Einen Berliner wird man nicht ändern. Das gilt etwa für das Verhältnis des Hauptstädters zu der ihn prachtvoll umgebenden Kulturlandschaft. Bereits die Preußen musste man einst zum Kunstgenuss tragen. Zwar besaßen die Hohenzollern, wie andere Herrscherhäuser auch, seit Jahrhunderten einmalige Kunstschätze - eine öffentliche Präsentation derselben wäre ihnen jedoch nicht in den Sinn gekommen. Erst Karl Friedrich Schinkel sollte 1830 mit seinem bedeutenden Neuen Museum den Berlinern eine Gemälde- und Skulpturengalerie schenken - in Wien oder Dresden, aber auch in der Provinz waren derartige Einrichtungen damals längst selbstverständlich.
Prinzipiell hatte Friedrich Wilhelm II. gegen ein Museum gar nichts einzuwenden. Der Koalitionskrieg von 1792 hatte seine Geldschatulle allerdings derart geplündert, dass der König zunächst keine Möglichkeit zur Finanzierung sah. Vom Koalitionskrieg Friedrich Wilhelms redet heute kaum noch jemand. Schinkels Museumsbau jedoch, der den Grundstein zum UNESCO-Weltkulturerbe Berliner Museumsinsel legte, ist noch immer in aller Munde. An der nordwestlichen Spitze der bedeutenden Spreeinsel wurde am vergangenen Dienstag das Bode-Museum samt seiner berühmten Skulpturensammlung mit einem Festakt wiedereröffnet. Achteinhalb Jahre hatte die Sanierung des zwischen 1897 und 1904 von Ernst von Ihne errichteten Wasserschlosses gedauert. Jetzt ragt das neobarocke Sandsteingebäude wieder in voller Pracht aus den Flussarmen empor.
Eigentlich hätte das für rund 162 Millionen Euro vom Wiener Architekten Heinz Tesar sanierte Museum bereits vor zwei Jahren seine Pforten öffnen sollen. Doch wieder mal konnte man in Berlin den Zeitplan nicht einhalten. Und das war nicht der einzige Punkt, der zu Querelen geführt hatte. Auch um die Exponate und ihre Präsentation hatte es lebhafte Debatten gegeben.
Bei denen jedoch, die am Dienstag das Glück hatten, zu den geladenen Eröffnungsgästen zu gehören, verstummte das Klagen schon bald nach dem Eintritt. Bereits der erste Blick in die von einer großen Kuppel überwölbten Eingangshalle verdeutlicht, welches Juwel die Stadt mit diesem historischen Domizil für Skulpturensammlung, Byzantinisches Museum und Münzkabinett zurückbekommen hat. Statt typisch Berlinerische Bärbeißigkeit gab es also nur noch freudiges Strahlen. So schwärmte etwa der einstige Kultursenator Christoph Stölzl nach seinem ersten Rundgang durch die 64 neu hergerichteten Säle und Kabinette, dass in diesen geräumigen Hallen die Hauptstadt endlich nicht mehr nur "arm und sexy", sondern auch "würdig, anmutig und festlich" sei. Bundestagspräsident Norbert Lammert hob bei der Eröffnung die "überragende Bedeutung" der Sammlung hervor. "Stadt und Land dürfen sich beglückwünschen, dass es dieses Museum wieder gibt." Kulturstaatsminister Neumann verglich das Haus bei der Eröffnung gar mit dem Madrider Prado oder dem Pariser Louvre.
Bei aller Freude: Diese Analogie ist sicher nicht stimmig. Schließlich handelt es sich beim Prado und Louvre um Universalmuseen. Als reine Skulpturensammlung ist das dreigeschossige Bode-Museum tatsächlich mit keinem anderen Museum der Welt vergleichbar. Selbst der einstige Gründungsdirektor Wilhelm von Bode, der das Museum 1904 als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnete und der 1956 Namenspatron des Hauses wurde, dürfte eine solche Fülle an frei stehenden Skulpturen nicht gesehen haben. Rund 1.700 Werke von der Spätantike bis zum Klassizismus sind in diesen Schatzkammern zu bewundern. Eingebettet sind sie in Stilräume, mit denen einst die Museumsmacher der Belle Époque die Besucher für längst vergangene Zeiten sensibilisieren wollten.
Auf die aseptischen weißen Kuben der Postmoderne wird hier zugunsten von marmorierten Säulen, Holzfußböden und italienischen Kassettendecken, weißem Stuck und farbigen Tonfliesen verzichtet. Überall riecht es noch nach frischer Farbe und neuem Holz. Mochten Bodes Nachfahren diesen historistischen Kulissenzauber auch lange Zeit als aufgeblasenen Preußenkitsch schmälern; als dekoratives Gesamtkunstwerk für Skulpturen aus nahezu 15 Jahrhunderten ist dieser Repräsentationspomp durchaus angemessen.
Arne Effenberger, Direktor des Museums, jedenfalls nutzt diese Bühnenbilder, um vor ihnen gotische Madonnen, Renaissancebronzen oder venezianische Kruzifixe aufzubauen. Sparsam beschriftet und in zumeist freier Umgebung haben all diese Werke hier genügend Raum, um ihre einmalige Aura voll zur Entfaltung zu bringen. Gemächlich kann der Besucher nun zwischen den Bildwerken des koptischen Ägyptens, der italienischen Gotik oder des deutschen Mittelalters flanieren, kann Skulpturen Antonio Canovas oder Fresken Giovanni Battistas aus nächster Nähe bewundern.
Doch neben dieser Vielzahl räumlicher Figuren gibt es auch rund 150 Arbeiten aus den Beständen der Gemäldegalerie, die das skulpturale Werk pointiert kommentieren und in einen Dialog mit ihm eintreten. Der so genannte Gobelin-Saal, der von einem dunklen Chorgestühl eingefasst worden ist, ist sogar ausschließlich großformatiger Malerei des Barocks vorbehalten.
Nach der Neueröffnung der Alten Nationalgalerie im Dezember 2001 ist somit auch die Sanierung des zweiten Museums auf der Museumsinsel ein Erfolg. Als nächstes ist für 2008 die Fertigstellung des Neuen Museums vorgesehen, in dem die ägyptische Sammlung ihr Domizil beziehen soll. 2011 soll mit der Komplettsanierung des Pergamon-Museums begonnen werden, ein Jahr später wird das Alte Museum folgen. Und schließlich gibt es immer noch die Idee, alle Häuser mit einem Tunnel, einer so genannten "archäologischen Promenade", zu verbinden und das gesamte Ensemble mit einem Empfangsgebäude zu krönen. Ein Bonmot, das allein 60 Millionen Euro kosten soll und das der Bundesrechnungshof daher am liebsten einsparen würde. Solange es dieses Gebäude noch nicht gibt, wird man das frisch sanierte Bode-Museum durch die Haupthalle verlassen müssen. Dort erblickt man auf einem Sockel thronend ein Reiterstandbild des Großen Kurfürsten. Man braucht nicht lange das Standbild zu betrachten, um in des Fürsten Pferd einen erprobten Kampfwallach zu erblicken. Für ein Musenross fehlen dem Gaul schlicht die Flügel. In Preußen hat man vermutlich noch nie einen Pegasus geritten. Es besteht also auch für die Zukunft keine Gefahr, dass man sich vom Kunstgenuss wegtragen ließe. Das fehlende Kleingeld lässt einen an der Spree früher oder später immer wieder auf den Teppich zurückkommen.
Das Bode-Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstags bis 22 Uhr. Eintritt 8 Euro.