ANLAGENBAU
Die Hersteller von Wind-, Biomasse oder Sonnenkraftwerken reiben sich die Hände. Die Geschäfte laufen glänzend. Und manche ostdeutsche Kommune freut sich mit.
So sehen Börsenlieblinge aus: Die Aktien des Hamburger Solaranlagenbauers Conergy haben sich seit Jahresbeginn um ein Viertel verteuert. Die Papiere der Solarfirma Q-Cells aus Sachsen-Anhalt waren im August doppelt so viel Wert wie zum Jahresbeginn. Genauso wie die des Windanlagenbauers Nordex. Die Finanzwelt entdeckt zunehmend die Energie aus Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse. Mit gutem Grund: Kein anderer Wirtschaftszweig verzeichnet seit Jahren derart rasante Wachstumsraten wie die Hersteller von Wind-, Biomasse oder Sonnen-Kraftwerken.
Der Umsatz des Berliner Solarunternehmens Solon stieg im vergangenen Jahr um 72 Prozent, der Gewinn um satte 71 Prozent auf 24,8 Millionen Euro. Der Biotreibstoffproduzent CropEnergies verdoppelte im ersten Quartal dieses Jahres seinen Betriebsgewinn gegenüber dem Vorjahr. Einen kräftigen Zuwachs verbuchte auch der Windkraftanlagenbauer Nordex, dessen Überschuss sich fast verdoppelte. "2008 will die Gesellschaft eine Milliarde Euro umsetzten", erklärt Nordex-Sprecher Ralf Peters. Und Fritz Vahrenholt, Vorstandsvorsitzender des Hamburger Windanlagenbauers Repowers, sagt: "Wir könnten im Moment doppelt so viele Windräder verkaufen wie wir zu produzieren in der Lage sind."
Aus den einst viel belächelten Wachstumsphantasien der Branche sind akzeptierte Realitäten geworden. Die Deutsche Börse reagierte im Juni und führte einen eigenen Öko-Index ein: Der ÖkoDAX vereint die zehn gewichtigsten deutschen Ökoenergie-Unternehmen. "Die Zusammensetzung dieses Index soll alle drei Monate überprüft werden", teilte die Börse mit. Entscheidend für die Aufnahme sei die Marktkapitalisierung. Dem ÖkoDAX gehören derzeit folgende Unternehmen an: SolarWorld, Q-Cells, REpower Systems, Conergy, ErSol, SOLON, Nordex, VERBIO, CropEnergies und Schmack Biogas. Zu verdanken hat die Branche ihren Aufschwung dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Die rot-grüne Bundesregierung verabschiedete im April 2000 dieses Regelwerk, das den grünen Kraftwerken feste Vergütungssätze garantiert. So wird Windradbetreibern eine Mindestvergütung von 5,5 Cent je Kilowattstunde Strom garantiert, für die so genannte "kleine Wasserkraft" - Anlagen mit einer Leistung bis 500 Kilowatt - gibt es 9,67 Cent, für größere Wasserkraftwerke 6,65 Cent je Kilowattstunde Strom. Aus Solarzellen ins Netz eingespeister Strom wird mit mindestens 40 Cent je Kilowattstunde vergütet, für die Geothermie gibt es mindestens 7,16 Cent pro Kilowattstunde.
Mit diesen festen Tarifen war es den Pionieren der regenerativen Energieerzeugung endlich möglich, belastbare Finanzierungspläne für ihre Projekte bei den Banken vorzulegen. "Ohne diese Modelle wäre in Deutschland bei den Ökoenergien nichts passiert", urteilt Thorsten Herdan vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). So aber entwickelte sich eine Erfolgsgeschichte: "Getriebe, Türme, Turbinen - die Windradproduktion trug 2006 mit 6 Milliarden Euro zum Umsatz des deutschen Maschinenbaus bei", sagt Herdan. Zwar nähmen sich die 6 Milliarden bei einem Umsatz von 185 Milliarden Euro noch bescheiden aus. Herdan: "Es gibt aber nicht sehr viele Zweige des Maschinenbaus, die größer sind." "Eine derartige Anschubfinanzierung war notwendig, um innovative Technologien zu fördern", sagt Professor Claudia Kemfert, beim Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung zuständig für den Bereich Energie. Wichtig allerdings sei, dass diese Förderung durch das EEG im Laufe der Zeit abgebaut werde. Genau das haben die Mütter und Väter des EEG verinnerlicht: Erstens haben sie die garantierte Einspeisevergütung degressiv gestaffelt. Jedes Jahr sinkt der Satz um vier Prozent. Zweitens werden diese Vergütungen aller vier Jahre überprüft. Derzeit laufen die Vorarbeiten für eine EEG-Novelle, die im Jahr 2008 ansteht.
Längst ist die Erneuerbare Energien-Branche zu einem Arbeitgeber geworden, der mehr Menschen mit Lohn und Brot versorgt als etwa die fossile Energiewirtschaft. "75.000 Menschen Leben von der Windkraft-Industrie", sagt Thorsten Herdan vom VDMA. Neben den 28.000 Jobs im Maschinenbau seien das auch Planungsbüros, Finanziers, Wartungspersonal. Der Lobby-Verband "Erneuerbare Energien" prognostiziert, dass sich 2020 eine halbe Million Jobs in Deutschland mit Ökoenergien befassen werden.
Für viele Kommunen ist der erneuerbare Energien-Boom ein Segen. "Wenn die neue Fertigungsstrecke von Solarworld hier 2009 in Betrieb geht, werden 500 Menschen neu eingestellt", sagt Thomas Müller vom Amt für Wirtschaftsförderung der sächsischen Kleinstadt Freiberg. Solarzellen mit einer Leistung von 1.000 Megawatt kommen dann aus dem Bergstädtchen. Müller: "Und der Witz ist: Die Produkte sind bereits heute bis 2010 verkauft, obwohl die Fabrik noch gar nicht steht."
"Frank Asbeck ist ein Glücksumstand für uns", sagt Freibergs Bürgermeisterin Uta Rensch. Obwohl die Solarworld-Zentrale in Bonn sei, habe der Solarpionier Asbeck Freiberg zu seinem wichtigsten Produktionsstandort erkoren. Mehr als ein Viertel des Gewerbesteueraufkommens stammt inzwischen von der Solarworld, und im Umfeld haben sich jede Menge Firmen als Zulieferer oder Weiterverarbeiter angesiedelt, die den Boom verstärken. Von der Nachwende-Depression ist schon seit Jahren in Freiberg nichts mehr zu spüren, die historische Innenstadt erstrahlt in neuem Glanz, die Arbeitslosenquote liegt weit unter dem Landesdurchschnitt. Eine Untersuchung der Initiative neue Marktwirtschaft weist aus, dass Freiberg bei den kommunalen Investitionen den elften Platz belegt - unter allen deutschen Kommunen.
Beispiele wie Freiberg gibt es viele. In Frankfurt an der Oder investiert das US-Unternehmen First Solar Manufacturing derzeit 150 Millionen Euro in eine Solarfabrik, 400 neue Jobs entstehen.
In Greifswald heißt der Segen Solon, in Erfurt Ersol, in Ostfriesland Enercon, in Rostock Nordex, im vorpommerschen Prenzlau Aleo Solar AG. "Schuld" am grünen Boom, ist auch die deutsche Vormachtstellung auf dem Weltmarkt.
Der Windradhersteller Enercon ist mit einem Anteil von mehr als Prozent der drittgrößte der Welt. "Über 60 Prozent des Umsatzes der Windindustrie brachte 2006 das Exportgeschäft ein", sagt Peter Ahmels vom Bundesverband Windenergie. 60 Prozent sind etwa 3,6 Milliarden Euro. Längst hat die Solarworld Fabriken in Schweden, China und den USA errichtet. Längst denken Frank Asbeck und sein Vorstand "global". "Das Know-how dafür kommt aber aus Freiberg", sagt der städtische Wirtschaftsförderer Thomas Müller. Und das gibt ihm auch die Sicherheit, dass die Genesung seines Bergstädtchens von Dauer sein wird. "Fertigungskapazitäten kann man verlagern, Know-know nicht".
Der Autor ist Wirtschaftsredakteur der "tageszeitung" in Berlin.