1. Untersuchungsausschuss/
Berlin: (hib/kos) An der Entführung des Deutsch-Libanesen
Khaled El-Masri durch US-Dienststellen von Mazedonien in ein
afghanisches Gefängnis bestehen keine Zweifel. Bei ihrem
Auftritt am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss des
Bundestags sagten die mit der Aufklärung dieses Falls
befassten Münchner Staatsanwälte August Stern und Martin
Hofmann, es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Angaben des
fälschlicherweise unter Terrorverdacht geratenen Betroffenen
nicht stimmten. Dessen Schilderungen seien "im Großen und
Ganzen glaubwürdig", so Oberstaatsanwalt Stern. Aus Sicht der
Ermittler ließen sich bislang jedoch keine Hinweise finden,
wonach deutsche Behörden in der Zeit der Verschleppung von
Silvester 2003 bis Ende Mai 2004 von diesem Geschehen gewusst oder
bei diesem Kidnapping aktiv mitgewirkt hätten. Nach der
Anhörung der beiden Staatsanwälte wollte der Ausschuss
auch noch El-Masri selbst vernehmen. In einer ersten Bewertung
sahen sich die Obleute der Koalitionsfraktionen, Hermann Gröhe
(CDU) und Thomas Oppermann (SPD), in ihrer Auffassung
bestätigt, dass deutsche Behörden nicht in die
Entführung El-Masris verwickelt waren und dass die
Bundesregierung die Aufklärung dieses Falls nicht behindert
habe. Erhebliche Zweifel an dieser Interpretation machten indes die
Oppositionsmitglieder des Untersuchungsgremiums, Max Stadler (FDP),
Wolfgang Nescovic (Linkspartei) und Hans-Christian Ströbele
(Grüne), geltend. Harte Kritik übten die drei Politiker
auch an der Einstufung zahlreicher Unterlagen als geheim, als
Verschlusssache oder als nur für den Dienstgebrauch bestimmt,
weswegen die beiden Staatsanwälte in öffentlicher Sitzung
zu manchen brisanten Fragen keine Ausführungen machten.
Umstritten bleibt nach wie vor die Identität und die Rolle von
"Sam", der laut El-Masri als deutschsprechende Person bei seinen
Verhören zugegen war und ihn auch nach seiner Freilassung auf
dem Rückflug nach Albanien begleitete. Stern und Hofmann
sagten, nach ihren bisherigen Recherchen verschiedener
"Sam-Varianten" sei davon auszugehen, dass diese Person kein
Mitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) oder anderer deutscher
Behörden sei. Man arbeite jedoch noch an weiteren Spuren, eine
führe "in Richtung CIA", so Stern. Mit zahlreichen Nachfragen
machten die Oppositions-Abgeordneten deutlich, dass für sie
noch keineswegs der Nachweis erbracht sei, bei "Sam" handele es
sich nicht um einen Deutschen: Zweifel äußerten sie etwa
an der Stichhaltigkeit des Alibis eines BKA-Beamten oder an der
Aussagekraft der persönlichen Gegenüberstellung El-Masris
mit dem betreffenden BKA-Polizisten. Zum Unmut Stadlers, Nescovics
und Ströbeles verweigerten die Staatsanwälte mehrfach
nähere Angaben unter Verweis auf ihre nur begrenzte
Aussagegenehmigung, die Ausführungen über laufende
Ermittlungen ausschließe, und auf die Einstufung bestimmter
Themen als Verschlusssache. So erfuhr die Öffentlichkeit
nichts Näheres über eine "anonyme Notiz" und ein
"Non-Paper" Skopjes, worin laut Stadler die mazedonische Regierung
ihre Sicht der Verschleppung El-Masris darlegen soll.
Unerörtert blieben zudem mehrere Fragen der
Oppositionsvertreter zu Verwicklungen deutscher Stellen in diesen
Fall: ob etwa US-Dienste Anfragen zu El-Masri an eine mit
Ermittlungen im islamistischen Umfeld befasste süddeutsche
Polizeieinheit gerichtet hatten, ob bayerische Behörden ohne
Wissen der Staatsanwaltschaft über das mehrmonatige
Verschwinden des Deutsch-Libanesen aus Neu-Ulm unterrichtet waren
oder ob ein Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes ein
Dossier über El-Masri an die CIA übergab.
Oberstaatsanwalt Stern bestätigte die These des SPD-Obmanns
Oppermann, wonach die bei den Verhören des Deutsch-Libanesen
offenbar gewordenen Kenntnisse über dessen Lebensumfeld nicht
zwingend aus zuvor von deutschen Stellen übermittelten
Informationen stammen mussten, sondern auch auf der Auswertung von
Zeitungsartikeln beruhen konnten. Auf Frage des CDU-Obmanns
Gröhe sagte Staatsanwalt Hofmann, es seien bislang keine
Anhaltspunkte erkennbar, dass El-Masri nach dessen Festnahme ein
Kontakt zur deutschen Botschaft in Mazedonien verweigert worden
sei.
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