Jeben Se Jas" - so habe der erste Bundeskanzler dieser Republik, Konrad Adenauer, häufig seinem Fahrer auf dem Weg "ins Amt" zugerufen. Ort: Sein schwarzer Dienst-Mercedes, Typ 300, mit flotten 115 PS, heute das meistbewunderte Prunkstück der Dauerausstellung im Haus der Geschichte (HdG) der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Drei Tage feierte nun das HdG sein zehnjähriges Bestehen. Am 15. Juni gab es einen Festakt, zu dem Bundespräsident Johannes Rau als Redner geladen war.
Als Gründungsvater des Hauses gilt Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl, der in seiner Regierungserklärung 1982 die Errichtung des HdG für die "alte" Bundesrepublik angestoßen hatte. Als es dann zwölf Jahre später so weit war, hatten sich mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten die historischen Parameter grundsätzlich geändert. Nun musste auch die DDR, anders als zunächst geplant, angemessen und nach sehr kritischen Debatten einbezogen werden.
Dass das HdG eine Erfolgsgeschichte werden würde, war bei seiner Öffnung vor zehn Jahren nicht abzusehen. Grundsätzliche Kritik kam, und kommt bis heute, von einigen angesehenen Historikern. Da ist von "Geschichtsfuror" und "Anfass-Klimbim" die Rede. Erst vor wenigen Tagen hat der Historiker-Papst und Alt-Grantler Hans Mommsen in einer westdeutschen Tageszeitung noch einmal schweres Geschütz aufgefahren: Dem HdG fehle jede "logisch-didaktische Substanz", es herrsche "inhaltsleere Selbstbespiegelung statt wirklicher politischer Analyse". Am Vorabend des Bonner Festaktes wies der frühere Direktor des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin, Christoph Stölzl, in einem Rundfunkinterview darauf hin, dass das HdG bewusst "Haus" und nicht "Museum" genannt wurde, weil dort eben Geschichte "inszeniert" und nicht historisch analysiert und wissenschaftlich aufbereitet werde. Zwischen HdG und DHM bestehen, nicht verwunderlich angesichts der sehr unterschiedlichen Aufgaben, keine besonders engen Beziehungen.
Für die Redner des Festaktes gab es dagegen nur etwas über die "Erfolgsgeschichte" des HdG zu berichten. Knut Nevermann, amtierender Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung HdG, das vollständig vom Bund finanziert (nicht "subventioniert") wird, erinnerte daran, dass das Haus bereits 1995 den Museumspreis der EU erhalten habe und heute als Vorbild für zahlreiche Nachgründungen ähnlicher Einrichtungen gelten kann. Für den Präsidenten des HdG, Hermann Schäfer, zeigt sich die Erfolgsgeschichte seines Hauses in der Tatsache, dass heute 43 Prozent der Deutschen das HdG kennen. Beachtlich ist in der Tat, dass in diesen ersten zehn Jahren immerhin sechs Millionen Besucher die Dauerausstellung zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (alt), der DDR und des vereinigten Deutschland gesehen haben; weitere drei Millionen besuchten die inzwischen 50 Wechsel-, Wander- und Sonderausstellungen. Das HdG sei so attraktiv, weil man, so die Konzeption, deutsche Zeitgeschichte als "Erlebnisgeschichte" im internationalen Kontext präsentiere. Also: Ist das HdG ein Ort, wo Besucher Geschichte sinnlich erleben, anfassen und auf besondere Art unmittelbar (nach-)erleben können? Ein "Publikumshaus" mit republikweiter Magnetwirkung?
Der scheidende Bundespräsident Johannes Rau brachte in seiner Rede manches auf den Punkt. "Im Dunkel des gelebten Augenblicks" (Ernst Bloch) brauche man, so Rau, Unterstützung, um die eigene, personale Geschichte mit den historischen Ereignissen in Verbindung bringen, sie einordnen zu können. Die Geschichte des HdG sei ein Erfolg, weil deutsche Nachkriegsgeschichte hier "sinnlich" gemacht, "authentisch" dargeboten und somit ein "emotionaler Zugang" zu Geschichte ermöglicht werde. In diesem Kontext haben zum Beispiel Adenauers Dienstwagen, Kohls berühmte Strickjacke, der Haftbefehl für Erich Honecker, der Rumpf eines "Rosinenbombers" aus der Zeit der Berliner Blockade (1948/49) und eine Kontrollkabine der DDR-Grenzer vom Berliner Bahnhof Friedrichstraße ihren Platz. Es sei wichtig, so Rau, dass das HdG "in einem ersten Schritt" Betroffenheit erzeuge, wenn - darauf aufbauend - richtiges Verstehen von Geschichte durch Analyse von Zusammenhängen erreicht werden soll.
Ob in Deutschland das Verständnis für Geschichte gewachsen ist, fragte Johannes Rau. Und er gab eine halbe Antwort: "Wir haben aus unserer Geschichte gelernt." Man wisse heute, dass deutsche Geschichte mehr sei als nur die katastrophalen zwölf Jahre des Dritten Reiches. Und - es klang freilich mehr beschwörend als überzeugt - der "Antisemitismus hat in Deutschland keinen Nährboden" mehr. Für Rau ist eine Suche nach der deutschen Identität offenkundig, und er sieht das wohl als gutes Zeichen. Wir suchen also noch. Kann man sich eigentlich einen Engländer oder Franzosen auf der Suche nach seiner Identität vorstellen? Diese Völker hinterfragen ihre nationale Identität nicht, sie ist evident. Diese Normalität müssen wir Deutschen auch noch erreichen.