Einerseits passt sie nicht so ganz in die Zeit: In den Tagen und Wochen, da rechtsextremistische Übergriffe zunehmend Schlagzeilen produzieren, wirkt eine penible Arbeit über den ideologischen und organisatorischen Eifer, mit dem deutsche Kommunisten Einfluss auf die Politik der "alten" Bundesrepublik zu gewinnen versuchten, auf den ersten Blick geradezu anachronistisch. Andererseits haben sich Historiker nun nicht nach der aktuellen politischen Lage zu richten. Und dass es allemal noch notwendig ist, die Jahrzehnte der deutschen Teilung auch wissenschaftlich aufzuarbeiten, steht außer Frage.
Michael Roiks Studie, die an der Bonner Universität als Dissertation erarbeitet wurde, geht der Frage nach, ob und wie viel Einfluss westdeutsche Kommunisten auf die Bonner Politik zwischen den Jahren 1968 und 1984 ausübten. 1956 war die KPD von den Karlsruher Verfassungsrichtern verboten worden, weil sie verfassungswidrige Ziele verfolgte. Zwölf Jahre später lebte sie in neuem Gewand als DKP wieder auf. Politisch war das von allen parteipolitischen Strömungen in der Bundesrepublik so gewollt oder zumindest geduldet. Und das, obwohl allen bewusst war, dass hier keine eigenständige Organisation Auferstehung feierte - weder politisch noch finanziell eigenständig.
Der Autor schlägt große Bögen: Er geht den grundsätzlichen Anforderungen an eine streitbare Demokratie nach und schildert ausführlich die außen- und innenpolitischen Rahmenbedingungen, unter denen die westdeutschen Kommunisten an der kurzen Leine Moskaus und Ostberlins in der Bonner Republik sich zu entfalten versuchten. Roik geht der Interessenlage Moskaus und Ostberlins auf den Grund und bemüht sich, den Details der Parteiarbeit der DKP näher zu kommen. Das ist oft reichlich trockener Lesestoff, aber doch sehr informativ. Dabei taucht auch die eine oder andere bisher unbekannte Einzelheit auf, weil dem Autor auch DDR-Archive offen standen. Dass die DKP aber ein gehorsamer Vasall der sowjetischen und der ostdeutschen Bruderparteien war, ist nun wirklich nicht neu. Ebenso wenig die Tatsache, dass sie nie mehr als eine Statistenrolle ausfüllen konnte.
Erweist also Roik der DKP einfach der Ehre zuviel, wenn er einem misslungenen Parteienexperiment satte 360 Seiten widmet? Vielleicht, auch wenn Misserfolge es durchaus wert sein können, als solche analysiert zu werden. Bei der Lektüre kann man sich aber nicht des Eindrucks erwehren, dass Roik, seriös begründet, auch einem parteipolitischen Nachhutgefecht frönt. Eindringlicher als jeder anderen Facette des Themas widmet er sich dem Aspekt, wie die DKP die Friedensbewegung vor dem Hintergrund der Nachrüs-tungsdiskussion zu Beginn der 80er-Jahre zu unterwandern versuchte. Und hingebungsvoll geht er den Abgrenzungsproblemen der SPD in diesem Zeitraum nach. Nicht, dass die DKP sehr wohl den einen oder anderen "Achtungserfolg" errang, wozu Roik auch den "Krefelder Appell" gegen die Stationierung amerikanischer Raketen zählt. Und dass es der SPD Mühe bereitete, ihren Unvereinbarkeitsbeschluss aus dem Jahre 1979 auch an ihren diversen Provinzfronten zu verteidigen, ist ebenso nicht zu bestreiten.
Aber Spät-Doktorand Roik, Jahrgang 1950, kann einfach nicht verbergen, dass er jahrelang zu den engsten politischen Beratern des früheren CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Helmut Kohl gehörte. Er lässt sich allzu bereitwillig verleiten, immer wieder zu bekräftigen, was die Unionsparteien den Sozialdemokraten schon in den turbulenten Phasen der deutschen Ostpolitik, oft wider besseres Wissen, um die Ohren geschlagen hatten: auf dem linken Auge blind und immer wieder kommunistischen Schalmeienklängen erlegen zu sein. Wenn der Autor ein Vierteljahrhundert später auf die eine oder andere Portion nachträglicher parteipolitischer Rechthaberei verzichtet hätte, wäre es seiner Untersuchung gewiss nicht schlecht bekommen.
Michael Roik: Die DKP und die demokratischen Parteien 1968-1984. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2006; 396 S., 44,90 Euro