BUNDESKARTELLAMT
Präsident Bernhard Heitzer sieht in der hohen Marktkonzentration ein Hindernis für mehr Wettbewerb
Herr Heitzer, funktioniert der Wettbewerb auf dem Energiemarkt?
Leider noch nicht. Die Strom- und Gasmärkte zeichnen sich nach wie vor durch hohe Marktkonzentration aus. Dies gilt nicht nur für Deutschland, das ist europaweit zu beobachten. Die EU-Kommission hat in ihrem Bericht zur Untersuchung des Energiesektors im Januar dieses Jahres entsprechend deutliche Ergebnisse vorgelegt. Die hohe Marktkonzentration ist eindeutig ein Hemmschuh für funktionierenden Wettbewerb. Die Regulierung, die Schwung in den Wettbewerb bringen sollte, indem sie neuen Anbietern die Nutzung der Netze der etablierten Anbieter zu fairen Preisen ermöglichen sollte, zeigt noch keine umfassenden Wirkungen.
Ist die Lage bei Strom und Gas gleichermaßen enttäuschend?
In den Strommärkten gibt es erste positive Entwicklungen. Wobei hier zwischen Großkunden und Haushaltskunden unterschieden werden muss. Auf den Märkten für die Belieferung von Großkunden mit Strom, also insbesondere von Industriekunden, Stadtwerken und Weiterverteilern, funktioniert der Netzzugang und wird auch in signifikantem Umfang genutzt. Auf der Ebene der Haushaltskundenmärkte gibt es nach wie vor ein faktisches Monopol der örtlich ansässigen Versorgungsunternehmen. Dies ist die Folge einer sehr geringen Wechselquote, die laut Benchmarkbericht der Bundesnetzagentur 2005 nur bei circa zwei Prozent lag. Im Gasbereich fehlt es derzeit noch auf allen Stufen der Belieferung an funktionierendem Wettbewerb.
Also sieht Ihre Behörde Missstände im Strom- und im Gaswettbewerb?
Wie gesagt, ein flächendeckender und alle Stufen der Belieferung mit Gas umfassender Wettbewerb ist bisher nicht da. Die wichtigsten Hindernisse für den Eintritt neuer Anbieter sind die Verfügungsgewalt der etablierten Gasversorger über die Netze, die Praxis langfristiger Gaslieferverträge und das hohe Ausmaß der Verflechtung zwischen den Gasversorgern. Um die netzbezogenen Probleme kümmern sich seit Mitte 2005 die Regulierungsbehörden. Um die beiden anderen Probleme kümmert sich das Bundeskartellamt - mit ersten Erfolgen. Wir haben die früher üblichen langfristigen Gaslieferverträge untersagt. In den bundesweiten Strommärkten hat das Bundeskartellamt ein marktbeherrschendes Duopol von Eon und RWE festgestellt - übrigens vor wenigen Wochen durch das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt. Die übermächtige Position der Konzerne bei der Stromerzeugung, beim Import und bei den Übertragungsnetzen behindert den Wettbewerb auf diesen Märkten. Wettbewerber können nicht in ausreichendem Maß auf von den Großkonzernen unabhängige Produktionskapazitäten zurückzugreifen oder auf ausländische Anbieter ausweichen.
Und bei den Endkunden...?
…haben wir es weiterhin mit örtlichen Quasi-Monopolen zu tun; neue Anbieter haben es noch immer schwer sich zu etablieren. Die Bereitschaft der Kunden den Stromanbieter zu wechseln, ist auch noch immer sehr gering. Ich habe deshalb schon des Öfteren die Kunden zum Wechsel des Anbieters aufgerufen. Auch dies könnte den Druck auf die etablierten Anbieter verstärken, ihre Preise zu senken oder jedenfalls nicht weiter zu erhöhen. Dass die Endkunden damit etwas bewirken können, hat das Beispiel Vattenfall in Berlin eindrucksvoll gezeigt. Dort haben viele Kunden nach Preiserhöhungen den Anbieter gewechselt.
Reichen die Instrumente des Kartellamts aus, um Marktmacht zu begrenzen?
Grundsätzlich ist das kartellrechtliche Instrumentarium im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausreichend. Aufgrund der strukturellen Besonderheiten des Energiesektors und des sich nur sehr langsam entwickelnden Wettbewerbs ist in diesem Bereich aber eine zeitlich befristete Stärkung der kartellbehördlichen Befugnisse in der Preismissbrauchsaufsicht im Energiesektor im Hinblick auf die Strom- und Gaspreise erforderlich. Die vorgesehene Preismiss- brauchsnovelle ist für mich ein wichtiges Instrument, um mittelfristig weiteren Beeinträchtigungen des Wettbewerbs entgegenzuwirken. Und das insbesondere im Zusammenwirken mit den Instrumenten, die die Bundesnetzagentur einsetzen wird: die Kraftwerksanschlussverordnung und die Anreizregulierungsverordnung.
Können die Verbraucher denn jetzt mit sinkenden Preisen rechnen?
Die Preismissbrauchsnovelle ist noch im Gesetzgebungsprozess. Wir rechnen mit einer Verabschiedung im Spätherbst. Sie soll, bis in der Energiewirtschaft wirksamer Wettbewerb auch durch neue Anbieter sichergestellt ist, die Preismissbrauchsaufsicht intensivieren. Daher auch ihre Befristung bis 2012. Mit der Novelle präzisiert der Gesetzgeber vor allem die schon geltende Rechtslage. Für die Kartellbehörden soll es aber darüber hinaus durch die Beweislastumkehr nun etwas leichter werden, einen Missbrauch festzustellen. Zukünftig müssen Unternehmen, die im Verdacht eines missbräuchlichen Preisgebarens stehen, nachweisen, dass sie sich marktgerecht verhalten. Der Amtsermittlungsgrundsatz bleibt für das Bundeskartellamt aber bestehen. Allerdings kann das Bundeskartellamt auch zukünftig keine flächendeckende Preiskontrolle durchführen. Unsere Aufgabe ist es, für fairen Wettbewerb und dadurch wettbewerbsgerechte Preise zu sorgen. Überhöhte Preise, die missbräuchlich aufgrund von Marktmacht entstanden sind, können wir durch die Novelle leichter aufgreifen. Sinkende Preise insgesamt können wir allerdings mit der Preismissbrauchsnovelle nicht garantieren, sondern nur Ausreißer nach oben erfassen.
Wird es wegen der Umkehr der Beweislast mehr Verfahren geben?
Das lässt sich heute noch nicht prognostizieren. Möglicherweise dämpfen die schon beschlossenen politischen Initiativen bereits im Vorfeld den Preisauftrieb. Hierzu zählen die Diskussion einer möglichen eigentumsrechtlichen Entflechtung und die zu erwartenden Aktivitäten der Kartellbehörden aufgrund der Preismissbrauchsnovelle, aber auch die Netzanschlussverordnung und die Anreizregulierung.
Sind Ihre Äußerungen über Personalmangel auf fruchtbaren Boden gefallen?
Ich habe meine Sorge den zuständigen Berichterstattern des Haushaltsausschusses vorgetragen. Ich bin aus diesen Gesprächen herausgegangen mit dem Eindruck, dass ich nicht umsonst nach Berlin gefahren bin, ein gewisses Wohlwollen wurde mir signalisiert. Deshalb bin ich für die Zukunft relativ optimistisch, dass wir allmählich wieder in eine bessere Ausstattung mit Ressourcen kommen. Üppig ist diese wahrlich nicht.
Würde eine eigentumsrechtliche Trennung der Netze vom übrigen Geschäft den Wettbewerb beflügeln?
Die EU-Kommission hat aufbauend auf Ergebnissen der erwähnten Sektoruntersuchung im Energiebereich eine eigentumsrechtliche Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen von ihren Netzen vorgeschlagen. Dies ist aus theoretischer, wettbewerblicher Sicht wahrscheinlich die sauberste Lösung. Rein rechtlich gesehen kann dieses Instrument aber nur die ‚Ultima Ratio' sein, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. Das heißt, dass rechtlich gesehen Verhaltensmaßnahmen vor strukturellen Maßnahmen wie Entflechtung Vorrang haben müssen. Einer eigentumsrechtlichen Entflechtung stünden auch verfassungsrechtlich enorme Hürden entgegen - es handelt sich um einen sehr weitgehenden Eingriff. Hier wären jahrelang sich hinziehende Rechtsstreitigkeiten zu erwarten.
Das Interview führte Hans-Willy Bein. Er ist Wirtschaftskorrespondent in Köln.