OPEC
Nach außen spricht die Organisation mit einer Stimme. Doch die Mitglieder haben unterschiedliche Interessen und Ziele. Den Ton gibt noch immer Saudi-Arabien an.
Radler fahren auf der Autobahn, Fußgänger spazieren gemütlich über den Standstreifen. Was normalerweise für eine Warnmeldung im Radio sorgt, ist 1973 an vier Sonntagen im November und Dezember gang und gäbe. Das ungewöhnliche Treiben auf Deutschlands Autobahnen ist sogar von höchster Stelle angeordnet. Die Bundesregierung unter Willy Brandt reagiert mit dem Sonntagsfahrverbot für Autofahrer auf die Ölkrise. Die arabischen Staaten haben Erdöl als politische Waffe entdeckt. Sie drosseln die Ölexporte, wollen die westliche Welt damit zwingen, die Unterstützung Israels aufzugeben. Die Folgen des arabischen Muskelspiels: Der Ölpreis schießt in die Höhe. Eine Organisation, die bis dahin weltpolitisch kaum in Erscheinung getreten war, dreht dem Westen den Treibstoff für den Wirtschaftsmotor ab: die Organisation der Erdöl exportierenden Staaten (OPEC).
Gegründet wurde die OPEC 1960, ihre Entstehungsgeschichte beginnt einige Jahre früher. In den 50er-Jahren beherrschen internationale Konzerne den Erdölmarkt. Die Staaten, auf deren Gebieten die Ölquellen liegen, gehen dagegen fast leer aus. Der saudische Ölminister will das ändern: In Bagdad gründen die Ölstaaten Saudi-Arabien, Irak, Kuwait, Iran und Venezuela die OPEC. Ziel des Produzentenkartells ist eine gemeinsame Ölpolitik. Diese legt Förderquoten fest und will damit die Preise auf dem internationalen Ölmarkt kontrollieren.
Doch in den ersten Jahren ihres Bestehens hinkt die OPEC ihren Zielen hinterher und bleibt ohne Einfluss. Ihre Bedeutung wächst erst in den 70er-Jahren, als der Ölverbrauch durch das weltweite Wirtschaftswachstum steigt und die Ölindustrie in den Förderländern verstaatlicht wird.
Heute vereint die in Wien beheimatete Organisation zwölf Staaten. Neben den fünf Gründungsmitgliedern gehören Katar (seit 1961), Libyen (1962), Indonesien (1962), die Vereinigten Arabischen Emirate (1967), Algerien (1969), Nigeria (1971) und Angola (2007) zum Club der Ölstaaten. Nach außen spricht die OPEC zwar mit einer Stimme, doch einer Meinung sind die Mitgliedsländer selten. Zu unterschiedlich sind die Interessen, zu widersprüchlich die Ziele. Die für jedes Mitglied festgelegte Förderquote ist so ein Streitpunkt. Immer wieder versuchen Länder über ihre Quote hinaus Öl zu verkaufen. Ihnen winkt Profit auf Kosten der anderen Mitglieder, die mit ihrer Zurückhaltung für höhere Ölpreise sorgen. OPEC-Primus Saudi-Arabien konnte aber bislang stets für Disziplin sorgen und Extratouren unterbinden. Die Saudis exportieren mit Abstand das meiste Öl und verfügen über die größten Ölreserven, erklärt Hilmar Rempel, Ölexperte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Das verschafft ihnen eine Führungsrolle. Ein Machtwort der Saudis ist nötig, weil die OPEC in zwei Lager aufgeteilt ist, sagt Rohstoffexperte Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Kuwait, Irak oder Saudi-Arabien verfolgen eine andere Preispolitik als der Rest des ÖlDutzends. Sie verfügen über große Ölreserven und geben sich auch mit einem niedrigeren Ölpreis zufrieden, weil sie ihre Märkte nachhaltig entwickeln wollen. Libyen, Algerien oder Venezuela bewegen sich hingegen bereits heute am Limit ihrer Fördermöglichkeiten. Sie machen sich für höhere Preise stark.
Der Preis für ein Barrel Öl ist in der ersten Jahreshälfte von 50 auf 78 US-Dollar geklettert. Trotzdem wächst der Durst nach Öl. Besonders China und Indien schlucken das schwarze Gold in rauen Mengen. Thomas Ukert vom Energieinformationsdienst aus Hamburg erwartet daher, dass die OPEC noch mächtiger wird: "Das liegt daran, dass die OPEC-Länder 41 Prozent des weltweiten Ölmarktes abdecken und über 75 Prozent der weltweiten Ölreserven verfügen." Deswegen komme auch in Zukunft keiner am Erdölkartell vorbei. Alle halbe Jahre stellt die OPEC bei ihrer Ministerkonferenz die Weichen für die Zukunft. Das nächste Treffen ist am 11. September. Die Ölminister legen die Förderquote für sechs Monate fest. Frank Schallenbergers Prognose: "Liegt der Ölpreis zu diesem Zeitpunkt bei mehr als 75 Dollar pro Barrel, wird die OPEC mehr Öl fördern. Der Ölpreis würde folglich sinken." Mittelfristig sei aber ein Anstieg wahrscheinlich. "Ich schließe nicht aus, dass der Ölpreis bald auf 100 Dollar oder mehr pro Barrel klettert", so der Rohstoffexperte. Eine Ölkrise wie 1973 sei aber nicht zu erwarten. Die meisten OPEC-Staaten, allen voran Saudi-Arabien, würden ihre Beziehungen zu den westlichen Staaten nicht aufs Spiel setzen. Autofreie Sonntage sind daher wohl nicht zu erwarten.
Der Autor ist Volontär bei der Bundeszentrale für politische Bildung.