SOLARZELLEN
Die Branche boomt. Dank großzügiger Förderung. Doch die soll jetzt reduziert werden.
Stefan Dietrich hat vermutlich einen angenehmen Job: Er erzählt als Firmensprecher fast täglich die Geschichte von Q-Cells, einem Unternehmen in Thalheim bei Bitterfeld. In der Vergangenheit reisten Reporter eigens aus Afrika nach Sachsen-Anhalt, um am Beispiel von Dietrichs Arbeitgeber zu erörtern, warum deutsche Solarzellenhersteller zur Bekanntgabe ihres Umsatzwachstums mitunter dreistellige Prozentzahlen verwenden. Obwohl Q-Cells erst seit gut sechs Jahren Komponenten produziert, mit denen sich Sonnenlicht in Energie umwandeln lässt, ist die Firma bereits der zweitgrößte Solarzellenhersteller der Welt.
Schuld ist die Bundesregierung. Im Jahr 2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. Berlin will damit den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 von derzeit fast zwölf Prozent auf 20 Prozent erhöhen. In der Folge müssen Energieunternehmen auch Strom in ihr Netz speisen, der aus Wind, Wasser oder Sonne gewonnen wurde. Was für die Stromerzeuger eine Verpflichtung darstellt, bedeutet für die Produzenten des Solarstroms mitunter eine üppige Einnahmequelle. Wer zum Beispiel eine Fotovoltaikanlage auf seinem Hausdach oder auf einem Feld installiert, kann den Strom ins Netz leiten und bekommt dafür vom Energieversorger etwa 50 Cent je Kilowattstunde gutgeschrieben - die Produktion des Solarstroms kostet je nach Anlage zwischen 37 und 52 Cent je Kilowattstunde. Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde Strom aus dem Atomkraftwerk kostet nur etwa fünf Cent. Für die aus dem EEG resultierenden Mehrkosten je Kilowattstunde kommen die Verbraucher auf. Ihre Stromrechnung erhöht sich dem Solarstrom zuliebe um einen bestimmten Betrag. Dahinter steckt freilich ein Vorhaben: Deutschland soll bei der Entwicklung erneuerbarer Energien eine wichtige Rolle spielen.
Die Gründer von Unternehmen wie Solarworld, Ersol oder Q-Cells wären wohl nicht von selbst darauf gekommen, Solarzellen zu produzieren, die wiederum Strom produzieren, der so teuer ist, dass ihn niemand kaufen mag. Also dachte man in der Regierung: Wenn Deutschland bei den erneuerbaren Energien mitreden will, gehört das gefördert. Ergebnis: Setzte die deutsche Fotovoltaikbranche 1999 noch 100 Millionen Euro im Jahr um, waren es nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft im Jahr 2006 schon 3,7 Milliarden Euro.
Deutschland ist mittlerweile weltweit einer der größten Märkte für Solarenergie und wegen der großen Nachfrage nach den Zellen, in denen Sonnenstrahlen eine chemische Reaktion auslösen, die Spannung produziert, sind in Thalheim in sehr kurzer Zeit sehr viele Arbeitsplätze entstanden. Bei Q-Cells etwa wuchs die Zahl der Mitarbeiter allein zwischen 2005 und 2007 von 484 auf 1.000. Eine nicht unerhebliche Entwicklung in einer Region, in der die Arbeitslosigkeit immer noch im zweistelligen Bereich liegt. In ganz Deutschland arbeiten heute 35.000 Menschen in der Solarindustrie. Viele dieser Arbeitsplätze werden noch geraume Zeit von der Förderung durch das EEG abhängig sein, die es in der heutigen Form nicht für alle Zeit geben wird. Im Herbst etwa wird das EEG novelliert und dem Vernehmen nach die Förderung je Kilowattstunde gekürzt. Die Gewinnmargen der Solarzellenhersteller sollen enger bemessen werden, die Hersteller sollen sich nicht auf dem von manchen Experten als zu üppig bemessenen Förderpolster ausruhen. Vielmehr sollen sie mit Hilfe der Förderung intensiv an neuen Technologien forschen, die die Produktion von Solarstrom noch günstiger machen. Q-Cells will irgendwann Solarzellen anbieten, mit denen Strom billiger produziert wird als im Atomkraftwerk, so Stefan Dietrich: "Die Kosten für Solarzellen sinken um 20 Prozent, wenn sich die Produktion verdoppelt.". Aber durch solche Skaleneffekte allein wird der Strom aus Sonnenschein nicht günstiger, und also fügt Dietrich an: "Unsere Zellen sind größer als die der Konkurrenz und haben einen höheren Wirkungsgrad." Lag der Wirkungsgrad noch vor vier Jahren bei 14,1 Prozent, so war er 2006 immerhin bei fast 16 Prozent. Um aber der Fotovoltaik einen erheblichen Anteil an der Stromerzeugung zu verschaffen, reichen auch die schrittweisen Verbesserungen der vorhandenen Technik nicht aus. Dietrich weiß das und führt Besucher gerne auf das Dach der bestehenden Produktionslinien und deutet hinüber zu einer Q-Cells-Tochterfirma namens EverQ. Dort werden neue Technologien der Solarzellenherstellung erprobt, bei denen zum Zwecke der Kostenersparnis weniger Silizium verwendet wird.
Wachstum in der Produktion, dünnere Zellen, neue Technologien: Das sind die Zutaten für künftig günstigeren Strom aus Sonnenschein. Experten betonen allerdings, dass es so etwas wie eines technologischen Quantensprunges bedarf, um die Kosten für Strom aus Solarzellen den Stromkosten aus Atomkraft ebenbürtig zu machen.
Die Hersteller sind zur Weiterentwicklung gezwungen, wollen sie auch nach den Kürzungen der EEG-Umlagen noch Geld verdienen. Zudem liegt der Beitrag der Solarstromproduzenten zum gesamten Stromverbrauch immer noch bei eher spärlichen 0,3 Prozent des Endenergieverbrauchs. Je nach Blickwinkel lässt sich also leicht über den subventionierten Erfolg einer Branche lästern oder aber den Erfindern des EEG gratulieren, die den Erfolg dieser Branche initiierten. Thalheim ist zu einem der weltweiten Zentren der Produktion von Solarzellen aufgestiegen, und Ende des Jahres will Dietrich Reportern Q-Cells-Mitarbeiter Nummer 1.500 vorstellen.
Der Autor arbeitet als Redakteur bei jetzt.de in München.