Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), Regierungschef des Freistaates Thüringen, wächst immer mehr in die Rolle eines Sprechers der ostdeutschen Länder hinein und er ist dabei, die entsprechende Lücke zu schließen, die Kurt Biedenkopf mit seinem Rücktritt als Ministerpräsident des Freistaates Sachsen aufgerissen hat. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit von Biedenkopf-Nachfolger Georg Milbradt ist Althaus der einzige ostdeutsche Länderchef, der noch mit einer absoluten Mehrheit sein Land regiert - wenn auch nur mit einer Stimme.
Doch das erklärt nicht allein seine starke Stellung unter den ostdeutschen Regierungschefs und der der Union angehörenden Ministerpräsidenten im Bundesrat. Dieter Althaus gilt längst als ostdeutscher Hoffnungsträger der CDU, der im Fall eines Wahlsieges der Union im Jahr 2006 auch für hohe bundespolitische Ämter gehandelt wird. Auf dem 18. Parteitag der CDU Deutschlands Anfang Dezember in Düsseldorf erhielt Althaus bei der Wahl der Beisitzer zum Bundesvorstand die meisten Stimmen. Und bis Oktober kommenden Jahres ist Althaus auch 1. Vizepräsident des Bundesrates.
Immer häufiger mischt sich der Erfurter Regierungschef in bundespolitische Debatten ein und vertritt mit seiner verbindlichen Art mit großem Nachdruck ostdeutsche Interessen. Der frühere Gymnasiallehrer ist außerdem fest in seiner katholischen Kirche verankert. So verwundert es nicht, dass er auch die Bühne des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), in das er jüngst wiedergewählt worden ist, für seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen nutzt.
Wie nur wenige Ministerpräsidenten nutzt Dieter Althaus die Medien, zu denen er ein ebenso gutes wie zurückhaltendes Verhältnis pflegt. Das hat seine häufige Präsenz in den Nachrichtensendungen der TV-Anstalten zur Folge. Aber auch für die Printmedien ist der Regierungschef stets zu sprechen. Nicht zuletzt ein Verdienst seines Regierungssprechers Uwe Spindeldreiher, den er von seinem Vorgänger Bernhard Vogel übernommen hat, und der dafür sorgt, dass Althaus nicht nur landespolitisch wahrgenommen wird.
Im Ringen um eine neue föderale Balance in der Bundesrepublik Deutschland formuliert Ministerpräsident Althaus die Ängste der neuen Bundesländer im Blick auf den bis 2019 vereinbarten Solidarpakt II mit einem Gesamtvolumen von 52 Milliarden Euro. Angesichts der chronischen Finanznot des Bundes fürchtet er, dass der Bund versuchen könnte, einen Teil dieser zugesagten Mittel wieder rückgängig zu machen. Getreu der alten Regel "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", möchte er diesen Betrag im Rahmen der Föderalismusreform gern festgeschrieben haben. Wenn schon nicht im Grundgesetz selbst, dann wenigstens in einer anderen, aber rechtlich verbindlichen Form.
Angelegt hat sich Althaus jüngst auch mit Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), der den neuen Bundesländern vorwarf, Solidarpaktmittel nicht ordnungsgemäß zu verwenden. Zu oft würden diese Gelder nicht zur Verbesserung der Infrastruktur, sondern zum Stopfen von Haushaltslöchern benutzt. "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", sagt Althaus: "Dass wir seit drei Jahren mit immer weniger Steuereinnahmen zu kämpfen haben und deshalb gezwungen sind, einen Teil der Solidarpakt-Mittel anders zu verwenden, als wir es gerne täten, haben wir der Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen-Bundesregierung zu verdanken."
Gerade Eichel solle sich mit seinen Vorwürfen zurückhalten, so der Ministerpräsident: "Wer mehr und mehr Schulden macht, anstatt seine Hausaufgaben zu erledigen, betreibt in höchstem Maße Zweckentfremdung von Steuermitteln. Immer mehr Geld geht für die Zinsen drauf, die Eichel zu zahlen hat." Aus seiner Sicht sind die Ablenkungsmanöver des Bundesfinanzministers "unerträglich". Immer wenn Rot-Grün in Bedrängnis gerate, starte die Bundesregierung neue Versuche, die Probleme in den jungen Ländern abzuladen: "Das hat inzwischen Methode. Der peinliche Versuch, den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober abzuschaffen, war der deutlichste Beweis für die Haltung der Bundesregierung zur inneren Einheit Deutschlands."
Längst hat Erfurt auch Brüssel entdeckt. Diese Tage traf sich Althaus in der europäischen Hauptstadt mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission Günter Verheugen und dem tschechischen Kommissar Vladimir Spidla, der für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit zuständig ist. Beide versicherten ihrem Gast, dass Thüringen als Höchstfördergebiet eingestuft bleibe. Für ihn ist es nun wichtig, dass sich der Bund bei seinen EU-Beiträgen auf die Forderungen der Kommission zubewegt, denn davon hänge auch die Förderhöhe ab. Nach Althaus braucht Deutschland innerhalb der Europäischen Union viel mehr Existenzgründer und mehr Bewegungsspielraum für den Mittelstand: "Dafür müssen wir mehrere Hürden senken - steuerrechtliche, arbeitsrechtliche und bürokratische."
Selbstverständlich kam Althaus, der auch mit dem Generalsekretär der Kommission der europäischen Bischofskonferenzen, Prälat Noel Treanor, führte, nicht mit leeren Händen nach Brüssel. Er lud zu einem traditionellen Thüringer Adventskonzert in die Kirche Notre-Dame au Sabion ein. 600 Gäste folgten der Einladung, wobei sich der Ministerpräsident wunderte, wieviel Thüringer bereits in Brüssel leben - entweder als Mitarbeiter der europäischen Institutionen, der Wirtschaft oder den Verbänden.
Er lenkt nicht nur den Blick auf den Bund und Europa, sondern behält Thüringen fest im Blick. So war es für ihn eine besondere Freude, dass sich Lufthansa und Rolls-Royce entschieden haben, ihre Triebwerkswartung nach Arnstadt zu verlegen. Althaus: "Ich bin davon überzeugt, dass diese Ansiedlung weitere Investitionen nach sich ziehen wird. Luftverkehr und Luftfahrtindustrie sind Zukunftsbranchen. Wenn wir auch in diesem Bereich zu einer ersten Adresse werden, ist das für die Wirtschaftsentwicklung des Landes von großem Vorteil. Schon heute zeigt sich, wie wichtig es ist, die Wirtschaft mehrgleisig voranzubringen."
Freilich darf die Gesellschaftspolitik nicht vergessen werden. So hat sich Althaus jüngst wieder in die Debatte um die Integration der Migranten eingeschaltet. Es sei kurzsichtig, diese Diskussion auf die Frage der Deutschkenntnisse zu verkürzen: "Selbstverständlich müssen die, die hier leben wollen, die deutsche Sprache lernen, genauso wichtig ist es jedoch, dass sie in vollem Umfange unsere Rechtsordnung respektieren." Integrationsbereitschaft muss aus seiner Sicht auf beiden Seiten herrschen: "Wer meint, er könne innerhalb einer Gruppe oder eines Wohngebietes seine eigene Rechtsordnung durchsetzen, ist fehl am Platze."