Es sind regnerische Tage in Nairobi. Die heftigen Niederschläge könnten die Delegierten im UN-Hauptquartier in Gigiri vergessen lassen, dass ihr Gastgeber ein Dürreproblem hat. Doch Kenias Vizepräsident Moody Awori gab den Gästen keine Gelegenheit, sich über den nassen Segen zu freuen. "Der Klimawandel bedroht Milliarden der ärmsten Menschen auf der Welt", sagte er bei der Auftaktveranstaltung am 6. November. "Am empfindlichsten reagieren die Volkswirtschaften in Afrika auf den Klimawandel, weil sie hauptsächlich agrarisch strukturiert sind." Die Menschen leben zum überwiegenden Teil von der Landwirtschaft. Klimaschwankungen bedrohen ihre Existenz. Spielt das Wetter nicht mit, bleiben die kunstvoll geflochtenen und gezimmerten Hochspeicher leer.
Afrika zeigt in diesen Tagen mit dem Finger auf die Industrieländer. Endlich einmal sind es nicht korrupte Diktatoren oder Kriegsfürsten, die sich auf der Anklagebank befinden, sondern die Industriestaaten, weil sie ihren Ausstoß von Treibhausgasen nicht drosseln und so der Welt eine globale Katastrophe bescheren. "Die reichen Nationen sind eine Gefahr für die Umwelt", titelte die Tageszeitung "Daily Nation" in Nairobi.
Wenn man jüngsten Studien glauben darf, dann steht dem armen Kontinent im Verlauf einer Generation ein Schreckensszenario bevor: Niederschläge werden immer unvorhersehbarer, sodass die Bauern nicht mehr wissen, wann sie säen und pflanzen können. Die Zahl der Dürren wird weiter zunehmen, während gleichzeitig ganze Landstriche ans Meer verloren gehen werden. Zu viel oder zu wenig Regen wird ganze Habitate vernichten. Die Folge: Artensterben, Wüstenbildung und die Massenflucht aus Küstenstreifen, deren Böden versalzen, wenn sie nicht komplett im Meer versinken. Eine solche Zukunft stünde Lagos in Nigeria, Alexandria in Ägypten oder Daressalam in Tansania bevor, glauben Experten. Tansania allein muss sich darauf einstellen, 2.000 Quadratkilometer Landfläche an den Indischen Ozean zu verlieren. Feuchtgebieten wie dem Okavango-Delta oder den Sümpfen des Sudd im Sudan droht die Austrocknung. Schon jetzt ist etwa der Lake Chad auf zehn Prozent seiner einstigen Fläche geschrumpft.
Viele der Entwicklungen sind hausgemacht, wie etwa die Trockenheit im Gastgeberland Kenia, das wider besseren Wissens mit der Abholzung seiner spärlichen Waldreste voranschreitet und damit Wasserspeicher vernichtet, die Regenbildung unterbindet und so zur Dürre beiträgt. Aber oft haben die armen Länder keine Alternative zur Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen. Und der Klimawandel - darüber scheinen die Experten sich einig zu sein - verschärft die ökologische Krise in Afrika dramatisch. Selbst in so entlegenen Orten wie Bukavu im Osten der Demokratischen Republik Kongo machen sich die Menschen Gedanken über den Klimawandel. Horst Gebbers, Chef der Chininfabrik Pharmakina in Bukavu, will einen langsamen Temperaturanstieg in der Region und im Lake Kivu vor seiner Haustür bemerkt haben. Die Folge: Seine Chinabaum-Plantagen sind stärker als früher von Pilzbefall bedroht.
Im Schnitt sind die Temperaturen in Afrika in den vergangenen hundert Jahren um 0,5 Grad angestiegen. Doch Kenia hat Regionen vorzuweisen, wo es 3,5 Grad wärmer ist als noch vor 20 Jahren. Hilfsorganisationen wie Oxfam oder die Stiftung New Economics schlagen in ihrem neuesten Bericht "Up in smoke 2" Alarm: Alle Bemühungen um eine Verbesserung der Lebenssituation der 800 Millionen Afrikaner würden durch den drohenden Klimawandel konterkariert. Milliarden an Entwicklungshilfe seien umsonst investiert worden, wenn der Anstieg der Temperaturen nicht gebremst werden könne.
"Schon heute ist Klimawandel in Afrika Realität", sagt nicht nur Achim Steiner, der deutsche Nachfolger Klaus Töpfers an der Spitze der UN-Umweltorganisation Unep. Nahrungsmittelengpässe in Folge von Dürren oder Überschwemmungen haben sich seit den 80er-Jahren verdreifacht. Allein 2005 waren 25 Millionen Afrikaner vom Hunger bedroht. "Die große Tragödie dabei ist, dass Afrika bei der globalen Erwärmung keine Rolle gespielt hat", meint Andrew Simms von der Stiftung New Economics. Unep-Chef Steiner weist etwa auf die drohende Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria hin. Die Malariamücke wandere aus tieferen Lagen in immer höhere Gefilde, weil dort die Temperaturen stiegen, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung. Hinlänglich bekannt ist das Abschmelzen der Gletscher und Schneekuppen auf Afrikas höchsten Bergen, dem Kilimandscharo und dem Mount Kenya. "In wenigen Jahren wird dort kein Eis mehr sein", so Steiner, "da-runter leiden Millionen Menschen in den Wassereinzugsgebieten dieser Berge". Bereits heute verfügt weniger als die Hälfte der Afrikaner über sauberes Trinkwasser.
Nach Steiners Auffassung hat Afrika jedes Recht, von den Industrienationen Hilfe bei der Anpassung an die veränderten Klimabedingungen zu fordern. Die Afrikaner würden mit Recht fragen: "Was tut die Welt, um mit einem Problem fertig zu werden, das uns die Lebensgrundlagen zerstört, mit dessen Entstehung wir aber historisch gesehen fast nichts zu tun haben?"
Folgerichtig spielt das Thema "Anpassung" an den Klimawandel auf der Nairobi-Konferenz eine wichtige Rolle. Was tun mit versalzten Böden? Welche Sorten wachsen auch bei Dürre? Wie siedelt man Millionen Menschen aus Überflutungsgebieten um? Auf solche Fragen sucht Afrika Antworten. Der Kontinent müsse seine gesamte Planung an die möglichen Folgen der Klimakatastrophe anpassen, sagt Steiner. Das aber ist kostspielig, zeitaufwändig und für schlecht ausgebildete Beamte in unzureichend ausgestatteten Ministerien von Nairobi bis Freetown kaum zu bewältigen. Deshalb soll ein "Anpassungsfonds" die Entwicklungsländer unterstützen. Ob er von etablierten Organisationen wie Weltbank und Globalen Umweltfonds (GEF) verwaltet wird oder von einem neuen bürokratischen Apparat - darüber wird in Nairobi gestritten.
"Wir erwarten einen konkreten Arbeitsplan für die nächsten fünf Jahre", sagte der Chef des Bonner Weltklimasekretatriats, Yvo de Boer. Insbesondere der Technologietransfer müsse gefördert werden. Außerdem fordert de Boer, dass Afrika stärker von den Erlösen aus dem Emissionsrechtehandel begünstigt wird. Das Handelsvolumen beträgt inzwischen 1,4 Milliarden US-Dollar, doch wird das Gros der Mittel in Brasilien, Indien und China investiert, während in Afrika nur Südafrika einige klimafreundliche Projekte vorzuweisen hat.