LUXUSREISE
Mailand hat das erste Siebensternehotel Europas
Die Galleria Vittorio Emanuele II ist mehr als Mailands schönstes Schaufenster. Hier spürt man den Herzschlag der Stadt: Manager und Banker hetzen schnellen Schrittes hindurch, eine Gruppe alter Herren bespricht mit der immer gleichen Ruhe Politik und Alltag am Messingtresen der Bar Zucca. Und die Galleria ist voll der Dinge, die einen Mailand-Aufenthalt so schön wie teuer machen. Die in den 1870er-Jahren gebaute Einkaufsgallerie beherbergt zum Beispiel den Laden, an dem Pradas Aufstieg vom Koffermacher zur Luxusmarke begann. Man findet Louis-Vuitton-Gepäck, Tod's Schuhe und Gucci-Accessoires, das alles zwischen opulentem Bilderschmuck an den Wänden und dem Marmorfußboden unter der alles überspannenden Kuppel aus Stahl und Glas.
Wer genügend Geld mitbringt, kann dem munteren Treiben in der Passage vom Fenster aus zusehen und braucht zum Einkaufen nur zwei Stockwerke nach unten zu fahren: Mit dem Townhouse Galleria hat in der Passage das erste Siebensternehotel Europas eröffnet. Das Burj Al Arab in Dubai, das erste Siebensternehaus der Welt, gab die Richtung vor und brachte Unternehmer auf den Geschmack: Mit der obersten Oberklasse lässt sich viel Geld verdienen.
Wenn irgendeine Stadt in Europa Versuchslabor für die Luxusbranche ist, dann Mailand, Italiens Konsumhauptstadt. Nirgends gibt es eine so hohe Dichte an Luxusläden und hochklassigen Designerlabels. Die konsumfreudigen Gäste kommen aus Japan, China, Russland, USA - aber auch die alte Welt mischt munter mit. Alle kommen sie zum Geschäftemachen und Geld ausgeben.
Die sieben Sterne im Townhouse sind kaum steigerbarer Luxus: Der Gast wird mit einem britisch-grünen Bentley vom Flughafen abgeholt, logiert in einem von 24 großzügigen Zimmern und Suiten mit Flachbildfernsehern, teuersten Möbeln, Designer-Einzelstücken und edler Kunst an der Wand. Es riecht nach Ledermöbeln und frischen Blumen, der schwere Teppich verschluckt den Klang der Schritte. Wer hier absteigt, hat zuvor zwischen Bettwäsche aus Seide und solcher aus feiner Baumwolle gewählt und sich aus acht Typen von Kopfkissen das passende ausgesucht.
Vieles davon gibt es in den besseren Häusern der Welt auch. Die beiden Extra-Sterne kommen von der bis ins Detail personalisierten Dienstleistung: Ein persönlicher Butler im Frack geht dem Gast zur Hand -besorgt Karten für die nur einen Steinwurf entfernte und immer ausgebuchte Scala, reserviert den Tisch in den besten Restaurants, so voll sie auch sind, verschickt edle Einladungskärtchen für ein intimes Dinner im Hotel. Im Ambassador Wing, der größten Suite im Townhouse, kann der Gast den Gastgeber geben, bis zu 16 Menschen finden Platz um den ovalen Esstisch.
Sieben Sterne, das bedeutet auch viele schöne Dinge, die niemand braucht: Im Schlafzimmer liegt ein Stapel Visitenkarten, bedruckt mit dem Namen des Gastes und der Adressangabe "in Residence at Galleria". Die meisten Gäste, das gibt auch das Hotel-Management zu, buchen Kurzaufenthalte - schließlich hat der Luxus im Townhouse seinen Preis: 10.200 Euro kostet eine Nacht im Botschafterflügel, für eines der günstigeren Zimmer mit Fenster zum immer noch hübschen Hof muss der Gast mindestens 760 Euro zahlen.
Die Townhouse-Gruppe macht mit ihrem Haus in der Galleria, seinen zwei weiteren Hotels in Mailand und einem Haus in Turin vor, was nun auch die nutzen wollen, deren Geschäft schon lange das mit den Reichen der Welt ist. Die italienischen Luxuslabels strecken ihre Fühler in Richtung Hotels und Reisen aus: Armani, Bulgari, Missoni sind nur drei Beispiele für Luxuskonzerne, die sich nicht mehr mit Anzügen, Schuhen und Handtaschen begnügen. Sie haben die Tourismusbranche entdeckt und wittern im Hotelbusiness die Chance der Zukunft.
Die Mittel dazu haben sie: Die Unternehmen, die ihr Geld mit Luxus verdienen, laufen deutlich besser als der Rest: Die internationalen Luxusfonds, das hat das Wall Street Journal kürzlich errechnet, erreichten in den vergangenen sechs Jahren Umsatz-Wachstumsraten von durchschnittlich 13 Prozent pro Jahr. Das ist mehr als doppelt so viel wie im selben Zeitraum die weltweiten Aktienmärkte verbuchen konnten.
Giorgio Armani, dessen Unternehmen auf einen Wert von 5 Milliarden Euro geschätzt wird - er verkauft Schmuck, Brillen, Handtaschen, Schokolade, Blumen und Sushi -, versucht es zuerst in den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Dubai will der bekannteste und begehrteste der italienischen Designer 2008 ein nobles Hotel und Resort mit allem Komfort eröffnen. 175 Zimmer und Suiten, Restaurants und Schönheitsfarm, über 40.000 Quadratmeter groß. Häuser in Mailand und New York sollen folgen.
Er könne sich "keine aufregendere Perspektive vorstellen, als meinen Stil auf eine Sammlung von Hotels zu übertragen", sagte Giorgio Armani bei der Vorstellung des Projekts. "Mode begleitet heute mehr denn je unseren Lebensstil, nicht nur wie wir uns kleiden, sondern in welchen Restaurants wir essen, welche Autos wir fahren, wohin wir in Urlaub fahren und in welchen Hotels wir übernachten."
In der Rangliste der Marktforschungsgesellschaft AC Nielsen ist Armani neben Gucci eine der gefragtesten Designermarken weltweit. In Nielsen-Umfragen wurden die beide Marken von Verbrauchern aus unterschiedlichen Ländern durchgängig mit hohen Punktzahlen bedacht - ein "bemerkenswerter Beleg für die Macht und universelle Attraktivität dieser beiden Luxuslabels", sagt Michaela Hockenberger von AC Nielsen in Deutschland. Sie gibt dem Designer gute Chancen für einen Erfolg des Hotelprojekts. Es müsse gelingen, von Anfang an ein "starkes und unverwechselbares Markenimage aufzubauen und dann auch aufrechtzuerhalten", sagt sie.
Das gilt auch für die anderen Luxuslabels, die sich im Hotelmarkt versuchen: Der börsennotierte italienische Bulgari-Konzern setzt mit seinem Hotel in reduziertem Design in der Mailänder Innenstadt und einem Resort auf Bali Maßstäbe. Die Florentiner Modeschöpfer-Familie Ferragamo führt eine Reihe von Designhotels in Italien. Und auch Missoni, bekannt für bunte Streifen in teuren Textilien, ist auf den Geschmack gekommen und plant eine ganze Hotelkette.
Der Mailänder Architekt Matteo Thun, gefragter Architekt für Thermen und Wellnesshotels in den Alpen, soll den unverwechselbaren Missoni-Stil in Hotels übersetzen. In seinem Atelier hängen die Pläne für die ersten Häuser an der Wand, die in Kuwait, Edinburgh und Dubai entstehen sollen. Der Trend, sagte er, gehe bei Mode, bei Möbeln, bei Autos und auch beim Urlaub in immer dieselbe Richtung: "Der Megatrend ist die Erosion der Mittelklasse. Gut laufen die extremen Low-Cost-Sachen. Noch besser läuft das Teure und Exklusive."