Vor 50 Jahren pendelt der 1923 in Wien geborene Fotoreporter Erich Lessing zwischen der DDR, Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn. Für das Magazin "Life" will er Reportagen aus den vier kommunistischen Staaten machen - "weil ich das Gefühl hatte, dass 1956 hier etwas passieren würde". Sein Gefühl sollte das Mitglied der legendären Fotografen-Kooperative "Magnum" nicht täuschen. Am 23. und 24. Oktober hört er in Warschau die Radiomeldungen über die beginnenden Unruhen in Ungarn. Über Wien macht er sich sofort auf den Weg in das brodelnde Budapest. In der ungarischen Hauptstadt liefern sich Aufständische erste Gefechte mit sowjetischen Panzern. Zu diesem Zeitpunkt ist Lessing der erste ausländische Journalist vor Ort. Die Szenen, die er beobachten kann, muten mitunter grotesk an: "In der ganzen Stadt fuhr ein Maler mit seinem Malerkasten auf einem Fahrrad herum; wann immer er einen eroberten Panzer oder ein Geschütz fand, malte er das neue, alte ungarische Wappen von der 1848er Revolution mit dem Andreaskreuz. Links wurde geschossen, recht wurde geschossen, und dieser Maler malte seine Andreaskreuze." Nach der Niederschlagung des Aufstandes kehrt Lessing im Dezember nach Ungarn zurück. Seine mit dem American Art Directors Award preisgekrönten Bilder aus dem Ungarn des Jahres 1956 sind nun in einem edel gestalteten Bildband zu bewundern. Texte zum Ungarn-Aufstand des Historiker Nicolaus Bauquet, des Journalisten Francois Fejtö, sowie des Schriftstellers György Konrad und Lessings selbst begleiten die 190 Fotografien.
Budapest 1956. Die Ungarische Revolution. Photographien von Erich Lessing. Texte von Erich Lessing, Francois Fetjö, György Konrád und Nicolas Bauquet. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2006; 248 S., 190 Abb., 39,90 Euro.