Die Mini-Lastwagen - bis 3,5 Tonnen - flitzen mit 150 km/h über die Autobahnen und lassen manchen Pkw hinter sich. Ihr Vor- und Nachteil zugleich: Für sie reicht der Pkw-Führerschein. Wer sonst nur an seinen Personenwagen gewöhnt ist, ist völlig überfordert, wenn er plötzlich einen solchen Beinahe-Lastwagen zu beherrschen hat.
Uwe Beckmeyer, SPD-Abgeordneter und Mitglied im Verkehrsausschuss, listet auf, welches besondere Gefahrenpotenzial im Zusammenhang mit den Mini-Lkw zu beachten ist: Die hohe Anzahl der so genannten Alleinunfälle und der Unfälle in der Dunkelheit deuteten darauf hin, dass die vorgeschriebene Dauer der Arbeitszeit aufgrund des wirtschaftlichen und Termindrucks oft überschritten werde. Die SPD beabsichtige den Einbau von Kontrollgeräten zur Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten auch für Fahrzeuge zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen europaweit verpflichtend vorzuschreiben. Falls dies nicht zeitnah erreicht werden könne, sollte der Einbau für national zugelassene Fahrzeuge zur Pflicht gemacht werden. Die Beeinträchtigung der Fahrstabilität sei - so Beckmeyer weiter - meist auf unterlassene oder mangelhafte Ladungssicherung zurückzuführen. Hier seien Präzisierungen in der Straßenverkehrsordnung, Qualifikation und ein geschärftes Problembewusstsein der Fahrer erforderlich. Weiter müsse das Unterschreiten des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes auf Autobahnen mit spürbar höheren Sanktionen belegt werden. Weil Autobahnabschnitte und Landstraßen mit streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie Baustellenbereiche Unfallschwerpunkte von Kleinlastern seien, sei die Anzahl der Geschwindigkeitskontrollen in diesen potenziellen Unfallschwerpunkten zu erhöhen. Von der Einführung eines allgemeinen Tempolimits für Kleinlaster hält er jedoch nichts. Sie würde nicht zu einer deutlichen Senkung der Unfallzahlen führen, da nur 14 Prozent aller Unfälle, an denen solche Fahrzeuge beteiligt seien, auf Autobahnen geschähen.
Der bedrohlichen Entwicklung müsse mit wirkungsvollen Maßnahmen begegnet werden, fordert der Eduard Oswald, CSU. Die Bundesregierung müsse das "Unfallrisiko Kleintransporter" zum Schwerpunktthema ihrer Verkehrssicherheitsarbeit machen. Verbunden mit einer gründlichen Unfallursachenanalyse sei vor allem der Frage nachzugehen, wo die Schwachpunkte im Verkehr der kleinen Lkw zu finden seien. Oswald, Vorsitzender des Bundestagsverkehrsauschusses, führt einige von ihnen auf: Begrenzte Rundumsicht, Probleme mit den toten Winkeln, voluminöse Aufbauten, Einfluss von Seitenwind, Rangierschwierigkeiten und Probleme mit engen Einfahrten. Für die Bewältigung dieser anspruchsvollen Fahraufgaben gebe es bislang keine spezielle Ausbildung. Basis sei vielmehr ausschließlich der Pkw-Führerschein. Oswald plädiert deshalb für ein auf die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse der Kleintransporter abgestimmtes Sicherheitsprogramm und Fahrtraining und Anleitung zur Ladungssicherung. Damit ließe sich Sicherheit auf den Straßen entscheidend verbessern.
Auf die lauter werdenden Forderungen von Verkehrsverbänden, Politikern und Verwaltung, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, geht Peter Hettlich (Grüne) ein. Er verweist auf einen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz, der ein Bündel von Maßnahmen beinhalte. Dazu gehörten die Übernahme der Vorschriften zur Güterbeförderung, die bisher nur für Lkw gelten, stärkere Sanktionen für das Unterschreiten des Mindestabstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug und präzisere Anforderungen an das Verstauen von Ladungen. Darüber bestehe ein breiter Konsens. Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten, die in Deutschland für Kleinlaster ab 2,8 Tonnen gelten, sollten nach Vorstellung der Landesverkehrsminister in EU-Recht übernommen werden. Die gerade angelaufene "Qualifizierungsmaßnahme Kleintransporter" sensibilisiere Fahrer in Schulungen für einen verantwortungsvollen Fahrstil. Peter Hettlichfordert: "Die für Pkw geltenden Sicherheitsstandards sollen auf Kleintransporter übertragen werden, zum Beispiel die Ausstattung mit Airbags und Automatischer Blockierverhinderung. Nachgewiesermaßen lässt sich das Unfallrisiko durch Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung senken. Die Forderung nach einem Tempolimit von 120 oder 130 km/h wird daher von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützt, sie ist jedoch zur Zeit politisch noch nicht durchsetzbar."
"Dringenden Handlungsbedarf" sieht auch der CDU-Verkehrsexperte Gero Storjohann, der seine Forderung kurz und bündig so zusammenfasst. "Fahrer schulen und Fahrzeuge sicherer machen!" Die Zunahme der Unfälle mit Kleinlastern stelle eine ernst zu nehmende Gefährdung der Sicherheit im Straßenverkehr dar. Häufig würden diese Liefer- und Lastkraftwagen von Kurierdiensten und Handwerksbetrieben benutzt, nicht zuletzt, auch um das Sonntagsfahrverbot zu umgehen, das für sie nicht gelte. Bedenklich sei, dass 65 Prozent aller unfallbeteiligten Fahrer eines Kleinlasters auch die Hauptverursacher des Unfalls seien, wobei zu den hauptsächlichen Unfallursachen nicht angepasste Geschwindigkeit und Abstandsfehler sowie Übermüdung und ungesicherte Ladung zählten. Fahrer solcher Fahrzeuge müssten daher durch Schulungsprogramme besser qualifiziert werden. Außerdem sei es nötig, die Kleinlaster mit stärkeren Bremsleistungen auszustatten.
Das vielfach ins Gespräch gebrachte Tempolimit hält der FDP-Abgeordnete Horst Friedrich nicht für zielführend. zumal 85 Prozent der Unfälle, an denen sie beteiligt seien, ohnehin auf bereits geschwindigkeitsbegrenzten Landstraßen und innerörtlichen Straßen geschähen. Der Verkehrsgerichtstag in Goslar habe Anfang 2004 festgestellt, dass Kleintransporter zwar "unfallauffällig" seien, ihre Unfallbeteiligung - auch auf Autobahnen - jedoch nicht als überdurchschnittlich zu bewerten sei. Gleichzeitig müsse man sehen: "Kleinlaster spielen eine unverzichtbare Rolle in den Übernachtnetzen der Kurier-, Express- und Paketdienste. Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung für diesen Fahrzeugtyp hätte angesichts der Zeitsensibilität dieser Branche erhebliche wirtschaftliche Ausiwrkungen." Dennoch wolle die FDP im Bundestag die Option "Tempolimit" nicht völlig ausschließen, jedoch nur als letzten Schritt in einem Bündel von Maßnahmen, falls anders eine Verbesserung der Sicherheit nicht erreicht werden könne.