Informationen, Daten und Fakten - sie gehören zum Handwerkszeug der parlamentarischen Arbeit. Aber was tun, wenn die versprochene Rede im Wahlkreis zu einem abseitigen EU-Thema naht, das noch unbekanntes Terrain ist? Wie gut, wenn man in solchen Fällen nur zum Telefonhörer greifen oder eine E-Mail schreiben muss und Hilfe findet: Für Abgeordnete und Mitarbeiter des Bundestags sitzt die Rettung im siebten Stock des Marie-Elisabeth- Lüders-Hauses, gegenüber dem Reichstag.
"Hotline W" nennt sich kurz und knapp das zehnköpfige Team um Referatsleiterin Doris Schawaller. Das steht eigentlich für "Wissenschaftliche Dienste". "Aber wir sind auch für die Antworten auf ganz bodenständige Themen zuständig", sagt die wissenschaftliche Bibliothekarin. Zum Beispiel, wenn der Mitarbeiter eines Abgeordneten wissen möchte, was das Rauchverbot im Bundestag denn nun für seinen nikotinabhängigen Chef bedeutet und ob es weiterhin Raucherzonen geben wird.
"Viele Anfragen beziehen sich auf die Wahlkreise", erzählt Doris Schawaller. Da wird ein Abgeordneter gebeten, ein lokales Unternehmen zu unterstützen und möchte sich zunächst über dessen Bonität informieren. Ein anderer muss vor dem örtlichen Schäferhundeverein eine Jubiläumsansprache halten und benötigt Informationen zum Thema Hundezucht. Oder eine Abgeordnete wird in ihrer Sprechstunde von einer Bürgerin gefragt, wie es sich in ihrem speziellen Fall mit Hartz IV verhält und sucht Rat.
So lange die Fragen im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit der Volksvertreter stehen, leistet die "Hotline W" Hilfe. Deren Mitarbeiter suchen im Inter- und Intranet nach Antworten, recherchieren in Datenbanken, sichten Material und stellen Dokumentationsmappen zusammen.
In Sitzungswochen klingelt das Telefon der Hotline nicht selten bis zu 30 Mal am Tag. Zwei Kolleginnen und Kollegen sind permanent erreichbar und leiten die Anfragen weiter. "Wer kann das am schnellsten erledigen? Das ist dabei die erste Frage", sagt Doris Schawaller. Häufig stehen die Ratsuchenden unter Zeitdruck. Wunder können die Datenbank-Detektive dabei natürlich nicht vollbringen. Eine dicke Dokumentationsmappe lässt sich nicht in zwei Stunden zusammenstellen. Aber leer geht keiner aus.
Die Mitarbeiter der Hotline haben bei der Recherche einen entscheidenden Vorteil: Anders als die Abgeordneten und deren Angestellte haben sie auch Zugriff auf teure externe Datenbanken. Außerdem arbeiten sie nicht alleine. Etwa die Hälfte der Anfragen leiten die Rechercheure innerhalb des Hauses weiter: an das Parlamentsarchiv, das Sach- und Sprechregister oder auch an die Außenstelle des Statistischen Bundesamtes, die in demselben Haus wie die Hotline eingerichtet ist.
Doris Schawaller und ihr Team sorgen dafür, dass sich die Bundestagsmitarbeiter nicht an alle diese Informationsquellen wenden müssen, sondern nur an eine. Eine "One-Step-Agency" sei man, sagt sie.
Doris Schawaller kam über die Sprachwissenschaften zum Bibliothekswesen. Nach ihrer Promotion über "Fortbewegungsverben im griechischen Neuen Testament und ihre altkirchenslawische Übersetzung" absolvierte sie in Köln eine Ausbildung zur wissenschaftlichen Bibliothekarin. Seit 1991 arbeitet sie für den Deutschen Bundestag: als Gutachterin in Fachbereichen und dann als Referentin im Petitionsausschuss. "Mit bibliothekarischen Themen hatte ich in der Zeit wenig zu tun", sagt sie. Seit Februar ist die gebürtige Badenerin nun Referatsleiterin der "Hotline W", einem Team von "alten Hasen", wie sie anerkennend betont. "Einige meiner Mitarbeiter recherchieren seit Jahrzehnten in Datenbanken", sagt sie, "die kennen jeden Kniff und Trick und jede Quelle". Für Doris Schawaller ist die Leitung der Hotline ein echter Glücksfall: "Es passt sehr schön, dass ich zu meinen bibliothekarischen Wurzeln zurückgekommen bin."