Das Saarland ist klein, kaum zu erkennen auf dem Globus. Doch Deutsche und Franzosen kämpften lange um die Herrschaft an der Saar. Erst am 27. Oktober 1956 schloßen sie mit den Luxemburger Verträgen einen Pakt, der den Frieden sichert. Seitdem gehört das Saarland zur Bundesrepublik. "Der heutige Tag ist von geschichtlicher Bedeutung", erklärte damals der deutsche Außenminister Heinrich von Brentano. "Unsere Völker schreiten jetzt einer besseren Zukunft entgegen."
Bis dahin war das Saargebiet immer wieder zum Zankapfel geworden - denn sein Boden ist reich an Rohstoffen. Von Ottweiler bis Völklingen bohren sich Schachtanlagen in die Erde, wurde Kohle und Erz gefördert. Qualmende Schornsteine prägen die Industriezentren, denn das Saargebiet war ein Zentrum der Stahlindustrie. Mit ihren gewaltigen Schmiedepressen produzierten die Hüttenwerke Stahl für ganz Frankreich und Deutschland. Wer darüber herrschte, kontrollierte auch militärisch eine bedeutsame Region.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten französische Behörden die Kohlegruben und ersetzten die Reichsmark durch den Franc. Die Wirtschaft des Saarlands gehörte nun zu Frankreich. Eine politische Vereinigung lehnten die Alliierten allerdings ab. Sie befürchteten ein neues Streitobjekt in der Mitte Europas. So blieb das Saarland autonom, überwacht von einem französischen Gouverneur. Bereits 1946 beantragten politische Gruppen ihre Zulassung. Genehmigt wurden Sozialdemokraten (SPS), Christdemokraten (CVP) und Kommunisten (KP). Eine liberale Partei des Saarlands (DPS) wurde erst erlaubt, nachdem sie den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich akzeptiert hatte. 1947 übernahm eine gewählte Regierung aus CVP und SPS die Amtsgeschäfte von der Militärverwaltung. Doch der endgültige Status des Saarlands blieb weiter ungewiss. Zunehmend belastete die Frage das deutsch-französische Verhältnis. 1950 wurden kritische Stimmen laut: Die DPS erklärte, dass das Saarland nur zur Bundesrepublik gehören könne. Kurz darauf wurde sie verboten. Bei den Landtagswahlen von 1952 rief sie daraufhin zum Wahlboykott auf. Jeder vierte Wähler gab einen leeren Wahlzettel ab, um gegen die politische Situation zu protestieren.
Zwei Jahre später erzielten Deutsche und Franzosen eine erste Einigung. 1954 unterzeichneten Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Premierminister Pierre Mendès-France die Pariser Verträge. Darin suchten sie eine europäische Lösung der Saarfrage. Die Vertretung des Saarlands sollte ein Kommissar übernehmen, der weder Franzose noch Deutscher war. Nach den Verhandlungen sagte Adenauer: "Wir sind zu einem brauchbaren Kompromiss gekommen, die politische Freiheit an der Saar wird wieder hergestellt." Ein Jahr später sollten die Saarländer über das Vertragswerk abstimmen können. Im Bundestag war die Vereinbarung mit Frankreich umstritten. Die SPD bezeichnete sie als "Tauschgeschäft", dem man auf keinen Fall zustimmen könne. Für die FDP bedeutete der Vertrag nichts anders als die Abtretung der Saar an Frankreich. Thomas Dehler, Fraktionsvorsitzender der FDP, erklärte 1955 im Bundestag: "Wir sind strikt gegen jede Europäisierung, wir sind strikt gegen jedes Volksbegehren." Auch in der Regierung aus CDU/CSU und FDP entwickelte sich das Abkommen zu einem dauerhaften Konflikt. Selbst CDU-Minister Jakob Kaiser stellte sich jetzt gegen Adenauer und unterstützte die Gegner des Saar-Abkommens. Vor der Volksabstimmung tobte im Saarland ein erbitterter Wahlkampf. Die Saarfrage spaltetes ganze Familien. Menschen gingen auf die Straße und Demonstrationen wurden mit Wasserwerfern aufgelöst. Die verbotene Opposition durfte sich an der Debatte beteiligen. Sie kämpfte für die Wiedervereinigung mit Deutschland und gegen die Pariser Verträge. CVP und SPS traten nachdrücklich für das Abkommen ein. Beide Seiten erklärten die Abstimmung zur Schicksalsfrage. Am 23. Oktober 1955 gaben 97,4 Prozent der Wähler ihre Stimme ab. Mit klarem Ergebnis: weg von Frankreich. Paris war schockiert, die Regierung gab jedoch bekannt, dass sie die Entscheidung des Volkes akzeptiere. Ein Jahr später, am 27. Oktober 1956, beschlossen französische und deutsche Delegierte die Luxemburger Verträge. Darin zogen sie die Konsequenz aus der Volksabstimmung. Zum 1. Januar 1957 kehrte das Saarland zurück in die Bundesrepublik. Der große Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich war endlich gelöst. Adenauer zeigte sich ergriffen: "Es ist ein Stück Wiedervereinigung gelungen, und zwar nicht mit Krieg und Drohung, sondern auf dem Wege einer echten Verständigung zweier Völker."