Eigentlich sollten Zuschauer, die abends ein Programm der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten genießen wollen, von Werbung verschont bleiben - zumindest nach 20 Uhr. Die entsprechenden Bestimmungen sind eindeutig, es gibt ein eindeutiges gesetzliches Werbeverbot. Um so erstaunlicher ist, dass auch nach 20 Uhr bei einem Krimi das eine Unternehmen "spannende Unterhaltung" wünscht, ein anderes den Sport präsentiert, ein drittes schließlich das Wetter. Vorwürfen, sie missachteten das Werbeverbot, begegnen die öffentlich-rechtlichen Fernsehgewaltigen regelmäßig mit dem Hinweis, hier handele es sich ja gar nicht um Werbung, sondern um Sponsoring, und das sei schließlich erlaubt.
Dass diese Form der Einnahmenverbesserung den privaten Fernsehanbietern ein Dorn im Auge ist, versteht sich von selbst, schließlich leben sie allein von der Werbung und können nicht in gefüllte Gebührentöpfe greifen. Aber auch in der Politik regt sich zunehmender Widerstand gegen die "Kreativität" der öffentlich-rechtlichen Anstalten beim Erschließen von Geldquellen.
Für den FDP-Abgeordneten Hans-Joachim Otto, medien- und kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion, steht fest: "ARD und ZDF ignorieren beharrlich die gesetzlichen Werbevorgaben." In jüngerer Zeit habe sich das am deutlichsten an der Ausstrahlung der Fußball-europameisterschaft "Euro 2004" in Portugal gezeigt. Allabendlich seien die Fernsehzuschauer gezwungen worden, "die Bewegtbilder von McDonalds, T-Mobile oder Coca-Cola zu konsumieren", wobei die Firmennamen sicherlich austauschbar sind. Dabei regele Paragraf 16 des Rundfunkstaatsvertrages eindeutig, dass die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen werbefrei sein müssten. Hans-Joachim Ottos Vorwurf: "So tarnen denn die Öffentlichen-Rechtlichen ihre Werbebeiträge einfach als Sponsoring, das rund um die Uhr erlaubt ist und senden so zu jeder Tageszeit verkappte Werbung. Denn bei jeder Form von Bewegtbildern handelt es sich nach dem Staatsvertrag nicht mehr um Sponsoring, sondern bereits um Werbung. Dadurch füllen sie rechtswidrig ihre Kassen." In keinem anderen Land der Erde verfügten öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten über so viele Mittel wie in Deutschland. Mit 6,6 Milliarden Euro an Gebührengeldern sollte sich ein attraktives Programm auch ohne Werbung herstellen lassen, ist Hans-Joachim Otto überzeugt. Eine konsequente Einhaltung der gesetzlichen Regelungen sei angebracht, "um die Zuschauer nicht weiter der nervigen Werbung bei ARD und ZDF auszusetzen". In klarer Abgrenzung zu den Privaten sollten daher künftig alle Angebote der Öffentlich-Rechtlichen werbe- und auch sponsorenfrei sein.
Sponsoring sei auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erlaubt, bei Sportübertragungen oft sogar unverzichtbar, sagt der kulturpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Eckhardt Barthel. Dafür gebe es gute Gründe: "Sponsorengelder helfen mit, die Höhe der Rundfunkgebühren zu begrenzen und trotzdem ein Programmangebot zu bekommen, das weltweit zu den besten gehört. Attraktive Sportveranstaltungen werden oft gar nicht ohne Sponsor vermarktet, so dass es hier überhaupt keine Wahlfreiheit gibt." Der Teufel stecke jedoch im Detail, erklärt Eckhardt Barthel. Sponsoring dürfe nicht als Werbung erscheinen, tue es aber oft - jedenfalls in den Augen der Zuschauer. Den Anstalten sei deshalb dringend zu empfehlen, diese Wirkung zu berücksichtigen und zu klaren Regeln zu kommen. Dafür gebe es eine gute Chance. In den Selbstverpflichtungen der Anstalten, die demnächst in den Rundfunkgremien beraten würden, hätten sie sich diese Aufgabe konkret vorgenommen. In politischen Magazinen, Kulturmagazinen, ARD-Ratgebermagazinen, Kindersendungen sowie Dokumentationsreihen verzichte die ARD gänzlich auf Sendungssponsoring. Das sei der richtige Weg. Dass er noch nicht ausreichend ist, bekräftigt der SPD-Abgeordnete, wenn wer zudem verlangt, verdeckter Werbung einen Riegel vorzuschieben, indem bei zahlreichen Formaten auf die Ausstrahlung von Beiträgen verzichtet werde, die - jenseits herkömmlicher Produktionsverträge - von Dritten hergestellt und verbilligt oder unentgeltlich Rundfunkanstalten angeboten würden. Die strikte Einhaltung solcher Regeln sei immer ein Markenzeichen der Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewesen, und das solle auch in Zukunft so bleiben.
Verstöße gegen das abendliche Werbeverbot sieht Grietje Bettin. Die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen verkennt nicht, "dass auch nach der magischen 20-Uhr-Grenze die Werbung aus ARD, ZDF oder auch den Dritten Programme nicht verschwindet". Ein Baumarkt präsentiere das "Aktuelle Sportstudio, Sport- und Showgrößen träten in "Wetten dass . . . " mit den Logos ihrer Sponsoren auf, und die "heute"-Nachrichten würden mit der Internetadresse "heute.t-online.de" beworben. Rechtlich seien diese "Sonderwerbeformen" grundsätzlich möglich, wenn ausgeschlossen sei, dass der Sponsor in Bezug auf Inhalt oder Programmplatzierung der Sendung Einfluss nehme. Der Bereich Product Placement finde schon in einer wesentlich größeren Grauzone statt. Zwar müssten sich die Sender an den Grundsatz der klaren Kennzeichnung von Werbung halten, doch dieser Begriff sei dehnbar: "Wie ordnet man beispielsweise einen Talkgast Boris Becker ein, der nebenbei Werbung für sein neues Buch macht?", fragt Grietje Bettin und kommt zu dem Ergebnis: "Die Notwendigkeit klarerer Regelungen ist also unübersehbar. In Frage kommen eigentlich nur zwei Modelle: Entweder man schafft die Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ganz ab - hier stellt sich das Problem, wie die entsprechenden Mindereinnahmen aufgefangen werden sollen - oder die 20-Uhr-Grenze fällt."
Letzteres hätte zwar einen Proteststurm der Privatsender zur Folge, aber große Teile der werbetreibenden Wirtschaft wünsche sich genau dies: Die Werbegrenze solle entfallen, damit die Unternehmen auch in der attraktiven Primetime Werbung schalten könnten. Gleichzeitig aber solle der Anteil der Werbeeinnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender begrenzt werden. Für Bündnis 90/Die Grünen sei die Notwendigkeit eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich von den Privaten unterscheide, unumstritten. Dieser müsse sich in der Hauptsache aus Gebührengeldern tragen können und dürfe für Werbetreibende nicht zur Alternative zum Privatrundfunk werden. Insofern seien Modelle interessant, die den Umfang der Werbeeinnahmen der Öffentlich-Rechtlichen klar begrenzten und damit den Wettbewerb bei den Privaten nicht gefährde.