Der Gesetzentwurf des Justizministeriums sieht eine uneingeschränkte Geltung von Patientenverfügungen als Instrument der Selbstbestimmung vor. Demnach solle es keine Reichweitenbegrenzung der Verfügungen geben, die als rechtsverbindliche Willenserklärungen von Betreuern und Ärzten umzusetzen sind. Dabei ist keine regelhafte Kontrolle durch das Vormundschaftsgericht vorgesehen. Dies gilt auch für andere förmliche Wirksamkeitsvoraussetzungen. Nach Plänen des Ministeriums soll der Entwurf bis Anfang 2006 umgesetzt werden.
Der Vorsitzende der Enquete-Kommission René Röspel (SPD) forderte eine starke Einbindung des Parlaments in den weiteren Gesetzgebungsprozess. Ähnlich wie beim Stammzellgesetz müsse es eine breite parlamentarische Debatte auf der Grundlage des Zwischenberichts der Enquete-Kommission geben. Die Ergebnisse sollten dann in die Gesetzesvorlage einfließen. Die Mehrheit der Kommission habe sich für einen Kompromissweg zwischen zwei Sondervoten entschieden. So sollten Patientenverfügungen künftig grundsätzlich anerkannt werden. Zugleich seien ihre Grenzen klar zu bestimmen. Die Geltung von Patientenverfügungen, die einen Behandlungsabbruch oder
-verzicht vorsehen, der zum Tode führen würde, soll demnach auf Fallkonstellationen beschränkt werden, in denen das Grundleiden irreversibel ist und trotz medizinischer Behandlung nach ärztlicher Erkenntnis zum Tode führen wird. Maßnahmen der Basisversorgung können - so die Empfehlung der Kommission - nicht durch Patientenverfügung ausgeschlossen werden. Der Wille des Patienten, der in schriftlicher Form vorliegen muss, bedürfe zudem einer Interpretation in der konkreten Situation. Hinzugezogen werden sollen dazu der Arzt, Angehörige, Pflegepersonal und Betreuer sowie das Vormundschaftsgericht.
Diese Grenzen seien wichtig, so auch der stellvertretende Vorsitzende Hubert Hüppe (CDU). Sonst könnten die Betreuer und Ärzte auch von dem "mutmaßlichen Willen" des Patienten ausgehen: "Das wäre gefährlich." Hüppe wies in diesem Zusammenhang auf Erfahrungen und Berichte aus den Niederlanden hin. Es wäre im Übrigen besser, wenn man den Schwerpunkt in der Diskussion auf die Palliativmedizin legen würde, sagte er. Auch Christa Nickels, Obfrau der Grünen in der Kommission, bezeichnete die Diskussion über die Patientenverfügungen als eine Stellvertreterdebatte, die zum Beispiel von Problemen der menschenwürdigen Begleitung von Sterbenden und der Förderung der Infrastruktur für die Palliativmedizin ablenke. Deutschland habe in dieser Hinsicht im europäischen Vergleich einen Nachholbedarf. Zugleich kritisierte sie den Zypries-Entwurf als "Türöffner zur aktiven Sterbehilfe". Für den Obmann der CDU/CSU Thomas Rachel bedeutet der Entwurf der Justizminis-terin eine Ausweitung der jetzigen Rechtslage.
Unterstützung fand Zypries hingegen bei Michael Kauch von der FDP, der für ein Minderheitsvotum in der Enquete-Kommission plädierte und sich für eine grundsätzliche Anwendung der Patientenverfügung einsetzte.
Der Obmann der SPD Wolfgang Wodarg wies auf die Probleme mit dem bereits bestehenden Markt für Patientenverfügungen hin. Inzwischen würden 180 Formulare angeboten. Es bestehe die Gefahr, dass Menschen "verführt" werden, Patientenverfügungen zu unterschreiben. Michael Wunder, sachverständiges Mitglied der Kommission, warnte in diesem Zusammenhang vor einer Regelung, die den Patienten zum Sklaven der einmal gemachten Verfügung macht. Es dürfe keinen 1:1-Mechanismus geben, der zu einer "kaltschnäuzigen" Ausführung der Verfügung führen könnte. Vielmehr müsse es situative Regelungen geben.
Eberhard Klaschik, sachverständiges Mitglied der Kommission, warnte vor einer Verabsolutierung der Patientenverfügung auf dem "Zypries-Weg". Aus der Praxis mit Krebspatienten wisse er, dass die Kranken vor allem eine adäquate Behandlung und Schmerzfreiheit brauchen: "Patienten, die gut behandelt werden, wollen leben."