SONNENENERGIE
In der Nähe von Las Vegas steht das weltweit zweitgrößte solarthermische Kraftwerk. Das Nevada Solar One kann ein Modell für die Zukunft sein.
"Schau mal, was da blinkt und blitzt", meint mein Beifahrer und zeigt auf einen Silberstreif am Horizont in der Talebene Richtung Westen. Schon von weitem sticht "Nevada Solar One" ins Auge.
Allerdings ist im ersten Moment noch nicht ganz klar, was dies sein könnte. Gewächshäuser, ein ausgetrockneter Salzsee oder nur eine Fata Morgana in der glühenden Wüstenhitze? Nach einigen Meilen Fahrt auf einer schnurgeraden Straße wird deutlicher, wohin wir fahren. Ein überdimensionales Fußballfeld mit aufgeständerten Parabolrinnen-Kollektoren, daneben ein kompaktes Kraftwerk, eine Stromverteilerstation und Strommasten. Kein Baum, nur niedrige Dornbüsche, Sand und Steine, im Hintergrund kahle, zackige Hügel.
Schon am späten Vormittag steht das Thermometer bei 98 Grad Fahrenheit, das sind knapp 37 Grad Celsius. Die durchschnittliche Sonneneinstrahlung beträgt mehr als sieben Kilowattstunden pro Quadratmeter und Tag. Ein Wert, an den selbst Südspanien, die sonnenreichste Region Europas, nicht herankommt. Ideale Voraussetzungen für einen Sonnenfänger wie "Nevada Solar One". Anfang Juni ging das solarthermische Kraftwerk in Boulder City, 40 Meilen südlich von Las Vegas, ans Netz.
Die 250 Millionen US-Dollar teure Anlage produziert mit einer Leistung von 64 Megawatt, voraussichtlich 129 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich. Das deckt den Strombedarf von etwa 15.000 Haushalten. Halbrunde Spiegel, die in langen Reihen aufgestellt sind, konzentrieren das Licht auf einen Receiver, in dem ein Wärmeträgeröl erhitzt wird.
Das heiße Öl überträgt in dem Kraftwerk per Wärmetauscher die Hitze in einen Wasserkreislauf. Es entsteht Dampf, der Turbinen zur Stromerzeugung antreibt.
"Passen Sie beim Aussteigen wegen Schlangen auf", rät Projektleiter Gilbert Cohen vom spanischen Betreiber Acciona Solar Power, als wir unsere Rundfahrt über das mehr als ein Quadratkilometer große Betriebsgelände beginnen. Jeweils 100 Meter breit sind die 760 Kollektoren, die sich aus 24 Receivern zusammensetzen. Das sind vier Meter lange, schwarz beschichtete Stahlrohre, die von Glasrohren ummantelt sind. 70-fach konzentrieren die Parabolspiegel das Sonnenlicht auf das Öl im Inneren der Stahlrohre, das hierdurch auf mehr als 400 Grad Celsius erhitzt wird. Ein Vakuum zwischen Stahl- und Glasrohr sorgt dafür, dass möglichst wenig Wärme verloren geht. "Was Sie hier sehen, ist Hightech", erklärt Cohen. Und zwar "made in Germany": Die Spiegel stammen von Flabeg, der Kraftwerksblock von Siemens, der größte Teil der Receiver vom Mainzer Spezialglashersteller Schott. Mit einer Genauigkeit von einem Zehntel Millimeter folgen sie dem Lauf der Sonne und bringen die Spiegel in die optimale Einstrahlposition. "Alle zwei Wochen müssen die Spiegel im Sommer mit einer Spezialmaschine nachts von Staub gereinigt werden", erzäht Cohen.
Das "Gehirn" des Sonnenkraftwerks befindet sich im Kontrollraum im ersten Stock des neuen Bürogebäudes. An mehreren Bildschirmen steuern und überwachen Kollegen von Cohen die Anlage. Auf der anderen Seite des Niedrigenergiegebäudes bietet ein halbrundes Zimmer mit großen Fenstern Platz für einen zweiten Kontrollraum. "Dort drüben bauen wir ab kommendem Jahr Nevada Solar Two mit 200 Megawatt. Insgesamt haben wir hier bereits Land für die Installation von 1.000 Megawatt für 97 Jahre gepachtet", erzählt der Projektleiter. Die Gemeinde Boulder City unterstütze die Pläne voll und ganz, das Areal sei als Solar Zone ausgewiesen worden.
Die Nähe zum Stromnetz ist ein wesentlicher Grund, warum gerade hier Solarkraftwerke gebaut werden. Überlandleitungen vom 15 Kilometer entfernten Hoover-Staudamm durchqueren die Talebene Richtung Las Vegas. "Wir können unseren Strom in fünf Bundesstaaten verkaufen", freut sich Cohen.
Derzeit wird der Sonnenstrom von Nevada Power und Sierra Pacific Power abgenommen. Sie sind per Gesetz vom Staat Nevada dazu verpflichtet, bis 2013 mindestens 15 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Energien zu beziehen, davon fünf Prozent solar.
"In einigen Jahren sind wir mit dem konventionellen Strom konkurrenzfähig", so der Acciona-Vertreter. Entscheidend hierfür seien größere Anlagen und weiter reduzierte Betriebs- und Wartungskosten. Das Potenzial für solarthermische Kraftwerke ist auf jeden Fall riesig. Allein im Südwesten der USA sieht Cohen einen Zukunftsmarkt mit 50.000 Megawatt. Schätzungen des National Renewable Energy Laboratory hingegen kommen auf mindestens 200.000 Megawatt. n