BISCHOFSKONFERENZ
Bereitschaft zum Dialog
Und immer wieder Regensburg: Der mutmaßliche Fall sexuellen Missbrauchs durch einen einschlägig vorbestraften Geistlichen in der bayerischen Diözese überschattete die Herbst-Vollversammlung der katholischen deutschen Bischöfe. Eigentlich ging es in Fulda um etwas ganz anderes: zum Beispiel um gemeinsame Leitlinien zur Umsetzung des am 14. September in Kraft getretenen Erlasses Papst Benedikt XVI. zur breiteren Zulassung der alten lateinischen Messe. Es ging auch um die in nahezu allen 27 deutschen Bistümern angelaufene Neuordnung pastoraler Strukturen, und nicht zuletzt stand die in der jüngeren Vergangenheit arg gebeutelte Ökumene auf der Tagesordnung.
Die maßgebenden Akzente setzte da ein ausgewiesener ökumenischer Theologe: der Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Karl Lehmann. Seine Ausführungen hatte Lehmann, der seit 20 Jahren an der Spitze der Konferenz steht, unter die Überschrift gestellt "Zum Selbstverständnis des Katholischen. Zur theologischen Rede von Kirche". Eindringlich mahnte der Kardinal eine Diskussion über ökumenische Modelle und Ziele an. Es sei notwendig, diese früher schon begonnene, dann weithin abgebrochene Diskussion wiederzubeleben. Zugleich zeigte sich Lehmann davon überzeugt, dass man auf dem eingeschlagenen Weg des ökumenischen Gesprächs weiter vorangehen müsse. Er räumte allerdings ein, die offenen Fragen seien schwieriger, die Ungeduld werde größer.
Ausführlich ging Lehmann auf das von Benedikt XVI. gebilligte und im Juli von der römischen Glaubenskongregation vorgelegte Dokument über die Einzigartigkeit der katholischen Kirche ein. Das Papier war insbesondere bei Protestanten auf scharfe Kritik gestoßen. So wies etwa der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, das Dokument als "ökumenisch brüskierend" zurück. Vorsätzlich verweigere Rom anderen Kirchen die Anerkennung des Kircheseins.
In Fulda kritisierte Lehmann die protestantische Kritik, nannte sie "schroff und heftig", sprach von einer "regelrechten Kampagne". Aber auch in Richtung Rom sparte Lehmann nicht mit Kritik. Um zu einem weniger konflikthaltigen Text zu kommen, so der Kardinal, sei eine viel engere Zusammenarbeit zwischen der Kongregation für die Glaubenslehre und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen notwendig. Und: Es bedürfe intensiven Nachdenkens, wie man einen Text zu derartigen Themen veröffentlichen könne, ohne dass es zu erheblichen Missverständnissen und Pannen in einer weltweiten Öffentlichkeit komme.
In dem Vatikan-Papier ist zwar von einem "wirklich kirchlichen Charakter" und von einer "wirklich kirchlichen Dimension" auch anderer christlicher Gemeinschaften die Rede. Es wird aber unter Hinweis auf bestimmte "Mängel" bekräftigt, dass die Kirche Jesu Christi allein in der katholischen Kirche verwirklicht sei. Lehmann erläuterte in Fulda unter Bezugnahme auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), dass die katholische Kirche ihren Anspruch auf substanzielle Identität mit der Kirche Jesu Christi nicht preisgeben könne. Dennoch vertrete sie kein exklusives, absolutes Identitätsmodell, sondern erblicke in den anderen christlichen Glaubensgemeinschaften eine wirkliche Anteilnahme am Kirchesein. Dies ermögliche eine echte Ergänzung und einen aufrichtigen Dialog. Auch habe das Konzil deutlich gemacht, dass es mit Blick auf beide Seiten ein "gewiss verschiedenes Defizit" in der "Vollständigkeit" der eigenen kirchlichen Existenz und ein Sollen hin zu einer tieferen Einheit gebe.
Die Reaktion von protestantischer Seite auf Lehmanns Ausführungen folgte auf dem Fuß - und fiel positiv aus. Die EKD sprach von einer "ökumenischen Wohltat". Der stellvertretende Ratsvorsitzende, der thüringische Landesbischof Christoph Kähler, erklärte, Lehmann sei der römisch-katholischen Lehre von der Kirche treu geblieben. Zugleich habe der Kardinal Raum gelassen für eine "ganz grundlegende Anerkennung der authentischen ekklesialen Realität" der nicht-katholischen Kirchen.
Dass sich Kähler und nicht der Ratsvorsitzende Huber äußerte, hatte seinen Grund in einem USA-Aufenthalt Hubers. Und so blieb es dann Kähler vorbehalten, Lehmann ein "leidenschaftliches Bemühen" darum zu bescheinigen, ein Profil herauszuarbeiten, das die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils der Lehre von der Kirche gegeben hätten. Damit stelle sich Lehmann "erkennbaren innerkatholischen Bestrebungen" in den Weg, eben dieses Profil abzuschleifen und zurückzukehren zum "absoluten Anspruch" der römisch-katholischen Kirche im Sinne einer puren Identifikation mit der Kirche Jesu Christi. "Kardinal Lehmann hat ein glaubwürdiges Gesprächsangebot vorgelegt, das die Fragen an die evangelische Kirche und die gemeinsamen Aufgaben verbindet mit Anforderungen an die römisch-katholische Seite", so Kähler.
Die Bischofskonferenz wurde erstmals vor 140 Jahren, im Oktober 1867, in Fulda einberufen. Das Treffen im Herbst ist zusammen mit der Vollversammlung im Frühjahr das oberste Organ der Konferenz. Kardinal Lehmann hob hervor, dass das Treffen ein freier Zusammenschluss ohne rechtliche Verpflichtungsmöglichkeit gewesen sei, bis das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) verbindliche rechtliche Normen für Bischofskonferenzen auf den Weg gebracht habe.