UGANDA
Das Bujagali-Staudammprojekt soll die Wirtschaft des armen Landes im Osten Afrikas in Schwung bringen
Mukisa Yoweri weiß von den Problemen nichts. Er hat keine Ahnung davon, dass 80 Kilometer westlich in der Hauptstadt jeden Tag für Minuten, manchmal auch für eine halbe Stunde der Strom ausfällt, die Bänder in Fabriken stillstehen, Menschen ihren Job verlieren und der Staat Steuereinnahmen. Der 49-jährige Bauer im kleinen Weiler Naminya, drei Kilometer oberhalb des Nils, profitiert sogar von den massiven Stromproblemen Ugandas: "Uns geht es heute besser." Yoweri zeigt in der heißen Nachmittagssonne auf die kleinen Felder, wo Zuckerrohr, Kohl, Tomaten, Jackfrüchte und Avocados wachsen. Er deutet auf die Schule und auf den Brunnen vor seinem gemauerten Haus, in dem er mit seiner Frau und den fünf Kindern lebt. Einen Hektar Land hat er bekommen, für das er erstmals in seinem Leben auch eine Besitzurkunde hat. Früher musste sich die Familie mit einer kargen Lehmhütte am Nilufer zufrieden geben. 54 neue Häuser hat BEL, die private Projektgesellschaft für den geplanten Bujagali-Damm, gebaut. Oder für die rund 700 Menschen aus acht Dörfern, die dem Stauwerk weichen müssen, Baumaterial zur Verfügung gestellt. Dazu sind mehrere Brunnen mit sauberem Wasser gebohrt worden. Auf einem nahegelegenen Hügel steht eine neue Schule. Neue Straßen erleichtern den Zugang zu den Märkten.
Von dem Projekt, das die Lebensverhältnisse von Yoweri und vielen anderen Familien deutlich verbessert, ist auf den ersten Blick kaum etwas zu sehen. Der Nil fließt zum Teil ruhig, er stürzt sich an etlichen Stellen aber auch mit viel Gewalt über Stromschnellen gen Norden. Dass es zumindest an einer Stelle, 20 Kilometer nördlich der Provinz-Hauptstadt Jinja, einen Einschnitt geben wird, ist gleichwohl ersichtlich. Ein hoher Zaun begrenzt das Areal oberhalb des Flussufers, dahinter stehen bereits große Baumaschinen. Davor warten fast jeden Tag Männer, aber auch Frauen in der Hoffnung auf einen Job beim Bau des Bujagali-Damms.
Das Projekt ist nicht nur eines der größten Vorhaben, das Uganda je angestoßen hat. Es ist neben den offenbar beträchtlichen Ölvorkommen des ostafrikanischen Landes eines der großen Hoffnungsträger im Bemühen, die Energiemalaise zu beheben, damit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die große Armut zumindest zum Teil überwinden zu können. Ugandas Wirtschaft wächst derzeit pro Jahr mit gut fünf Prozent. Was ansehnlich aussieht, ist für eines der ärmsten Länder der Welt viel zu wenig, um die Armut in den Griff zu bekommen. Die Erfolge sind zwar unübersehbar, der Anteil der knapp 30 Millionen Ugander, der von weniger als einem Dollar pro Tag leben muss, liegt bei 31 Prozent. Vor 15 Jahren waren es noch 56 Prozent. "Wir brauchen ein Wachstum von mindestens sieben Prozent, wenn wir weiter vorankommen wollen", sagt Finanzminister Fred Omach. Ohne das Stromproblem wäre dies zu erreichen.
80 Kilometer östlich der Hauptstadt am Nil und den Ausläufern des Viktoria-Sees findet sich ein Grund für die Misere: Seit drei Jahren hat es in der Region nicht richtig geregnet. Der Wasserstand des Sees ist um zwei Meter abgesackt. Aus ökologischen Gründen begrenzt die Regierung deshalb die Wasserentnahme. Weniger Wasser im See heißt deshalb auch: weniger Strom aus Wasserkraft. Und vor allem das kühle Nass ist der Schmierstoff für Ugandas Wirtschaft. Das Owen- Falls-Wasserkraftwerk in Jinja - das erste große und einzige, 1954 fertig gestellte Hydrokraftwerk in Uganda - kann nur die Hälfte seiner 15 Turbinen laufen lassen. Anfang 2007 konnten von den installierten 380 Megawatt nur 120 Megawatt Strom produziert werden. Zu lange haben Regierung und internationale Geber das Energieproblem negiert, räumt Energieminister Daudi Migereko ein und klagt zugleich.
Kurzfristig versucht das Land den Engpass mit höchst fragwürdigen Maßnahmen zu überbrücken: Am Owen-Falls-Kraftwerk stehen seit etwa Mitte 2006 große Container. Sie sind vollgepackt mit 50 Hochleistungs-Dieselmotoren, die jeweils ein Megawatt Strom liefern. Der Treibstoff wird über Hunderte von Kilometern per Lkw aus der kenianischen Hafenstadt Mombasa angeliefert. Weitere 50 Container-Dieselgeneratoren stehen in Kampala. "Dieser Strom ist vier bis fünf Mal teurer als Elektrizität aus Wasserkraft", sagt Ulrich Laumanns, Energieberater der bundeseigenen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Ein finanzieller und ökologischer Irrsinn.
Auf 413 Millionen Dollar summiert sich jedes Jahr die Ölrechnung des Landes. Eine kaum mehr zu stemmende Summe, die nicht verhindern kann, dass es trotzdem immer wieder zu Stromausfällen kommt. Seit Mitte der 90er-Jahre laufen die Planungen für den Bujagali-Damm mit Kraftwerk, Schaltanlagen und Hochspannungsleitungen. Nach umfangreichen Studien zu den sozialen und ökologischen Folgen wurden die ersten betroffenen Bauern umgesiedelt oder entschädigt. Doch die eigentliche Betreibergesellschaft geriet 2003 in finanzielle Schwierigkeiten und zog sich zurück. Das Projekt musste neu ausgeschrieben werden. Denn klar ist: Ohne mindestens ein zusätzliches großes Kraftwerk wird Uganda seine Energiekrise nicht bewältigen können. Der Bujagali-Damm ist das erste dieser Vorhaben. 250 Megawatt Strom soll er ab 2011 liefern, dort, wo sich der Nil als reißender Fluss in saftig grüner, tropischer Natur zeigt. Die Weltbank hat dem 760-Millionen-Dollar-Projekt Ende April zugestimmt. 370 Millionen Dollar steuert sie bei. Aus Deutschland kommen über die KfW-Entwicklungsbank bis zu 40 Millionen Euro. Die Weltbank und die Bundesrepublik wollen dem Land beim Aufbau des Energiesektors helfen. Landesweit sind derzeit nur fünf Prozent, auf dem Land sogar nur ein Prozent an das Stromnetz angeschlossen. Die veralteten Leitungen müssen modernisiert werden, die Leitungsverluste betragen bis zu 40 Prozent.
Der Bujagali-Damm zählt mit einer Höhe von rund 30 Metern zu den kleineren Dämmen, wie Kevin Kariuki von der Betreiber-Gesellschaft BEL betont. Nur 125 Hektar Fläche würden benötigt. Bei Staudamm-Projekten in anderen Ländern sei es mindestens das Zehnfache, sagt er und hält am Ufer des Nils eine schematisierte Abbildung des geplanten Staudamms in die Höhe. Sie macht allerdings auch klar: Selbst bei größtmöglicher Rücksichtnahme auf die Natur bleibt ein solcher Damm ein massiver Eingriff in die Landschaft. Immerhin: Zusätzliches Wasser benötigt Bujagali nicht, es nutzt die Mengen, die bereits zuvor zehn Kilometer stromaufwärts am Owen-Falls-Kraftwerk durch die Turbinen fließen, heißt es bei BEL. Angesichts der massiven Kritik an ähnlichen Projekten haben es sich Weltbank und auch die Bundesregierung mit der Unterstützung von Bujagali nicht leicht gemacht. Mit zum positiven Votum hat auch beigetragen, dass der Aga Khan Fund for Economic Development ein Drittel der Kapitalanteile und sogar die Hälfte der Stimmanteile an der Betreibergesellschaft BEL hält. "Die sozialen und ökologischen Fragen sind kooperativ und vorbildlich geklärt worden", sagt Britta Oltmann von der KfW. "Die Bevölkerung wird seit acht Jahren kontinuierlich über das Vorhaben informiert. Die Mehrheit steht dahinter." Auch ökologisch sammelt das Großprojekt Pluspunkte: Die Strom-Erzeugungskosten sind im Gegensatz zu Dieselgeneratoren fünf Mal günstiger, die Umwelt wird um etwa 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entlastet, der Eingriff in die Natur, sagt Oltmann, halte sich in Grenzen. Es gebe keine Wasserentnahme aus dem Nil, der Wasserspiegel des Viktoriasees werde dadurch nicht beeinträchtigt.
Kritiker allerdings lassen sich nicht beirren. Bujagali bedrohe den Wasserstand des Viktoria-Sees, klagt Regine Richter von der deutschen Nichtregierungsorganisation "Urgewald". Damit werde der neue Damm ohnehin nicht so viel Strom liefern können wie geplant. Wie ihre Alternativen aussehen, wird allerdings nicht deutlich. Ugandas Energieminister Migereko hat für solche Einwände wenig Verständnis. Bujagali sei die beste und günstigste Option für Uganda, auch unter ökologischen Aspekten. Hätte Uganda keine Stromprobleme, könnte das Wachstum pro Jahr um ein bis zwei Prozentpunkte höher sein. Was auch im Kampf gegen die Armut helfen würde. "Ohne Energie können wir nicht über Entwicklung und auch nicht über Umweltschutz reden", sagt Migereko.
Der Autor arbeitet als freier Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt.