Es gibt Dinge, die es eigentlich gar nicht geben kann. 1955 und 1956 baute die deutsche Jacht-& Bootswerft Burmester zwei Patrouillenboote und schickte sie auf die Reise nach Israel. Rüstungsgüter, deren Herstellung Deutschland damals eigentlich noch untersagt war. Die deutsch-israelische Rüstungskooperation feiert in diesem Jahr 50. Geburtstag, die diplomatischen Beziehungen lediglich den 40. Klarer kann es kaum zum Ausdruck kommen: Deutsch-israelische Beziehungen sind nicht nur besondere, sie sind auch von vielen Besonderheiten geprägt.
Zwei Merkmale prägen diese Kooperation: Weitgehende Geheimhaltung und der Nutzen auf Gegenseitigkeit. Beide Staaten wollten in den 50er-Jahren so schnell wie möglich schlagkräftige Armeen aufstellen. Deutschlands Interesse am Aufbau rüstungswirtschaftlicher Kapazitäten und Israels Interesse an einem günstigen, zuverlässigen und seiner Existenz verpflichteten Lieferanten ließen sich in Deckung bringen. Bereits 1958 vereinbarten Shimon Peres und Franz Josef Strauß weitere Rüstungslieferungen nach Israel. Als diese deutsch-israelischen Geschäfte öffentlich wurden, drohten die arabischen Staaten mit diplomatischen Konsequenzen, unter anderem mit der Anerkennung der DDR. Israel forderte ein Ende der deutsch-ägyptischen Rüstungszusammenarbeit. Konrad Adenauer entsandte als Teil seiner Lösungsstrategie den Thyssen-Manager Kurt Birrenbach als "Sonderbeauftragten des Bundeskanzlers für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen" nach Israel. Die Rüstungskooperation bekam eine Katalysatorfunktion für die Aufnahme offizieller Beziehungen.
Beide Seiten betrachteten die Kooperation über kurze und informelle Wege von Anfang an als beste Strategie. Noch 1991 hielt das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) fest: "Seit Beginn der Zusammenarbeit mit Israel ist es ständige Praxis aller Regierungen gewesen, diese Kooperation möglichst wenig öffentlich zu gestalten oder zu formalisieren." Das minimierte den Einfluss öffentlicher Kontroversen in beiden Staaten über die deutschen Verbrechen im Krieg und den Holocaust auf die Zusammenarbeit sowie das Risiko, die Beziehungen zu anderen Kooperationspartnern wie den arabischen Staaten zu belasten.
Auf der Strecke blieb die parlamentarische und demokratische Kontrolle. Zumindest bis gegen Ende der 80er-Jahre wurde die Kooperation oft über Bundesnachrichtendienst (BND) und Mossad koordiniert oder abgewickelt. Das belegen skandalträchtige Beispiele wie die deutsche Bestellung israelischer Störsendertechnik für den Jagdbomber Tornado am Bundestag vorbei - Codewort "Cerberus" - in den 80er-Jahren und die Lieferung von NVA-Waffen an Israel als "land- und forstwirtschaftliches Gerät" 1991.
2002 bekräftigte Kanzler Schröder die Sonderstellung Israels: "Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird."
Im deutsch-israelischen Geschäft zum gegenseitigen Nutzen dominierten in den ersten Jahrzehnten zwei Formen der Zusammenarbeit: Die Lieferung von Waffen aus Deutschland nach Israel und die gemeinsame Auswertung sowjetischer Waffentechnologie. Später kam der Israel Devisen bringende Kauf israelischer Rüs-tungsgüter durch die Bundeswehr hinzu. Deutschland lieferte Israel anfangs Waffen der Wehrmacht und ältere US-Panzer, die für den Aufbau der Bundeswehr nicht gebraucht wurden. Später folgten modernisierte Modelle. Manche Lieferung erfolgte über Umwege: Noratlas-Transportflugzeuge erreichten Israel über Frankreich; U-Boote des Typs Gal wurden nach deutschen Plänen von deutschen Ingenieuren in Großbritannien zusammengebaut, Schnellboote in Frankreich "endmontiert". Doch eine Einbahnstraße Richtung Israel war dies nicht. Das zeigt die Kooperation bei der Auswertung sowjetischer Waffentechnologie seit 1967. Bis weit in die 80er-Jahre stellte Israel Beutewaffen und Auswertungsberichte über beschlagnahmte Rüstungsgüter Deutschland zur Verfügung. Drei Kriege 1967, 1973 und 1982 sorgten für neuen Nachschub. Die Bundeswehr und die deutsche Rüstungsindustrie profitierten erheblich. Die Erkenntnisse wurden für die Planung deutscher Waffen benutzt: Sowjetische T-62-Panzer und BMP-1-Schützenpanzer standen Pate, als der Leopard-Panzer und der Schützenpanzer Marder entwickelt wurden. 1991 sagte der Parlamentarische Staatssekretär im BMVg, Willi Wimmert: "Wir haben daraus großen Nutzen gezogen."
Technische Fortschritte, die bundesdeutsche Rüstungsfirmen machten, wurden oft auch in Israel genutzt. Israelische Rüstungsunternehmen übernahmen in den 70er- und 80er-Jahren wesentliche Neuentwicklungen, die sie heute teils als Eigenentwicklungen erachten. Dazu gehören Reaktiv-Panzerungen und die 120-Millimeter-Glattrohrkanone des Leopard 2. Geheimhaltung blieb weiterhin ein Markenzeichen der Zusammenarbeit: Als aus dem AEG-Werk Wedel 1986 modernste Stabilisierungssysteme für Panzertürme geliefert werden sollten, gab es die Anweisung an die Beschäftigten: "Auf allen Einzelteilen (...) darf kein AEG-Zeichen vorhanden sein."
Der Golfkrieg 1991 mit seinen irakischen Scud-Angriffen auf Israel führte erneut zu einer Welle kostenloser deutscher Waffenlieferungen an Israel. Die Bundesregierung schenkte Israel zwei modernste Flugabwehr-Batterien vom Typ Patriot sowie acht Spürpanzer Fuchs. Wichtiger noch war die Finanzierung eines alten israelischen Wunsches: Zwei U-Boote des vom deutschen Ingenieurbüro IKL für Israel entwickelten Typs Dolphin. Später kam die Teilfinanzierung für ein drittes hinzu. Sie wurden 1998 bis 2000 geliefert, in Israel aufwändig umgebaut und in Dienst gestellt. Sie verfügen neben sechs Standard-Torpedorohren über vier größere Torpedorohre vom Kaliber 650 Millimeter. Als diese Tatsache bekannt wurde, begannen intensive Diskussionen, ob Israel die deutschen U-Boote umrüstet, um aus den großen Torpedorohren Nuklearwaffen zu verschießen und sich ein seegestütztes Abschreckungspotential zuzulegen.
Nützlich erwies sich Deutschland für Israel auch als direkter Devisenbringer. Seit den 70er-Jahren waren deutsche Rüstungsbestellungen bei israelischen Industrie eine wichtige Geldquelle für Israel. Für Munitionslieferungen flossen von 1973 bis 1989 rund 800 Millionen Euro. Das Cerberus-Projekt brachte über 500 Millionen Euro. Nach der Vereinigung Deutschlands, dem Ende des Kalten Krieges und den Erfahrungen mit den Golfkriegslieferungen war die Bundesregierung bestrebt, die Zusammenarbeit mit Israel an die Form der Zusammenarbeit mit anderen Staaten anzupassen. Ziel war es, stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die Rüstungskooperation zu gewährleisten, direkte finanzielle Hilfen aber zu vermeiden.
Dies schien möglich, weil die industrielle Rüstungskooperation mittlerweile deutlich mehr Dynamik zeigte. Unternehmen beider Staaten erkannten früh die Chancen, die ihnen eine Kombination ihrer Stärken auf den Rüstungsmärkten eröffnen würde. Die deutsche Industrie besaß die Fähigkeit zur Systemintegration und zur Modernisierung von Waffensystemen nach NATO-Standards. Israelische Unternehmen verfügten unter. anderem über hochmoderne militärische Komponenten in den Bereichen Avionik, Sensorik, Kommunikationselektronik und elektronische Kampfführung. Gemeinsam konnten sich zum Beispiel die deutsche DASA und die israelische Elbit 1999 den Auftrag zur Modernisierung von 39 griechischen Phantom-Kampfflugzeugen sichern.
Eine zweite Chance bestand darin, gemeinsam neue Märkte zu erschließen oder Schlüsselkomponenten in Staaten zu exportieren, die sonst nicht ohne weiteres bedient werden konnten. So gelangten deutsche Rüstungsgüter über Israel nach Indien, Sri Lanka oder in die Türkei. Umgekehrt öffnete sich für israelische Firmen über ihre deutschen Partner der vielversprechende europäische Markt. Seit 1995 bieten Zeiss Optronik und die israelische Firma Rafael gemeinsam die Aufklärungs- und Zielerfassungssysteme Litening Pod und Recce Lite an. Rafael, eine israelische Firma, offeriert seine Panzerabwehrrakete Spike seit 1998 in Europa über das Konsortium Eurospike. Für europäische Kunden übernehmen deutsche Firmen wie Atlas Elektronik, Diehl Munitionssysteme und Rheinmetall DeTec wesentliche Teile der Produktion. Für die israelische Rüstungsindustrie ist der europäische Markt von zentraler Bedeutung, denn sie ist in hohem Maß exportabhängig. 2003 erklärte Yossi Ben-Hanan, Direktor der Exportagentur des israelischen Verteidigungsministeriums (SIBAT), dass jährliche Exportaufträge im Wert von etwa zwei Milliarden Euro notwendig seien, um die Kapazitäten Israels auszulasten. Von israelischer Seite besteht natürlich weiter ein starkes Interesse, traditionelle, devisensparende Kooperationsformen mit Deutschland weiterzuführen. So hofft man derzeit, rund 100 gepanzerte Truppentransporter vom deutschen Typ Dingo-2 mithilfe amerikanischer Militärhilfemittel zu finanzieren und mit Deutschland ein vorteilhaftes Finanzierungsmodell für zwei weiterentwickelte U-Boote vom Typ Dolphin auszuhandeln.
Die Rüstungskooperation wird ein wesentlicher und politisch brisanter Bestandteil der deutsch-israelischen Beziehungen bleiben. Unter den Gesichtspunkten einer restriktiven Rüstungsexportpolitik und der Nichtverbreitung bleiben Israel und seine Rüstungsindustrie problematische Partner. Israel gilt als unerklärte Atommacht in einer Krisenregion. Beim Vorgehen seiner Armee in den palästinensischen Autonomiegebieten kann eine erneute Verschärfung nicht ausgeschlossen werden. Es wäre fahrlässig von der Bundesregierung darauf zu hoffen, dass auch zukünftig wenige große Exportvorhaben wie zum Beispiel weitere U-Boote die Vielzahl der Geschäfte mit Rüstungskomponenten unter anderem für Kampfpanzer überlagern und aus der Diskussion halten werden. Die zunehmende rüstungspolitische Abstimmung in der EU wird dafür sorgen, dass die anderen EU-Staaten sich dieses Sonderverhältnis genauer anschauen.
Auf Dauer werden die traditionellen, legitimierenden Argumentationsmuster der Bundesregierung kaum greifen. Ein wachsender Teil der Kooperationsvorhaben mit Israel hat keinen direkten Bezug zur Sicherheit und zum Existenzrecht Israels mehr. Die gelieferten Rüstungskomponenten dienen auf beiden Seiten wirtschaftlichen und finanziellen Interessen. Mit dem Ausbau der industrieseitigen Kooperation bei Schlüsseltechnologien wächst die gegenseitige Abhängigkeit. Dies verträgt sich kaum mit einer pauschalen Duldung des bisher praktizierten Handelns des Partners. Auch eine unwissentliche Beihilfe zum Auf- oder Ausbau atomarer Kapazitäten oder zur Weiterverbreitung von Trägertechnologien an Drittstaaten würde mehr als die guten bilateralen Rüstungsbeziehungen erschüttern.
Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Christopher Steinmetz ist Diplom-Politologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei BITS (www.bits.de).