Bundeskanzler Gerhard Schröder meinte, man sei immer für die schnelle Übertragung der Souveränität auf die irakischen Behörden eingetreten, also sei der Schritt jetzt richtig, da er zwei Tage früher als erwartet erfolgt sei. Die Übertragung der Souveränität wurde in einer Erklärung des Gipfels zum Irak begrüßt. Hinter den Kulissen wurde aber kritisiert, dass die USA und Großbritannien diese Entscheidung den Gipfelteilnehmern nicht vorab mitgeteilt hatten und dass damit der erste Gipfeltag mit seinen Beratungen in den Hintergrund gedrängt wurde.
Die NATO hat erwartungsgemäß beschlossen, dem Irak eine Ausbildungshilfe für die Sicherheitskräfte anzubieten. Darum hatte der irakische Übergangspräsident Allawi in Kenntnis des Beratungsstandes in der Allianz die NATO in der Woche vor dem Gipfel gebeten. Bundeskanzler Schröder schlug in einer Rede vor Jugendlichen aus den NATO-Staaten vor, die Ausbildung in Einrichtungen der Bundeswehr durchzuführen. Im Gespräch sind zum Beispiel die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg und das UN-Ausbildungszentrum in Hammelburg. Noch aber hat die NATO noch nicht entschieden, ob diese Hilfe im Irak, in der Region - da ist Jordanien im Gespräch - oder in den NATO-Staaten stattfinden soll. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer will vor der Entscheidung darüber erst mit der irakischen Regierung Kontakt aufnehmen.
Die weitere Entwicklung Afghanistans hat die NATO zu einer ihrer zentralen Aufgaben erklärt. Dort entscheide sich, ob die Allianz glaubwürdig die Aufgabe des Nationbuilding meistern könne.
Zwei Maßnahmen sollen dies untermauern: Neben den beiden bestehenden Wiederaufbauteams in der Region - eines davon betreibt Deutschland in Kunduz - sollen drei weitere errichtet werden. Eines davon will Deutschland übernehmen, die anderen beiden die Niederlande und Großbritannien, das ebenfalls bereits ein derartiges Team betreibt. Allerdings werden zwei der drei neuen in jenen Regionen eingerichtet, in denen die jetzigen angesiedelt sind. Es hat sich gezeigt, dass diese Regionen zu groß für ein Team sind. So wird eine Außenstelle des deutschen Wiederaufbauteams zum zweiten deutschen aufgestockt. Dort allerdings gibt es noch Probleme: Da diese Teams sich aus Soldaten, Polizisten, Entwicklungshelfern, Diplomaten und anderen zivilen Experten zusammensetzen, bedarf es zusätzlicher Freiwilliger, die vor allem das Entwicklungshilfeministerium noch nicht zur Verfügung hat. In diese Wunde hat der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Schmidt, die Finger gelegt: Die Bundesregierung habe etwas zugesagt, was sie gar nicht leisten könne.
Mit den Aufbauteams soll die Stärke der ISAF-Truppe von 6.500 Soldaten auf 10.000 aufgestockt werden.
Zum zweiten will die NATO mit einem mobilen Bataillon während der Wahlen in Afghanistan für mehr Sicherheit sorgen. Präsident Hamid Karzai, der am zweiten Tag vor dem Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat als Gast sprach, bat darum, diese Verstärkung möglichst schnell bereit zu stellen. Dem entsprach die NATO jedoch nicht. Am Tag nach dem Gipfel wurde bekannt, dass dieses Bataillon nicht im Land stationiert wird, sondern erst bei Bedarf nach Afghanistan verlegt wird. Unklar ist auch, wer dieses Truppenkontingent stellt.
Karzai zeichnete ein positives Bild von der Entwicklung in seinem Land. Die Taliban, so meinte er, seien nicht mehr in der Lage, größere Operationen durchzuführen. Es gelinge ihnen nur noch, Zivilisten zu bekämpfen. Allerdings hatten die Taliban erst in der Woche von dem Gipfel einen der Gouverneure in einer südlichen Provinz mit Gewalt verjagt.
Die Bundesregierung hat auf dem Gipfel in Istanbul darauf hingewiesen, dass sie zu den größten Truppenstellern in Afghanistan, aber auch auf dem Balkan gehört. Bundeskanzler Schröder meinte, Deutschland stehe weit vorne, mehr gehe nicht.
Die Lage auf dem Balkan wurde ebenfalls besprochen. Die NATO wird die Führung des SFOR-Einsatzes zur Jahreswende an die EU abgeben. In Bosnien sei eine Lage entstanden, die dies zulasse. Bei der Unterstützung der EU und bei der Verfolgung der Kriegsverbrecher wird die NATO allerdings in Bosnien präsent bleiben.
Mit einem Angebot zum Dialog will die NATO den Staaten des Golf-Kooperationsrates die Hand zu einer vertieften Zusammenarbeit reichen. Dahinter steht der Gedanke, dass mit der im Frühjahr erfolgten Aufnahme von sieben neuen Mitgliedern - deren Staats- und Regierungschefs waren in Istanbul zum ersten Mal dabei - der Stabilitätsraum in Europa abgesichert ist. Diese Stabilität soll nun auf die Region des Nahen und Mittleren Ostens ausgedehnt werden. Der Plan, diesen Staaten ein Partnerschaftsprogramm anzubieten, scheiterte unter anderem daran, dass die Golf-Staaten wenig Interesse an einer solchen Zusammenarbeit zeigten.
Auch der Dialog mit dem Mittelmeeranrainern, den die NATO schon seit einigen Jahren versucht, soll intensiviert werden. In den vergangenen Jahren scheiterte dies am geringen Interesse der südlichen Mittelmeeranrainerstaaten. Die NATO erwägt, die südlichen Mittelmeeranrainer in die Operation zur Sicherung der Mittelmeers, die sie im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes seit 2001 durchführt, zu beteiligen. Entsprechende Gespräche sollen nun geführt werden.
Zur Verbesserung der Fähigkeiten der NATO wurde eine Zwischenbilanz der Umsetzung jener Maßnahmen gezogen, die der letzte NATO-Gipfel im November 2002 beschlossen hatte. Zur Verbesserung der Lufttransportfähigkeit wurde in Istanbul ein unter deutscher Federführung ausgehandeltes Abkommen über das gemeinsame Leasen von Großraumflugzeugen unterzeichnet. Um die Streitkräfte besser einsetzen zu können, sollen 40 Prozent der Landstreitkräfte schnell und für eine kurze Zeit, acht Prozent für längere Zeit eingesetzt werden können. Bis wann dieses Ziel erreicht werden soll, wurde nicht festgelegt. Diese Zahlen haben die Verteidigungsminister besprochen, sie sind nicht in den Gipfeldokumenten enthalten.
Bundeskanzler Gerhard Schröder berichtete, dass die in Deutschland beschlossene Bundeswehrreform allgemein positiv bewertet wurde. Einige NATO-Staaten haben ähnliche Reformen eingeleitet. In den Sitzungen wurde aber kritisch angemerkt, dass das in Prag formulierte Ziel, zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für die Verteidigung auszugeben, von den meisten NATO-Staaten nicht erreicht wurde.
Einige Staaten wurden im Kommunique namentlich aufgefordert, ihre Reformanstrengungen fortzusetzen. Dann könne ihnen der Weg in die Allianz offen stehen. Genannt wurden in abgestufter Intensität Albanien, Kroatien, Mazedonien, aber auch Bosnien-Herzegowina und die Ukraine.
Als wichtige neue Aufgabe in den Katalog der NATO wurde die Unterstützung bei der Absicherung bestimmter Großveranstaltungen aufgenommen. Die Gipfelerklärung erwähnt als Beispiel das luftgestützte Führungs- und Überwachungssystem der Allianz. Diese Rolle übernimmt die NATO erstmals bei den Olympischen Sommerspielen in Athen im August dieses Jahres.