Das Parlament: Herr Trimble, welchen Einfluss haben Sie noch in den neuen Friedensgesprächen?
David Trimble : Ich bin nach wie vor politisch aktiv, wenn auch nicht so wie früher, aber immer noch Mitglied in der nordirischen Allparteienregierung. Ich bedauere, dass die zwei gemäßigten Parteien, die wesentlich zu dem Karfreitagsabkommen beigetragen haben, nämlich meine Partei und die SDLP (Social Democratic and Labour Party; Red.) von John Hume, heute nicht mehr die Mehrheit haben. Aus meiner Sicht war der Wahlausgang von 2003, bei der die DUP und Sinn Fein als Wahlsieger hervorgegangen sind, kein Schritt in die richtige Richtung.
Das Parlament: Warum nicht?
David Trimble: Weil wir seit November 2003 keine politischen Fortschritte mehr gesehen haben. Sinn Fein und die DUP sind dazu nicht fähig. Paisley wollte kein Abkommen, an dem auch Sinn Fein beteiligt wäre, und Sinn Fein hat es versäumt, eine transparente Strategie der Entwaffnung vorzulegen, weil sie nicht mit Paisley verhandeln wollten. Aber Sinn Fein wusste, dass dies der Preis für ihre Mitbeteiligung ist, der von der irischen und britischen Regierung gefordert worden war. Derzeit sind beide unfähig sich aufeinander zu zu bewegen. Jetzt wollen die irische und britische Regierung das Regionalparlament wiederbeleben, unter der Voraussetzung, dass sie es dieses Mal bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schaffen müssen. Es ist eine einmalige Chance, die der DUP und Sinn Fein angeboten wird.
Das Parlament: Wie beurteilen Sie den politischen Willen von Sinn Fein und DUP, sich erneut an einen Tisch zu setzen?
David Trimble: Ich hoffe, dass sich die irische und britische Regierung strikt an ihre Forderungen halten werden und nach dem Sommer ihre eigenen konkreten Vorschläge vorbringen, um den Stillstand aufzulösen. Es reicht aber nicht zu sagen: "Okay Leute, ihr müsst euch aufeinander zu bewegen und ihr müsst dies ändern, sonst habt ihr ein Problem mit uns." Das übt zwar einen gewissen Druck auf die zerstrittenen Parteien aus, aber es ist nicht genug, um wirklich etwas voranzutreiben. Es wäre besser für die britische und irische Regierung, konkreter zu werden. Das mag dann als Katalysator dienen, um den Stillstand zu brechen. Vielleicht passiert das ja im Oktober.
Das Parlament: Die DUP hat bereits einen weiteren zeitlichen Aufschub gefordert, falls der anvisierte Termin am 15. Mai platzt. Wäre ein alternativer Termin nicht sinnvoll?
David Trimble: Das wurde kürzlich im Londoner Parlament vorgebracht, aber sofort abgelehnt. Und so etwas muss immer abgelehnt werden. Wenn es immer ein permanentes Aufschieben gibt, dann werden diejenigen, die vorher unfähig waren Entscheidungen zu treffen, auch das nächste Mal daran scheitern. Mehr Zeit wird nicht benötigt. Es gab bereits genügend Zeit nachzudenken und miteinander zu reden. Die Frage ist doch, ob die Parteien die tatsächliche Fähigkeit dazu besitzen. Und ich bezweifle stark, dass sie dies unbegleitet tun können. Hier müssen die irische und britische Regierung eingreifen und ihnen diese Entscheidung abnehmen.
Das Parlament: Kürzlich wurde ein weiterer Bericht der Independent Monitoring Commission (IMC) veröffentlicht, einer Institution, die die paramilitärischen Aktivitäten beobachtet. Ihre Partei und andere Unionisten haben über Jahre die vollständige Entwaffnung der IRA gefordert. Ist das nun endlich geschehen?
David Trimble: Ich war sehr froh, als die IRA im vergangenen Jahr größtenteils entwaffnet hat. Das war ein sehr langer Streitpunkt, und es hat mich unendliche Mühen gekostet, sie dazu zu bewegen. Wir haben Fortschritte erzielt, aber leider nicht genug. Es gibt aber noch Zweifel an einer tatsächlichen völligen Entmilitarisierung und glaubhafte Annahmen, dass die IRA noch vereinzelt Waffen besitzt, vielleicht zu ihrer eigenen Sicherheit. Die IMC ist der Auffassung, dass die Existenz dieser Waffen aber nicht der Kontrolle von Sinn Fein unterliegt. Dennoch, Sinn Fein hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, und ihr Versäumnis, eine transparente Entwaffnung vorzuzeigen, bedeutet, dass für sie die Frage der Entwaffnung offenbar keine politische Rolle spielt. Unionistische Politiker trauen ihnen daher nicht.
Das Parlament: Was muss Sinn Fein tun, um zu zeigen, dass sie eine ernst zu nehmende politische Partei ist?
David Trimble: Was Sinn Fein tun muss, ist, die Menschen von ihren guten Absichten zu überzeugen - sich geheimnisvoll über die Frage der Entwaffnung zu verhalten, ruft genau das Gegenteil hervor. Den einzigen Weg, den ich für sie sehe, ist klar und deutlich das zu machen, was jeder normale demokratische Politiker auch macht, nämlich sich nicht an kriminellen Aktivitäten zu beteiligen. Es ist letzten Endes doch nicht wichtig, was die IMC sagt, sondern was die republikanischen Anführer sagen, und da gibt es bislang aber noch eine tödliche Stille. Zum Beispiel über den Mord der IRA an Robert McCartney in Belfast. Erst haben die Republikaner gesagt, wir sind nicht verantwortlich, aber sie wissen, wer es getan hat. Sie sollten der Polizei dabei helfen, die Verdächtigen zu fassen. Bislang ist nichts passiert. Und dass ist eine der Kernfragen, die die republikanischen Gruppen überwinden müssen - zu zeigen, dass man sie als Demokraten ernst nehmen kann. Aber ich glaube, sie realisieren gar nicht, was nötig ist, um dies zu erreichen.
Das Parlament: Und wie schätzen Sie die paramilitärischen Aktivitäten von extremistischen Loyalisten ein? Immerhin gab es ebenso Übergriffe und Anschläge von Terrorgruppen wie der Loyalist Volunteer Force.
David Trimble: Daran gibt es leider keinen Zweifel. Aber die loyalistischen paramilitärischen Gruppen spielen politisch keine Rolle, weil es lose Gruppen von kriminellen Gangs sind. Sie haben zwar auch politischen Anspruch reklamiert, dass ist aber eher eine Verkleidung. Sie haben keinerlei politische Unterstützung und keine Stimmen. Die republikanische Bewegung ist relevant, weil sie eine politische Unterstützung hat.
Das Parlament: Was sind für Sie die wichtigsten Änderungen in Nordirland seit dem Karfreitagsabkommen 1998?
David Trimble: Vor allem die Abwesenheit von Gewalt und der wirtschaftliche Fortschritt. Der Bombenterror und die politischen Morde sind vorbei, die Kriminalität findet auf kleinerer Ebene statt. Die Probleme, die wir heute haben, sind wirklich gering geworden im Vergleich zu denen anderenorts. Es gibt mehr Städte in Großbritannien, die größere Probleme mit Gewalt haben als Belfast. Effektiv haben wir Frieden und eine gewaltige Veränderung was die Lebensqualität angeht. Menschen in den 70er- und 80er-Jahren konnten sich hier nicht frei bewegen. Heute kann man jeden Abend bis am Morgen in die Kneipe gehen, ohne etwas zu befürchten.
Das Parlament: Wie viele Jahre werden die Menschen in Nordirland benötigen, um friedlich miteinander leben zu können? Die Übergriffe auf die Kinder der katholischen Holy Cross Schule in Belfast vor vier Jahren sind um die Welt gegangen und noch immer präsent.
David Trimble: Eine sehr schwierige Frage. Erst vor wenigen Nächten haben katholische Teenager in der Kleinstadt Lurgan, die zu meinem Wahlkreis gehört, protestantische Nachbarn mit Steinen bedroht und ihre Häuser demoliert. Es gibt nach wie vor so genannte "Schnittstellen", wo diese Probleme da sind oder sich schnell entwickeln können. Das passierte auch bei der Holy Cross Schule. Es gibt Differenzen in der nationalen Identität, und im Karfreitagsabkommen haben wir Vorschläge gemacht, wie man diesem Konflikt der nationalen Identitäten begegnen kann, aber für die Umsetzung braucht es noch Zeit. Wir haben es mit kleinen Gemeinden zu tun, die sich nach wie vor sehr gut daran erinnern können, wer wem was getan hatte - nicht nur im vergangenen Jahr oder Jahrzehnt, sondern auch was ihnen vor Generationen passierte. Und dies wird sich nicht so schnell ändern lassen. Es bedarf eines anderen Konzepts, wie man mit diesen lokalen Gemeinden arbeiten kann, so dass sie ihre Auffassungen ändern. Aber bei dem gegenwärtigen politischen Stillstand werden wir das nicht hinbekommen.
Das Interview führte Petra Tabeling