Auch im zweiten Anlauf fand das von der Bundesregierung vorgelegte Tagesbetreuungsausbaugesetz nicht die Zustimmung des Bundesrates. Mit dem Gesetz soll erreicht werden, dass die Tagesbetreuung für Kinder, insbesondere im Alter unter drei Jahren, bedarfsgerecht ausgebaut und in den ostdeutschen Bundesländern gesichert und weiterentwickelt wird. Dazu wird die bislang bestehende Verpflichtung zu einem bedarfsgerechten Angebot konkretisiert.
Zukünftig sollen für Kinder im Alter unter drei Jahren Betreuungsplätze nach Bedarf vorgehalten werden, wenn deren Eltern erwerbstätig sind, sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme befinden oder das Wohl der Kinder nicht gesichert ist. Der ursprünglich von Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) vorgelegte Gesetzentwurf wurde in einen zustimmungsbedürftigen und einen zustimmungsfreien Teil aufgespalten. Der nunmehr vorliegende Gesetzesbeschluss bedarf nach Ansicht des Bundestages nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Ute Schäfer (SPD) forderte die Länderkammer dazu auf, den Weg zu einem zügigen Ausbau der Tagesbetreuung frei zu machen. Man sei sich einig über das Ziel des Gesetzes, schließlich gehöre der Ausbau der Kinderbetreuung derzeit zu einer der wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgaben und stelle einen bedeutenden Bestandteil nachhaltiger Familienpolitik dar. Bedarfsorientierte und qualifizierte Tagesbetreuung sei ein wesentlicher Baustein zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die dadurch mögliche Erleichterung einer "Pro-Kind-Entscheidung" habe auch langfristig eine gesamtgesellschaftliche Wirkung auf die demographische Entwicklung. Dies dürfe nicht durch weitere Debatten verzögert werden, so Schäfer, die herausstellte, dass in dem Gesetz lediglich jetzt schon geltende Pflichtaufgaben der Kommunen konkretisiert und modifiziert werden.
Auch Bayerns Familienministerin Christa Stewens (CSU) betonte die elementare Bedeutung des Ausbaus der Kinderbetreuung. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse verbessert werden - Bayern sei auf diesem Wege Vorbild. Der vorliegende Gesetzentwurf hingegen sei enttäuschend. Es gebe keine klare Finanzierungsgrundlage für die Länder. Die vom Bund avisierten Entlastungen durch Hartz IV seien zeitlich unklar und in ihrer Höhe unsicher, kritisierte sie und forderte eine Abkopplung der Tagesbetreuungsfinanzierung von Hartz IV. Die Zeche der kommunenfeindliche Politik von Rot-Grün zahlten schließlich die Eltern, die aufgrund gestiegener Betreuungskosten ihre Kinder von den Kitas abmelden würden. Damit seien schlussendlich die Kinder die Verlierer. Stewens stellte fest: "Die Bundesregierung hat kein Herz für Kinder!" Eine Bemerkung, die ihr einen aufgebrachten Zwischenruf des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) einbrachte - eine in der Länderkammer eher unübliche Gefühlsbekundung. Davon unbeeindruckt kritisierte die bayrische Familienministerin die Aufspaltung des Gesetzes. Ihrer Ansicht nach seien die Regelungen in jeden Falle zustimmungspflichtig. Schließlich maße sich der Bund die Definitionshoheit an und mische sich in kommunale Angelegenheiten ein.
Dieses Gesetzgebungsverfahren, so der schleswig-holsteinische Finanzminister Ralf Stegner (SPD), sei ein Lehrstück für die Missachtung der Probleme künftiger Generationen wie auch für parteipolitisch motiviertes Handeln. Nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Geburtenraten sei der Generationenvertrag in Gefahr, doch man streite sich weiterhin über Zuständigkeiten und Verfahrensfragen. Der Bürger habe die Zuständigkeitsdebatte satt - jungen Eltern sei es verständlicherweise egal, wer für dringend notwendige Leistungen wie den Ausbau der Kinderbetreuung zahle.
Familienministerin Renate Schmidt verteidigte die Aufspaltung des Gesetzes, sie sei "sachgerecht und zulässig". Die Trennung sei notwendig, weil der Ausbau der Tagesbetreuung schnell auf den Weg gebracht werden müsse. Bei den Fragen der Jugendhilfe hingegen sei eine weitere Diskussion möglich. Die von der bayrischen Familienministerin angemahnte Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates könne sie nicht erkennen, ebenso sei die Finanzierung gesichert. Eine Revisionsklausel stelle sicher, dass die Länder durch Hartz IV um 2,5 Milliarden Euro entlastet würden. Das ständige Hinterfragen dieser Entlastung könne sie nicht mehr nachvollziehen, so die Bundesfamilienministerin, die nochmals klarstellte, dass mit dem Gesetz keine neuen Pflichten auf Ländern und Kommunen zukämen. Es würden lediglich seit 13 Jahren geltenden Vorschriften, die bisher nicht umfassend umgesetzt wurden, konkretisiert und modifiziert. Die Länder hätten es in der Hand gehabt, so abschließend Renate Schmidt, doch in den letzten 13 Jahren sei zu wenig passiert, deshalb habe der Bund tätig werden müssen.