ERNEUERBARE ENERGIEN
Schon heute sind sie ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Ihr Marktanteil wächst kontinuierlich. Mehr als 200.000 Personen beschäftigt die Branche inzwischen.
Kein Glatteis, keine Rutschgefahr, Streudienst und Schneeschippen adé: Wenn es Winter wird auf Island und sich eine Schneedecke über den Inselstaat legt, bleiben zumindest in Reykjavik Gehsteige und Parkplätze frei von der weißer Pracht. Die Insulaner gönnen sich einen "energetischen Luxus": Sie beheizen bei Schneefall eine Reihe ihrer Bürgersteige.
Das hört sich verschwenderisch an, geradezu dekadent. Doch Erdwärme ist auf der Vulkaninsel in Hülle und Fülle vorhanden. Geysire, brodelnde Schlammlöcher und kochend heiße Quellen sind nicht nur touristische Highlights, sondern vor allem auch Indizien des geothermischen Potenzials des Landes. Rund 90 Prozent aller isländischen Haushalte versorgt die Geothermie mit Wärme zum Heizen.
Zudem nutzen die Isländer den heißen Dampf aus dem Erdinneren für den Betrieb mehrerer Geothermie-Kraftwerke. Sicher, mit mehr als 30 aktiven Vulkanen hat die Insel im Nordatlantik einen geothermischen Vorsprung gegenüber den kontinentaleuropäischen Staaten. Aber könnte sie für die Zukunft der globalen Energieversorgung nicht trotzdem Vorbild oder zumindest Ansporn sein? Letzterer ist dringend notwendig. Dass die Vorkommen der fossilen Brennstoffe endlich sind, ist keine neue Erkenntnis. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt, dass in rund 40 Jahren die Erdölförderung erschöpft und in etwa 50 Jahren das Erdgas verbraucht sein wird. Die Steinkohle-Reserven reichen noch für gut 150, die Braunkohle-Vorräte für etwa 210 Jahre.
Was erschwerend hinzukommt: Der weltweite Energieverbrauch - und damit die Nutzung fossiler Brennstoffe - steigt beträchtlich. Schuld daran sind einerseits die zunehmende Industrialisierung und der Nachholbedarf vor allem asiatischer Länder und andererseits die steigende Technisierung der Industriestaaten. In wenigen Jahrzehnten also muss es für Kohle, Öl und Gas Alternativen geben. Und die müssen vor allem eines sein: effizient.
Gefunden sind sie schon, mit der Effizienz hapert es noch - Biomasse, Erdwärme, Solarenergie, Wind- und Wasserkraft. Diese regenerativen Energien sollen in Zukunft für Strom, Wärme und Kraftstoff sorgen. Ihre Vorteile: Die Quellen sind unerschöpflich, die Nutzung ist klimafreundlich. Zusammengenommen stehen sie in Deutschland derzeit jedoch nur auf Platz vier der wichtigsten Energieträger für die Stromerzeugung, nach der Kernenergie, der Braun- und Steinkohle. Immerhin aber weist die Tendenz in die richtige Richtung: Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stieg von 10,4 Prozent im Jahr 2005 auf zwölf Prozent im Jahr 2006. Für 2007 erwartet das Bundesumweltministerium einen Beitrag am Bruttostromverbrauch von 14 Prozent.
Der Beitrag der regenerativen Energien an der Wärmebereitstellung erhöhte sich im vergangenen Jahr auf sechs Prozent (2005: 5,4 Prozent). Und auch der Anteil der Biokraftstoffe an der Kraftstoffversorgung im Straßenverkehr legte zu, von 3,8 Prozent 2005 auf 6,6 Prozent 2006. Bis 2050 soll rund die Hälfte der Energieversorgung mit Hilfe regenerativer Energieträger bestritten werden.
Unrealistisch ist dieses Ziel nicht. Damit die Energie aber auch in Zukunft zum Fernsehen, Auto fahren oder Hände waschen mit Warmwasser reicht, müssen Wirtschaftlichkeit und Effizienz von Wind- und Wasserkraft, Solarenergie, Biomasse und Erdwärme noch deutlich gesteigert werden. Bedeutenden Einfluss hatte in diesem Zusammenhang das "Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien", kurz EEG, beschlossen im Jahr 2000 und mittlerweile sogar von 46 Staaten übernommen. Die novellierte Fassung trat 2004 in Kraft. Stromnetzbetreiber sind damit per Gesetz verpflichtet, Strom aus regenerativen Energien vorrangig abzunehmen, in die allgemeinen Versorgungsnetze einzuspeisen und einen festen Preis dafür zu zahlen. Vorläufer des EEG war das Stromeinspeisungsgesetz aus dem Jahr 1990, in dessen Folge sich vor allem die Windenergie stark entwickelte. Der Boom hält bis heute an, häufig wird Deutschland als "Windenergie-Weltmeister" tituliert. Für die Wirtschaftlichkeit der Anlagen gilt die einfache Formel: Je besser, also windreicher ihr Standort, desto höher ist ihr Ertrag. Im Fokus stehen dabei die Offshore-Windparks, die rund 20 bis 25 Kilometer vor der Küste entfernt errichtet werden. Sie sind technisch aufwändiger als die Anlagen im Binnenland, könnten aber zu besonders leistungsstarken Stromlieferanten werden.
Das Bundesumweltministerium sieht es als durchaus realistisch an, dass Offshore-Windparks bis zum Jahr 2030 eine Leistung von ungefähr 20.000 bis 25.000 Megawatt bringen könnten. Und vielleicht auch neue Arbeitsplätze.
Nach Angaben des Bundesumweltministeriums stieg die Zahl der im Bereich der regenerativen Energien Beschäftigten im vergangenen Jahr auf 214.000. Damit wurden in diesem Sektor seit dem Jahr 2004 rund 57.000 neue Stellen geschaffen. Kein Wunder, werden die erneuerbaren Energieträger in der Branche doch als ein extrem bedeutsamer Wirtschaftsfaktor eingeschätzt. Die Investments florieren. Doch Wirtschaftlichkeit hin oder her, letztlich gilt wohl eines: Die wichtigste Quelle der Zukunftsenergie wird die sein, die wir nicht verbrauchen.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.