Den Kern bilden die Abgeordneten des Bundestags und der Landesparlamente sowie die 99 deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments. Darüber hinaus sind die Regierungsmitglieder, die Bundesverfassungsrichter, sämtliche (Ober-) Bürgermeister in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern, die Vorstands- und Präsidiumsmitglieder der in mindestens einem Parlament vertretenen Parteien sowie die Spitzenfunktionäre ausgewählter kommunaler und sonstiger Interessenverbände berücksichtigt. Als Anhänge finden sich Mitgliedslisten der jeweiligen Institutionen, teils mit zusätzlichen Informationen wie etwa Wahlergebnissen.
Die Einträge folgen in ihrem Aufbau weitgehend dem Muster des erwähnten Handbuchs der Bundestagsmitglieder: Nach Angaben zur schulischen, beruflichen und universitären Ausbildung finden sich Informationen zum beruflichen Werdegang, zu Parteimitgliedschaften und Parteifunktionen; danach werden die Parlamentsmitgliedschaften und die Exekutivpositionen in ausführlicher Form aufgelistet.
Der Bearbeiter Bruno Jahn, der schon als Redaktionsleiter entscheidenden Anteil am Zustandekommen des MdB-Handbuchs hatte, hat jedoch beim Handbuch der Politik durch typografische Mittel für eine klarere Gliederung gesorgt. So sind Ehrenämter, Aufsichtsratsfunktionen, kommunale Positionen, Parteikarriere, Parlamentszugehörigkeit und Ministerämter auf den ersten Blick ersichtlich. Dem Aktualitätsbezug entsprechend folgen auf Geburtsdatum und -ort die (höchste) zur Zeit ausgeübte politische Funktion und die Kontaktkoordinaten. Das Handbuch ermöglicht so einen schnellen Zugriff auf die Viten des politischen Führungspersonals in Deutschland. Dabei erfasst es über den politischen Kernbereich hinaus auch Teile der Rechts-, Wirtschafts- und Verbandseliten. Die Aktualität der Angaben macht den Doppelband für Nutzer aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft zu einem geeigneten Hilfsmittel.
Allerdings ist diese gegenüber herkömmlichen biografischen Lexika scheinbare Stärke zugleich auch seine große Schwäche. Mit dem Redaktionsschluss 31. Oktober 2003 ist das Handbuch bereits bei seinem Erscheinen nicht mehr aktuell gewesen. Hinzu kommt, dass bei den meisten Biografien die Handbucheinträge nur punktuell über die auf den jeweiligen Websites oder anderweitig zugänglichen Informationen hinaus gehen. Dies mag erklären, weshalb sich das Vorwort über die herangezogenen Quellen ausschweigt.
Offenbar ist aber auch nicht versucht worden, fehlende Informationen etwa bei Lücken in der Vita oder zum Parteieintritt zu recherchieren. Damit stellt sich umso schärfer die Frage nach der Konzeption. Im Unterschied zur übergroßen Mehrheit der biografischen Lexika ist das Handbuch hinsichtlich seines Untersuchungsgegenstands nicht längsschnittlich angelegt, sondern bietet einen Querschnitt. Dieser Ansatz ist in Zeiten des Internets zumindest problematisch, wenn der systematischen Aufbereitung des Quellenmaterials für eine Momentaufnahme des politischen Führungspersonals anno 2003 nicht ein Wert an sich zugesprochen wird.
Besondere Bedeutung kommt der inhaltlichen Bestimmung von Führungspositionen zu. Das Handbuch folgt hier scheinbar dem Positionsansatz in der Elitenforschung. Danach ergibt sich die Zugehörigkeit zur Elite durch die Position, die eine Person einnimmt. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass in modernen Gesellschaften der Zugang zu Macht und Einfluss über Positionszuweisungen geregelt ist.
Vor diesem Hintergrund mutet aber die vorgenommene Positionsauswahl fragwürdig an. Weshalb der gesamte 35-köpfige FDP-Landesvorstand in Mecklenburg-Vorpommern die Politik in Deutschland gestalten soll, obwohl die Partei nicht einmal im Landtag vertreten ist, erschließt sich nicht unmittelbar. Im Ergebnis wird das biografische Handbuch an dieser Stelle ad absurdum geführt, denn zu Dutzenden von Landesvorstandsmitgliedern beschränken sich die Angaben auf die Geburtsdaten und die Parteizugehörigkeit.
Der Respekt vor der gewaltigen Leistung, die Jahn und seine Mitarbeiter bei der Sichtung und Aufbereitung des Datenmaterials erbracht haben, verbietet ein scharfes Urteil über das wohl präzedenzlose Wagnis eines aktuellen biografischen Handbuchs der deutschen Politik. Paradoxerweise könnte es mit schwindender Aktualität sogar an Bedeutung gewinnen - zunächst als Nachschlagewerk, im Falle eines nach gleichem Muster erarbeiteten späteren Querschnitthandbuchs aber auch für Analysezwecke.
Voraussetzung dafür dürfte aber wohl sein, dass auf die Buchveröffentlichung die Bereitstellung computerlesbarer Daten etwa auf CD-ROM folgt. Gleichwohl bleiben Zweifel, ob Aufwand und Ertrag hier in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Eines jedoch ist sicher: Den einmal mehr prohibitiven Preis des Saur Verlags von annähernd 400 Euro rechtfertigt das zweibändige Werk nicht.
Bruno Jahn (Bearbeiter)
Biographisches Handbuch der deutschen Politik.
K. G. Saur, München 2004; zwei Bände mit zusammen 1262 S., 398,- Euro