NPD-VERBOT
Vor allem die SPD ist für einen neuen Anlauf
Eine wehrhafte Demokratie müsse Flagge zeigen, proklamiert Kurt Beck, "und mit ganzer Härte des Gesetzes gegen die braunen Demagogen vorgehen". Mit diesen Worten begründet der SPD-Vorsitzende die Forderung nach einem Verbot der rechtsextremen NPD. "Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen", gibt sich Berlins SPD-Innensenator Ehrhart Körting optimistisch, dass ein solches Verfahren in Karlsruhe Erfolg haben werde. Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD sei vielfach belegt. Nur ein Verbot, assistiert der brandenburgische Regierungschef Matthias Platzeck (SPD), könne verhindern, dass diese Partei "ihre Strukturen mit Staatsgeldern ausbaut".
Die massive Kampagne führender Sozialdemokraten könnte fast den Eindruck vermitteln, ein Verbot der NPD sei nur noch eine Frage der Zeit. Doch ob es überhaupt zu einem Antrag in Karlsruhe kommt, ist keineswegs ausgemacht. Die Union gewinnt einem solchen Vorstoß jedenfalls nichts ab.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erinnert an das Scheitern eines ersten Verfahrens 2003: Das sei eine "unliebsame Erfahrung" gewesen, die sich auf "keinen Fall" wiederholen dürfe. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) verweist auf die von Karlsruhe errichteten "hohen Hürden an ein NPD-Verbot". Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) warnt die SPD davor, mit ihrer Kampagne gegen die NPD den Rechtsextremisten zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hat "erhebliche Zweifel", ob die Anrufung des Verfassungsgerichts von Erfolg gekrönt sein werde: Es wäre "verheerend", sollte ein Verbotsantrag erneut abgewiesen werden. Baden-Württembergs FDP-Justizminister Ulrich Goll stößt ins selbe Horn: "Wir müssen die NPD politisch bekämpfen." Auch die Linkspartei ist offenbar nicht einhellig für ein Verbotsverfahren gegen die NPD. Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau, die ihrerseits mit einem solchen Verbot durchaus sympathisiert, erläutert: "Hierzu gibt es in der Linken unterschiedliche Auffassungen."
Noch immer steckt der Politik in den Knochen, dass Karlsruhe 2003 einen Verbotsantrag von Regierung, Bundestag und Bundesrat abgelehnt hat. Der Grund dafür waren die in der rechtsextremen Partei aktiven V-Leute des Geheimdienstes, von deren Existenz die Verfassungsrichter erst im Laufe des Verfahrens erfuhren. Die Agenten sind nicht bloß ein formales Problem: Für die Richter ist nicht mehr erkennbar, welche Aktionen und Äußerungen von der NPD selbst stammen und was von bezahlten V-Leuten des Verfassungsschutzes initiiert wird. In einem Papier sprechen sich Juristen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen einen Verzicht auf die geheimdienstliche Beobachtung aus. Das könne "die Bekämpfung des Rechtsextremismus schwächen". Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) kritisiert, ohne V-Leute erhalte man keinerlei Kenntnis über das Innenleben der Partei mehr. Petra Pau verweist auf Recherchen der Linkspartei bei Landesregierungen, wonach eine Abschaltung der V-Leute nirgendwo zur Debatte stehe. Der Berliner Senat bildet eine Ausnahme. Körting meint, für den Nachweis der Verfassungsfeindlichkeit der NPD bedürfe es keiner nachrichtendienstlichen Überwachung. Kurt Beck plädiert hingegen dafür, die V-Leute nicht abzuziehen, sondern zurückhaltender einzusetzen: Sie dürften etwa "nicht als ,Agent Provocateur' auftreten".
Aber auch die politischen Hürden für ein Verbot der NPD aufgrund einer von den acht Karlsruher Richtern mit Zwei-Drittel-Mehrheit festzustellenden Verfassungswidrigkeit liegen hoch. Das Grundgesetz sieht eine solche Möglichkeit vor, falls eine Partei die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen will oder den Bestand der Bundesrepublik gefährdet. Bislang traf dieses Verdikt nur die NSDAP-Nachfolgegruppierung Sozialistische Reichspartei (1952) und die KPD (1956).
Geht von der NPD, die in zwei von 16 Landtagen sitzt, eine Gefahr für das politische System aus? In Karlsruhe müsste bewiesen werden, dass die Partei eine gegen die demokratische Grundordnung gerichtete "aggressiv-kämpferische Haltung" an den Tag legt. Einzelne Reden oder Aktivitäten von Mitgliedern genügen nicht. Belegt werden müsste ein gezieltes gemeinsames Handeln mit rechtsextremistischen Gewalttätern. Die Hetzjagd von Mügeln zum Beispiel, als vor einigen Wochen mehrere Inder verletzt wurden, war nach bisherigen Erkenntnissen ein übler spontaner Ausbruch von dumpfem Ausländerhass. Hinweise auf einen organisierten Hintergrund etwa seitens der NPD gibt es bislang nicht. Es dürfte ebenfalls schwer fallen, andere erschreckende Vorfälle dieser Art als tragfähige Begründung für ein Verbot der NPD anzuführen.
Auch mit der häufig proklamierten offensiven politischen Auseinandersetzung mit der NPD hapert es. Dabei ist der Vormarsch der Rechtsextremisten keineswegs unaufhaltsam. Ende der 60er-Jahre saß die NPD in sieben Landtagen und verschwand dann für zwei Jahrzehnte als nennenswerte Kraft. So erging es auch schon mehrmals der DVU und den Republikanern. Und wenn bei NPD-Manifestationen Gegendemonstranten mobil machten, errangen sie stets die politische Hegemonie - im Übrigen ohne Demo-Verbote, die von Gerichten ohnehin oft kassiert werden.