ERDÖL
Viele Staaten mit großen Vorkommen des schwarzen Goldes sind arm geblieben. Korrupte Machthaber stehen einer demokratischen Entwicklung im Weg. Die Abnehmer im Westen müssen Druck machen, damit sich dies ändert.
Denis Christel Sassou-Nguesso kauft gerne ein. Teure Taschen, Schmuck, Designerware. Zwischen März 2004 und Oktober 2006 gab Nguesso Hunderttausende von US-Dollars für Luxusgüter aus, allein 35.000 im August 2006. An den vielen Dollars, die Denis Christel Sassou-Nguesso für die Edelmarken ausgibt, klebt Öl - und das Öl ist mit Blut vermischt. Denn er ist der Sohn von Denis Sassou-Nguesso, dem Präsidenten der Republik Kongo, dem bitterarmen und durch Bürgerkriege zerrütteten Land in Zentralafrika. 70 Prozent der etwa vier Millionen Einwohner verdienen ungefähr einen Dollar am Tag, also so viel wie der Sohn ihres Staatsoberhaupts an guten Tagen durchschnittlich alle zwei Minuten ausgibt.
Die Republik Kongo ist eigentlich ein reiches Land - reich an Öl. Die Erlöse aus dem Ölexport beliefen sich 2006 auf mehr als 3 Milliarden US-Dollar. Würde das Geld gerecht verteilt werden, müssten viele Kongolesen nicht mehr unter der Armutsgrenze leben. Doch es bleibt hängen, bei den Nguessos und Mitgliedern der Regierung. Denis Christel steht in Hongkong wegen Geldwäsche vor Gericht. Als Chef von Cotrade, einer Tochterfirma der staatlichen Ölfirma SNPC, ist er für den Vertrieb des kongolesischen Erdöls zuständig. Denis Christel und ein Kollege schafften vermutlich einen großen Teil der Einnahmen aus den Ölverkäufen über Strohfirmen ins Ausland. Geld, das die vielen Probleme des Landes hätte lindern können, so aber nur dem aufwendigen Lebensstil der korrupten Elite dient.
Ein durchaus typischer Vorgang für Länder, die reich an Bodenschätzen sind. "Die politische Macht in Ölstaaten und Ländern mit Bodenschätzen liegt oft in der Hand einer Herrscherfamilie oder eines Diktators. Sie kontrollieren den Verkauf und sind an der Umverteilung des Reichtums nicht sehr interessiert", bestätigt Michael Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung an der Universität Hamburg. In Saudi-Arabien etwa ist der durch Öl erreichte Wohlstand sehr ungleich verteilt. 10.000 Prinzen erhalten monatliche Zahlungen aus der Staatskasse, manche über 200.000 Dollar. Die übrige Bevölkerung bekommt nichts, verfügt aber wenigstens über einen relativ guten Lebensstandard.
In Ländern wie Angola, Nigeria oder der Demokratischen Republik Kongo ist das anders. Viele Bewohner leiden unter bitterer Armut, Analphabetismus und der Gefahr, in einem bewaffneten Konflikt erschossen, verstümmelt oder vergewaltigt zu werden.
Doch Kriege und die mangelnde Umverteilung sind nicht das einzige Problem. Oft steigt der Wert der Landeswährung durch den Verkauf der Rohstoffe so stark an, dass etwa der Export landwirtschaftlicher Güter darunter leidet. Steigende Preise verhindern deren Verkauf auf dem Weltmarkt, Importe werden billiger. Nigeria muss heute Lebensmittel importieren, da die Landwirtschaft fast zum Erliegen gekommen ist. Erdöl bestimmt zu über 90 Prozent den Export.
Das Unheil liegt nicht im Öl selbst, sondern im politischen Umfeld. Norwegen war zur Zeit der ersten Ölfunde ein demokratischer Staat, von den Ölerlösen profitierte die ganze Gesellschaft.
In arabischen, afrikanischen oder südamerikanischen Ländern war und ist das zumeist nicht der Fall. Oft haben Diktatoren das Sagen. "Mit dem Geld, das sie aus dem Verkauf der natürlichen Ressourcen erhalten, erstehen sie Waffen, räumen politische Gegner aus dem Weg und manipulieren Wahlen. Einen Vertrag mit der Bevölkerung haben sie gar nicht nötig", sagt Mike Davis von der britischen Nichtregierungsorganisation "Global Witness". Der Opposition bleibt oft nur der bewaffnete Widerstand, denn ihr friedlicher Protest wird brutal niedergeschlagen.
Der Stamm der Ogoni in Nigeria protestierte gewaltlos Anfang der 90er-Jahre gegen die Zerstörung seiner Heimat im Nigerdelta durch Ölverschmutzungen und für eine Beteiligung am Verkauf des dort gewonnenen Erdöls. Der Autor Ken Saro-Wiwa führte die Protestbewegung an. Der Ölkonzern Shell, gegen den sich die Bewegung der Ogoni wendete, rief Regierungstruppen zur Hilfe. Etliche Ogoni wurden erschossen, Saro-Wiwa 1995 hingerichtet. Ein globaler Aufschrei folgte. Shell hatte plötzlich ein Imageproblem, stand der Konzern doch als Umweltzerstörer und Unterstützer eines Unrechtsregimes da. Der Konzern beeilte sich, den Tod Saro-Wiwas zu bedauern und prangerte die Korruption der nigerianischen Regierung an, "als ob zur Korruption nur der Korrumpierte, nicht aber der Korrumpierende gehören würde", schreiben Thomas Seifert und Klaus Werner im "Schwarzbuch Öl". "Die ausländischen Ölkonzerne geben sehr viel Geld aus, um das Öl zu fördern. Sie wollen, dass ihr Geld gut angelegt ist, dass ihre Anlagen sicher sind. Um das zu gewährleisten, ist politische Stabilität nötig", sagt Michael Brzoska. Diktatoren können diese oft besser gewährleisten als wankelmütige Demokratien.
Nigeria gehört zu den korruptesten Ländern der Welt. Nach Schätzungen von Nigerias Kommission zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität (EFCC) sind seit der Unabhängigkeit des Landes 1960 bis zu 500 Milliarden US-Dollar aus dem Verkauf von Bohrlizenzen und Exporterlösen der staatlichen Ölkonzerne in die Taschen von Diktatoren und Gouverneuren geflossen.
Der Guerillakampf der Rebellen im Nigerdelta könnte in einen Bürgerkrieg münden. Das Risiko dafür liegt bei Ländern, deren Wirtschaft zu über 30 Prozent vom Rohstoffexport abhängt, bei 22 Prozent, acht Prozent höher als im Durchschnitt der Entwicklungsländer. Ist Öl der Hauptbodenschatz, ist das Risiko sogar 40 Mal höher. Der Ökonomie-Professor Paul Collier hat diesen Index errechnet. "Natürlich brechen Bürgerkriege auch aus anderen Gründen aus. Doch wenn Bodenschätze ins Spiel kommen, verlängert das oft Kriege, die aus ganz anderen Ursachen begonnen wurden", sagt Mike Davis. Den brutalen Kampf um die Macht in der Republik Kongo zwischen Pascal Lissouba und Denis Sassou-Nguesso 1997 beeinflusste der Ölreichtum des Landes. Sassou-Nguesso wurde finanziell von Elf Aquitaine (heute TotalFinaElf) unterstützt, Lissouba angeblich von Occidental Petroleum. Die Ölkonzerne wollten sich zukünftige Bohrrechte sichern. Nach vier Monaten Bürgerkrieg, 10.000 Toten und einer völlig zerstörten Hauptstadt Brazzaville gewann Sassou-Nguesso. Er versprach Demokratie und investierte kaum in Infrastruktur oder Bildung. Heute fördert Elf 60 Prozent des kongolesischen Öls.
Die Republik Kongo will in das Schuldenerlass-Programm von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank aufgenommen werden. Doch dafür muss Nguesso erst erklären, warum es in seinem Land nur zwei geteerte Straßen gibt, sein Sohn aber trotzdem bei Louis Vuitton einkaufen kann. Der Druck zur Transparenz durch IWF, Ölkonzerne, durch USA und EU ist die einzige Möglichkeit, Unrechtssysteme in Demokratien zu verwandeln. Es gibt gute Ansätze. Der demokratisch gewählte Ex-Präsident Nigerias, Olusegun Obasanjo, ließ einen Zukunftsfonds nach norwegischem Vorbild einrichten, in dem ein Teil der Ölerlöse für künftige Generationen angelegt wird. Doch Konzerne wie ExxonMobile drücken weiter beide Augen zu, wenn sie mit Teodoro Obiang, dem Machthaber von Äquatorialguinea, zusammenarbeiten. "Nach vorne wird immer auf Demokratie gepocht, für deren Umsetzung wird aber meistens wenig getan", sagt Michael Brzoska. Der Hunger ist größer - nach Ferraris bei den Diktatoren, nach Rohstoffen bei den Industrienationen.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in München.