nicht.
Zunächst: Was ist das eigentlich, die "Topographie des Terrors"? Dabei handelt es sich um das Gelände zwischen der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße (heute Niederkirchnerstraße), der Wilhelmstraße und der Anhalter Straße. Mitten im Herzen Berlins, unmittelbar an den Potsdamer Platz angrenzend befanden sich während der Schreckensherrschaft der Nazis das Geheime Staatspolizeiamt, das Reichssicherheitshauptamt, die SS-Führung. Hier befand sich das berüchtigte "Hausgefängnis", hier standen die Schreibtische eines Himmler, Heydrich, Kaltenbrunner.
Es war das eigentliche "Regierungsviertel" des SS- und Polizeistaates innerhalb des klassischen Berliner Regierungsviertels seit den Tagen des Kaisers und das vor allem mit dem Namen Wilhelmstraße verbunden ist. Erst seit dem Fall der Berliner Mauer war es möglich, in diesem Gebiet nach Überresten der nationalsozialistischen Barbarei zu graben. Und so ist das Gelände bis heute teilweise abgesperrt, gibt es fotografische Schautafeln, Führungen, wissenschaftliche Aufarbeitungen durch die Stiftung "Topographie des Terrors", die auch für das geplante Dokumentationszentrum verantwortlich sein soll.
1993 gewann der Schweizer Stararchitekt Peter Zumthor den Bauwettbewerb. Sein Plan sieht die Schaffung einer "Gebäudehülle" vor, "die keine andere Sprache spricht als die ihres Baumaterials, ihrer Konstruktion und ihrer elementaren Funktionen". Vorgesehen ist ein langgestreckter Bau mit zwei Obergeschossen, dessen Struktur durch ein Tragwerk aus schmalen Betonstelen und Glaselementen bestimmt ist. Bereits 1995 sollte das Dokumentationszentrum fertig sein.
Doch 1995 fand ein - erst einmal ein symbolischer - Baubeginn mit dem damaligen Bundesbauminister Klaus Töpfer statt. Man war noch guter Hoffnung, obwohl sich bereits eine Kostenexplosion abzeichnete. Statt der 38,8 Millionen Euro sollten es 45 Millionen Euro sein, die dann nach Schätzungen eines "Baubegleitenden Ausschusses" 2001 bereits auf 75 Millionen Euro geklettert waren. Der Hauptgrund liegt in der außergewöhnlichen Konstruktion, für die es bislang kein Vorbild gibt.
Bund und Senat zogen die Bremse. Vor allem Berlin beharrte darauf, dass das Dokumentationszentrum nicht mehr als die vorgesehenen 38,8 Millionen Euro kosten dürfe. Und so kam es, wie es kommen musste: Der Bau kommt nicht voran. Dabei wird von keiner Seite bestritten, wie wichtig ein solcher Ort für eine publikumsnahe Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen ist. Das beweisen auch die Eintragungen aus dem ausgelegten Tagebuch. Hier einige Eintragungen aus jüngster Zeit: "An diesem Ort standen die Schreibtische der Täter, die den Mord an unzähligen Menschen zu verantworten haben", schrieb Albert Meyer, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, und fügte hinzu: "Eine Stätte, die für die Erinnerung in der Zukunft erhalten und ausgebaut werden muss." Der Schauspieler Udo Samel findet: "Erschreckend und im Grund unfassbar, wie hier die seelenlose Gleichgültigkeit und Ignoranz spürbar bleibt."
Wie stark das Interesse an der "Topographie des Terrors" ist, zeigen die Zahlen der Besucher der provisorischen Ausstellung entlang des Ausgrabungszaunes: Rund 300.000 pro Jahr. Tendenz steigend. Nun soll geklärt werden, ob der Zumthor-Entwurf mit den geplanten 38,8 Millionen Euro verwirklicht werden kann oder nicht. Entsprechende Prüfungen werden gegenwärtig sowohl vom Bundesbauministerium als auch vom Berliner Senat vorgenommen. Mit einer Veröffentlichung des Ergebnisses wird in wenigen Wochen gerechnet.
Wird der Zumthor-Bau zu teuer für Bund und Land Berlin, die sich die Kosten teilen wollen, dann ist die Frage, wie es weitergehen soll. Offensichtlich ist Kulturstaatsministerin Weiß entschlossen, für diesen Fall eine neue Ausschreibung zu veranlassen. Vielleicht bringt ja auch der geplante "Runde Tisch" neue Einsichten. Der zurückgetretene Wissenschaftliche Direktor der Stiftung, Rürup, vermisst vor allem ein Engagement, das der Bund etwa bei der Verwirklichung der Holocaust-Gedenkstätte an den Tag legt, die nördlich an die "Topographie des Terrors" grenzt. Aber auch weite Teile des Berliner Senats engagieren sich aus seiner Sicht zu wenig. Nun richten sich alle Hoffnungen auf die beiden Frauen Christina Weiß und Ingeborg Junge-Reyer. Vielleicht geht es doch bald weiter mit einer dringend notwendigen Informationsstätte, damit der Terror des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit gerät. Martin Peter