JOACHIM HUNOLD
Fliegen bleibt auch in Zukunft günstig - vorausgesetzt der Treibstoff wird nicht teurer, sagt der Chef von Air Berlin.
Der Flugmarkt ist heftig in Bewegung. Ist das Prinzip Billigflug die Zukunft oder eher Vergangenheit?
Schon der Begriff Billigflieger ist falsch. Der Fachbegriff lautet Low-Cost Carrier. Es geht also darum, als Fluggesellschaft die eigenen Kosten niedrig zu halten, das ist klassisch kaufmännisches Denken. Die Flugzeuge müssen zum Beispiel viel in der Luft und wenig am Boden sein. Was wir da sparen, das geben wir an die Kunden weiter. Die Zukunft des Reisens, das ist für uns, dass immer mehr Menschen sich das Fliegen leisten können. Der Himmel gehört allen.
Wer bucht, kriegt aber selten wirklich die Niedrigtarife aus der Werbung.
Die Preissystematik ist ein Mix, Frühbucher bekommen die günstigsten Angebote. Aber auch wer kurzfristig bucht, bekommt heute einen Flug von Berlin nach Wien für hundertvierzig Euro, der vor zehn Jahren das Zehnfache gekostet hätte. Das ist doch toll.
Wird es denn in Zukunft immer noch billiger und billiger?
Die Preise bleiben günstig. Noch weiter abnehmen können sie aber nur, wenn die Steuern und Gebühren sinken, die einen großen Teil der Ticketpreise ausmachen -was wir beklagen.
Sie wehren sich gegen den Begriff Billigflieger, aber den Kunden geht es doch vor allem um den Preis?
Es gibt da diese No-Frills Carrier...
...ohne Schnickschnack, so könnte man das übersetzen...
... bei denen läuft der Fluggast zu Fuß übers Rollfeld und darf sich ohne Sitzreservierung mit den anderen Passagieren um die besten Plätze drängeln. Das kann doch nicht die Zukunft des Tourismus sein! Air Berlin macht es anders, wir setzen auf Service und servieren ohne Aufpreis alkoholfreie Getränke. Der Urlaub soll schon im Flugzeug anfangen.
Mit dem spektakulären Kauf der Fluggesellschaften dba und LTU durch Air Berlin ist die Zahl der Anbieter kleiner geworden. Experten nennen das vornehm eine Konsolidierung des Marktes. Wenn nun weniger Wettbewerber da sind, ist das die Chance, Preise anzuheben?
Nein. Der Flugmarkt ist extrem preissensibel. Werden die Tickets teurer, weichen die Leute auf andere Verkehrsmittel aus oder verzichten auf ihre Reise. Wir bieten jetzt mehr Strecken und mehr Abflugtermine an, das ist für unsere Gäste der Gewinn unseres Wachstums. Wenn die Treibstoffkosten nicht steigen, dann bleiben die Preise stabil.
Wächst denn der Markt noch, wenn die Preise nicht mehr sinken?
Das Kundenpotenzial ist keineswegs ausgeschöpft. Der Markt wächst grob gesagt um fünf Prozent jährlich. Air Berlin wächst mehr als doppelt so stark. Die Globalisierung ist ein Mega-Trend, in deren Folge nimmt auch der Flugverkehr zu.
Der Tourismus der Zukunft, ist das also immer mehr Fliegerei? In immer exotischere Länder?
Ich mag keine Mutmaßungen über Zukunftsszenarien. Der Tourist ist ein rätselhaftes Wesen. Mal sagen alle, Mallorca ist Vergangenheit, im Jahr darauf ist Mallorca total angesagt. Unsere Strategie ist es, auf unvorhersehbare Veränderungen sehr rasch zu reagieren. Und wir sind vorsichtig. Neben dem heftigen Wechsel der Moden im Reisemarkt gibt es nämlich äußere Ereignisse, die Trends ganz schnell drehen lassen. In einem Jahr könnten wir vielleicht viermal so viel Türkeiflüge verkaufen, als wir anbieten. Aber dann gibt es da möglicherweise einen Terroranschlag, keiner will mehr hin, und bei uns stehen die Maschinen leer auf dem Hof. Solche Sachen wie die Vogelgrippe lassen ganz schnell mal eben den Markt für Asienreisen zusammenbrechen. Deshalb haben aus unserer Sicht die Reiseziele in den sicheren Weltgegenden weiter Zukunft. Spanien, Kanaren, die Klassiker.
Nun will Ryanair aber auch die Langstrecke als Billigflug anbieten.
Ach, die reden viel. Bislang sind die von winzigen Randflughäfen gestartet, wo sie von Lokalpolitikern für jeden Passagier irrsinnigerweise noch Subventionen obendrauf kriegen. Wenn Ryanair jetzt von Großflughäfen für 29 Euro in die USA fliegen wollen, dann ist das eine Mogelpackung. Da kosten die allermeisten Sitze dann ein Vielfaches des beworbenen Preises, sonst würden die schlicht pleite gehen. Auf der Langstrecke ist das Kerosin der wichtigste Kostenfaktor, und das kostet für alle gleich viel. Da ist nix mit Billigflug.
Aber auch asiatische Billigflieger drängen jetzt mit der Langstrecke in den europäischen Markt. Hongkong Oasis steuert schon jetzt London an, für zum Beispiel 244 Euro inklusive Gebühren, nur Hinflug. Angeblich könnten bald Köln und Berlin folgen. Revolutioniert das nicht den Markt?
Mal sehen. Da klingen die Einstiegspreise jedenfalls schon mal einen Hauch realistischer als bei Ryanair. Wer Langstrecke macht, der wird aber ohne den Zulieferverkehr hin zu seinem Startflughafen wenig hinkriegen. Bei Air Berlin haben wir mit dba und LTU jetzt genau die richtige Vernetzung etwa für die Ferienflieger in die Dominikanische Republik. Die Asiaten haben das nicht. Wir fühlen uns da also nicht bedroht. Langfristig sehen wir in Asien große Chancen. Millionen von Chinesen können künftig reisen, gerade nach Europa. Da wird im Weltreisemarkt viel passieren.
Bei der Langstrecke und teils auch bei mittleren Distanzen gibt es die Grundsatzdiskussion, ob dem Umsteigeverkehr über so genannte Hubs mit Großflugzeugen die Zukunft gehört oder dem Direktverkehr zwischen kleineren Flughäfen mit kleineren Maschinen. Airbus setzt mit dem Riesenflieger A380 auf die Hubs. Was ist die richtige Strategie?
Das kann im Moment niemand wissen. Der A380 verkauft sich ganz gut, aber man muss ihn dann auch füllen. Tatsache ist, dass die Flugzeuge in den vergangenen Jahren im Schnitt immer kleiner geworden sind und dafür häufiger fliegen. Damit gewinnen Anbieter wie Fluggäste mehr Flexibilität.
Bei den Fluganbietern geht es ums Geld, ein wesentlicher Faktor ist hier das Personal. Ist die Billigfliegerei ein Geschäft auf Kosten der Beschäftigten?
Auf gar keinen Fall. Bei uns verdient eine Stewardess mit 21 Jahren 1.500 oder 1.600 Euro netto. Das ist mehr, als anderswo jemand kriegt, der jahrelang studiert hat. Wir sparen etwa bei den Abfertigungskosten, bei den Dienstleistern am Boden.
Der Umweltschutz ist ein zweiter Punkt, bei dem die Billigflieger in die Kritik geraten sind.
Zu Unrecht. Wir fliegen längst mit dem Drei-Liter-Flugzeug, umgerechnet auf den Verbrauch pro Passagier auf hundert Kilometern. Obwohl der Flugverkehr in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist, haben die Abgas-Emissionen nicht zugenommen, weil unsere Triebwerke immer besser geworden sind.
Umweltschützer sehen das anders. Sie erklären, Emissionen in Flughöhe würden das Klima viel stärker belasten als solche am Boden. Das Drei-Liter-Flugzeug sei eine Illusion, weil diese Rechnung nur für voll besetzte Maschinen neuester Bauart gelte. Im Durchschnittsverkehr sei der Verbrauch deshalb deutlich höher. In der aktuellen Klimadebatte könnte es schon bald auch wieder um die Besteuerung von Flugbenzin gehen.
Kerosin ist schon heute teuer, deshalb ist es doch mein ureigenes Interesse, dass wir weniger Sprit verbrauchen. Die Umweltschützer erzählen leider Märchen. Ich kenne keine solide wissenschaftliche Studie über die angebliche Klimawirkung der Emissionen in Flughöhe. Während diese Schlaumeier grübeln, wie sie mit immer neuen Steuern gesunde Wirtschaftsunternehmen belasten können, wird die Bahn mit Milliarden Euro aus der Staatskasse subventioniert. Das ist unfairer Wettbewerb.
Sie fühlen sich bedrängt, obwohl Ihr Unternehmen so erfolgreich ist und der Flugverkehrt boomt?
Mich stört diese ganze Regulierungswut. Die modische Klimadebatte führt zu immer neuen Beschränkungen der Freiheit von Bürgern und Unternehmen. Und in Stellenanzeigen dürfen wir nicht mal mehr schreiben, dass wir keine 60-Jährigen als Stewardessen wollen, das gilt jetzt als diskriminierend. Das alles erinnert schon an die DDR. Und letztlich ist es diese Bürokratie, die verhindert, dass Fliegen noch günstiger wird.
Das Interview führte Jonas Viering.
Er ist freier Journalist in Berlin.